Ich mache die Stichprobe und suche auf den Online-Stellenplattformen nach Jobs in der Windindustrie, die explizit auch den Quereinstieg ansprechen. Häufig werden berufsnahe Ausbildungen gesucht: in Mechatronik, Industriemechanik oder Elektronik.

Doch der dringende Fachkräftebedarf hat die Branche umdenken lassen – und so schreiben einige Firmen ihre Anforderungen offener aus: Es wird nach einer generellen „abgeschlossenen technischen oder handwerklichen Berufsausbildung“ gesucht oder anstatt einer passenden Ausbildung werden Kompetenzen wie „handwerkliches Geschick und technisches Verständnis“ oder Erfahrungen in „Wartung und Instandhaltung von technischen Anlagen“ gewünscht. Welche Menschen werden hier angesprochen, die sich dann bewerben?

 

David Hütter – Vom Maurer zum Servicetechniker

Ich erreiche David Hütter per Servicewagen-Telefon mitten im Windpark. Er ist gelernter Maurer, suchte aber schon länger einen Job in der Windindustrie und bewarb sich direkt, als sich die Anforderungen öffneten und Handwerker*innen im Allgemeinen gesucht wurden. Das technische Verständnis und eine hohe Lernbereitschaft brachte er mit, alles weitere wurde im halbjährigen Quereinstiegskurs der Deutschen Windtechnik beigebracht; konkret wurde er auf die Wartung und Reparatur von Vestas-Anlagen geschult. Nach ein paar Monaten begleiteter Praxiserfahrung sollen dann weitere Hersteller und die Mittelspannungs-Schalttechnik dazukommen. David Hütter mag das neue Umfeld und die stärkere analytische Arbeitsweise – viel mehr als in seinem früheren Beruf geht es jetzt darum, „Probleme erst einmal zu verstehen, nach Lösungen zu suchen und dann umzusetzen.“ Ein handwerkliches Auge sieht er dafür als Grundvoraussetzung – den Rest hat er im Quereinstiegskurs und in der praktischen Arbeit lernen können.

 

Tim Wegener – Vom Schiffsbauer zum Quality Inspector

Tim Wegener ist gelernter Schlosser, hat sich zum Industriemeister weitergebildet und jahrelang Kreuzfahrtschiffe und Co. gebaut. Heute ist er Quality Inspector bei ENERCON – das ist vielleicht kein gerader Weg, aber was er gut einbringen kann, ist ein Verständnis für große, umfangreiche Projekte in einer boomenden Branche. Dass die Nachfrage nach Windrädern zuletzt erheblich angezogen hat, damit kann er gut umgehen. Dass es manchmal schnell gehen muss, so etwas kennt er noch aus der Werft, wo er auch Führungsverantwortung für Personal und Technik hatte. Tim findet es gut, dass er jetzt im Freien arbeitet, viele andere Berufsgruppen kennenlernt und abwechslungsreiche Projekte betreut. Und für ENERCON ist Tim ein gelungenes Beispiel für die Öffnung für Quereinsteigende in der Firma.

Im Interview frage ich Tim, wie man potenzielle Quereinsteiger*innen findet. Seiner Meinung nach sollte man die sozialen Medien mehr nutzen, um auf sich aufmerksam und sich attraktiver zu machen. Der Vorteil: Gerade durch geschaltete Anzeigen erreicht man die Menschen außerhalb der eigenen Windenergie-Blase und kann sie vielleicht von den guten Aussichten und Chancen in der Windkraft überzeugen.

 

Jessy Fritsch – Von der Praxis an den Schreibtisch

Viel Werbung in den sozialen Netzwerken spielt Enpal aus, ein junges Unternehmen aus Berlin in der Solarbranche. Auch ich stolpere über ihre Anzeigen, schreibe sie an und führe nach wenigen Tagen ein Interview mit Jessy Fritsch. Sie ist gelernte Elektrikerin, leitet aber jetzt ein Team von Elektro-Fachkräften vom Büro aus. In ihrer alten Firma war die Trennung klar: Handwerker* auf der Baustelle, Akademiker*innen im Büro. Bei Enpal ist das anders, hier blickt man mehr auf die Kompetenzen statt auf den Abschluss.

Jessy hat eine Werbung auf Instagram für die Arbeit in der Solarbranche gesehen und sich beworben. Die Firma bot ihr eine theoretische Kurzausbildung im eigenen Trainingszentrum und dann eine individuelle Praxisbegleitung an. Für Jessy genau das Richtige: ein interessanter, neuer Job mit einer individuellen Begleitung. Den Sprung hinter den Schreibtisch hat sie nicht bereut.

 

Gunnar Lux – Vom Marketer zum Projektentwickler

Gunnar Lux ist mein letzter Interviewpartner für diesen Artikel. Ich war noch auf der Suche nach jemandem, der oder die nicht aus dem Handwerk stammt. GP JOULE ist eine der Firmen, die Stellenanzeigen explizit auch für solche Quereinsteiger*innen ausschreibt. Gunnar war viele Jahre im Marketing beschäftigt, wollte sich dann aber umorientieren. „Als ich damals Bewerbungsgespräche bei mehreren Firmen führte, war für mich wichtig, dass sie ein durchdachtes Onboarding und ein fundiertes Fortbildungsprogramm anbieten. Für mich als Quereinsteiger mit erst einem Jahr Erfahrung in der Branche elementar.“ Mit einem gelungenen Onboarding war die Einarbeitung in die weiteren Prozesse kein großer Schritt. Unterstützt haben ihn dabei seine neuen Kolleg*innen, die jederzeit gerne weiterhelfen und gemeinsam Projekte voranbringen wollen. Die Motivation bei GP JOULE ist hoch: 100 % Erneuerbare, da zieht die Belegschaft an einem Strang und freut sich über die Unterstützung mit fast jedem Background. „Ich lerne bei jedem Gespräch etwas Neues,“ sagt Gunnar und lacht. „Und ich kann wiederum ganz andere Erfahrungen aus meinem Berufsleben in die Branche einbringen.“

 

 

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Und was können Firmen tun?

  • Hausinternes oder externes Quereinstiegsprogramm anbieten
  • In Stellenanzeigen explizit Quereinstieg benennen
  • Mit Social-Media- und Online-Werbung Fachfremde erreichen
  • Offenere Anforderungen (z. B. Kompetenzen statt Abschlüsse) vergrößern den potenziellen Bewerberkreis
  • Ein individuell gestaltbares Fortbildungsangebot schließt noch offene Wissenslücken



Dieser Text ist ein Auszug aus dem aktuellen Branchenreport, den Sie kostenlos lesen oder downloaden können.

BWE_Branchenverzeichnis_2024_DE.pdf
Im Branchenreport stellt sich das "Who is who" der deutschen Windbranche vor. Von A wie Ausbildungsunternehmen bis Z wie Zugangstechnik. Ebenfalls wieder mit ...