2.2.2.3               Zu Punkt 3.2.2.3: Geeignete Maßnahmen zum Schutz von Fledermäusen

Der BWE begrüßt die Klarstellungen im Zusammenhang mit Abregelungen für den Fledermausschutz und auch die Ausführungen zur freiwilligen Durchführung des Gondelmonitorings grundsätzlich. Zwar hat der BWE sich in der Stellungnahme zum Gesetzentwurf des § 6 WindBG aus guten Gründen[12] gänzlich gegen ein verpflichtendes Monitoring ausgesprochen.[13] Das wurde so im Gesetz leider nicht festgehalten und nach dem Leitfaden ist das Gondelmonitoring verpflichtend anzuordnen, wenn Abschaltzeiten nicht auf Grundlage eines worst-case Szenarios angeordnet werden, und Unsicherheiten verbleiben, ob das Tötungsrisiko durch die beschränkten Abschaltzeiten ausreichend gemindert wird. Da auch die unten angegebene Abschaltvorgabe das Tötungsrisiko ausreichend mindert, muss auch bei Anordnung dieser das verpflichtende Gondelmonitoring entfallen.

Der BWE spricht sich für die Aufnahme einer Klarstellung im Leitfaden aus, dass die Abschaltungsanordnung zum Schutz von Fledermäusen den Verstoß gegen alle Zugriffsverbote und nicht nur gegen das Tötungsverbot ausräumt (für den Regelfall, dass keine Daten vorliegen). Bisher ist für den Fall im Leitfaden nur die Ausräumung des Tötungsrisikos explizit genannt. Grundsätzlich entfällt laut § 6 Absatz 1 Satz 1 WindBG die artenschutzrechtliche Prüfung sämtlicher Zugriffsverbote, und nur wenn vorhandene Daten vorliegen, regelt der Vollzugsleitfaden ein abweichendes Verfahren für die Prüfung der Verbotstatbestände. Bei Fledermäusen wird unabhängig von dem Vorhandensein von Daten (eine Kartierung durch die Antragstellerin oder die Naturschutzbehörde ist nicht erforderlich) eine Abschaltung als geeignete und verhältnismäßige Minderungsmaßnahme angeordnet. Nur auf Grundlage schon vorhandener Daten kann die Behörde daneben weitere Minderungsmaßnahmen zur Vermeidung und Minderung von Störungen (während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Überwinterungs- und Wanderungszeit) bzw. dem Verlust von Fortpflanzungs- und Ruhestätten anordnen. Für Fledermäuse gibt es keine systematische Datenerfassung und das heißt, dass im Regelfall keine Daten i.S.d. Gesetzes für Fledermausaktivitäten vorhanden sind und die Abschaltung als geeignete Minderungsmaßnahme dann stets alle Zugriffsverbote ausschließt. Diese Klarstellung sollte im Vollzugsleitfaden ergänzt werden, um Unsicherheiten bei der Rechtsanwendung der Behörden auszuräumen.

Der Leitfaden stellt klar, dass Abschaltungen die einzige fachlich anerkannte Minderungsmaßnahme darstellen, die das Schlagrisiko im notwendigen Umfang verringert. Allerdings wird nur darauf hingewiesen, dass diese sich während der Gefährdungszeiten für Fledermäuse in Abhängigkeit von der Witterung, Jahreszeit und Tageszeit ergibt. Hier müssen weitere praktisch relevante Parameter ergänzt werden: ein Schwellenwert für die Windgeschwindigkeit und Temperatur sowie “kein Niederschlag” (weniger als 0,004 mm/min).

Der Leitfaden sieht vor, dass für den Umfang der Abschaltung auf die jeweils einschlägigen Länderleitfäden zurückgegriffen werden soll. An dieser Stelle weist der BWE erneut auf die dringend erforderliche bundeseinheitliche Regelung im Hinblick auf die Abschaltvorgaben hin und empfiehlt die RENEBAT-Studien[14] als aktuell einzige wissenschaftliche Herleitung für die Abschaltparameter. Die dort dargestellte pauschale Abschaltung entspricht dem Prinzip einer vorsorglichen Schutzmaßnahme, die auf Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes[15] eine Vermeidungsmaßnahme für das betriebsbedingte Tötungsverbot nach § 44 Absatz 1 Nr. 1 BNatSchG darstellt und grundsätzlich und mit hinlänglicher Sicherheit das Tötungsrisiko unter die Signifikanzschwelle senkt. Ein Rückgriff auf die Länderleitfäden führt hingegen zu einem Flickenteppich an Lösungen, den der BWE ablehnt. Im Leitfaden sollte den Ländern daher die pauschale Abschaltvorgabe aufgrund der wissenschaftlichen Herleitung in den RENEBAT-Studien empfohlen werden: Abschaltregelung für Fledermäuse in der Zeit von April bis Oktober jeweils eine Stunde vor Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang bei einer Anlauf-Windgeschwindigkeit von bis zu 6 m/s und einer Temperatur oberhalb von 10 Grad Celsius und Niederschlag weniger als 0,004 mm/min.[16] Damit ließen sich auch die Ertragsverluste für die Zumutbarkeitsschwelle zuverlässig ermitteln.

Ein worst-case Szenario (maximal denkbare Abschaltzeiten) braucht es damit nicht, um eine hinreichende Senkung des Kollisionsrisikos sicherzustellen. Im Leitfaden wird bisher hingegen festgehalten, dass im Falle der Anordnung von pauschalen Abschaltzeiten auf Grundlage eines worst-case Szenarios davon auszugehen ist, dass das Kollisionsrisiko hinreichend verringert wird. Wie soeben dargelegt gewährleistet dies auch die obig vorgeschlagene Abschaltvorgabe. Worst-case Szenarien werden vom BWE nicht unterstützt. Auch weil der Ertragsverlust durch Abschaltungen aufgrund von nicht festgelegten worst-case-Parametern in den Ländern erheblich höher ausfallen kann, sollten die Abschaltungen hier gedeckelt werden. Dies gilt umso mehr, da der Vollzugsleitfaden klarstellt, dass die alleinige Anordnung von Fledermausschaltungen noch nicht zur Zahlung des reduzierten Betrages führen soll (3.2.3.1 Höhe der Zahlung). Nur die empfohlene Abschaltung ist im Sinne der zusätzlichen Abgaben des Artenschutzes verhältnismäßig. Hinzu kommt, dass aufgrund des Projektgebietes, beispielsweise mit wenigen baulichen und natürlichen Strukturen, eine geringe Fledermausaktivität zu erwarten ist, sodass maximal denkbare Abschaltzeiten völlig unangebracht wären.

Wenn der bevorzugten Lösung des BWE zur Streichung des worst-case Szenarios nicht gefolgt wird, dann sollten zumindest hierfür die Parameter konkreter definiert werden. So könnte der Flickenteppich aus unterschiedlichen Abschaltbedingungen in den Ländern vermieden werden. Wenn dem nicht gefolgt wird, sollte zumindest eine Empfehlung eines worst-case Szenarios im Leitfaden aufgenommen werden.

Im Leitfaden wird weiter ausgeführt, dass der Antragstellerin im Falle der Anordnung von pauschalen Abschaltzeiten auf Grundlage eines worst-case Szenarios die Möglichkeit einzuräumen ist, die Abschaltzeiten durch eine zweijährige akustische Erfassung der Fledermausaktivität im Gondelbereich (Gondelmonitoring) anzupassen. Hier kann klargestellt werden, dass die Anpassung nur zur Verringerung der Abschaltvorgaben führen kann. Ferner sollte ergänzt werden, dass das Gondelmonitoring auf Antrag in einem selbstgewählten Rhythmus wiederholt werden kann. Dies würde Kosten zulasten der Windenergie durch eine häufig geforderte Wiederholung alle drei bis fünf Jahre vermeiden.

Laut dem Leitfaden ist die WEA ohne Abschaltzeiten zu genehmigen, soweit sich aus den Daten einer Vorab-Untersuchung kein erhöhtes Kollisionsrisiko ergibt. Der Absatz sollte ersatzlos gestrichen werden, da keine fachlich anerkannten Voruntersuchungen existieren, die verlässlich auf das Schlagrisiko in Rotorhöhe schließen lassen. In der Praxis wird daher auch bei vorhandenen Daten eine datenunabhängige Abschaltung angeordnet. Der Passus des Leitfadens suggeriert also ein Entgegenkommen für die Windenergie, hat aber keinen praktischen Anwendungsbereich. Zudem birgt es gleichsam die Gefahr, auf Ablehnung bei Naturschützer*innen zu stoßen und somit die Akzeptanz des Leitfadens zu schmälern.

2.2.2.4               Zu Punkt 3.2.2.4: Verhältnismäßigkeit von Minderungsmaßnahmen

Es kamen einige Rückfragen zur Herleitung des möglichen 600-Euro-Aufschlags auf die Zumutbarkeitsberechnung bei erforderlichen Minderungsmaßnahmen für die Errichtung der WEA, daher regen wir an, konkret auf die Stelle der Gesetzesbegründung zu verweisen und ggf. weitere Ausführungen hierzu zu machen.

Der Leitfaden verweist auf ein Tool zur konkreten Berechnung der Zumutbarkeit als Hilfestellung bei der Berechnung nach Anlage 2 BNatSchG von der Fachagentur Wind. Der BWE merkt an, dass es in der Praxis erhebliche Kritik an diesem Tool (pauschale, stark vereinfachte Excel-Tabelle) gibt und die Projektiererinnen meist genauere Berechnungen anstellen lassen. Daher sollte im Leitfaden ergänzt werden, dass konkretere Berechnungen der Zumutbarkeit durch die Fachleute (vorrangig) berücksichtigt werden müssen.

Im Leitfaden sollte ferner klar herausgestellt werden, dass die Anordnung von vorsorglich strengeren Minderungsmaßnahmen unverhältnismäßig ist und dass die Behörde (auf Verlangen der Anlagenbetreiberin) die Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit der Minderungsmaßnahmen zu begründen hat.

2.2.3            Zu Punkt 3.2.3: Zahlung in Artenhilfsprogramme (§ 6 Absatz 1 Satz 5 WindBG)

Gemäß dem Leitfaden ist keine Zahlung in Artenhilfsprogramme anzuordnen, wenn vollständige Daten zu den Artenvorkommen vorliegen und auf dieser Grundlage kein Verstoß zu erwarten ist oder alle zu erwartenden Verstöße durch Minderungsmaßnahmen hinreichend verringert werden können. Diese Passage könnte so verstanden werden, dass die Zahlung zwar nicht anzuordnen ist, aber angeordnet werden kann. Der BWE regt daher entsprechende Umformulierung zu einem „Nichtdürfen“ an.

2.2.3.1               Zu Punkt 3.2.3.1 Höhe der Zahlung (§ 6 Absatz 1 Satz 7 WindBG)

Im Sinne der Akzeptanz und Transparenz muss es für die gezahlten Artenschutzabgaben einen Mittelverwendungsnachweis und Monitoring-Ergebnisse geben. Diese sind zeitnah der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dem Bundesamt für Naturschutz muss eine Pflicht zur jährlichen Erbringung von Mittelverwendungsnachweisen auferlegt werden.

3         Kommentierung zu Punkt 4: zeitlicher Anwendungsbereich

Aufgenommen werden sollte zudem eine klarstellende Passage zur Vorlage von geeignete Daten nach Genehmigungserteilung: Wird auf Grundlage des § 6 WindBG eine Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer oder mehrerer WEA erteilt, steht es der Betreiberin im späteren Verlauf frei, die festgelegten Minderungsmaßnahmen gem. §§ 15, 16 BImSchG durch Vorlage von geeigneten Daten zu ihren Gunsten ändern zu lassen. Hierfür gelten die allgemeinen Rechtsgrundsätze.

 

 

[1] BWE (2023): Stellungnahme zum Kabinettsbeschluss des Entwurfs eines § 6 Windenergieflächenbedarfsgesetzes – LINK.

[2] Da es sich bei den Vorhabenträgerinnen, Antragstellerinnen etc. um juristische Personen handelt, wird das Femininum verwendet.  

[3] Zwecks Rechtsklarheit und -sicherheit sollte über die Aufnahme der Nebenanlagen im Vollzugsleitfaden darüber hinaus auch eine entsprechende Gesetzesänderung in § 6 WindBG vorgenommen werden. Dies wird der BWE an geeigneter Stelle nochmal anbringen.

[4] Falls dies nicht umgesetzt wird, könnte der Zeitpunkt, ab wann ein Windenergiegebiet als „ausgewiesen“ gilt, hilfsweise auch auf den späteren Zeitpunkt der Beschlussfassung im Gremium (Gemeinderat/Regionalversammlung), also der formellen Planreife, festgelegt werden.

[5] Vgl. hierzu Monika Agatz (2023): Windenergiehandbuch – LINK.

[6] Vgl. OVG Schleswig-Holstein – 5 KN 53/21 –, OVG Lüneburg – 12 KN 101/20 –: Regionalpläne Wind wurden insgesamt für unwirksam erklärt

[7] Nach dem Wortlaut in § 6 fällt die artenschutzrechtliche Prüfung eigentlich weg, daher besteht hier ein gewisser Widerspruch, der deutlicher zu adressieren bzw. aufzulösen ist.

[8] Dies klingt zwar im Wortlaut von § 6 WindBG und im Leitfaden auf S. 7 schon an: „Sind Daten vorhanden, hat die Behörde auf dieser Grundlage zu prüfen, ob durch das Vorhaben Zugriffsverbote nach § 44 Absatz 1 BNatSchG verwirklicht würden.“ sollte im Leitfaden aber klar hervorgehoben werden.

[9] bzw. auch die weiteren vorhandenen und geeigneten Daten.

 

[11] Im umgekehrten Fall (Feststellung eine Risikoerhöhung durch freiwillig vorgelegte HPA) ist dies für den erweiterten Prüfbereich vorgesehen, vgl. Leitfaden Punkt 3.2.2.2.

[12] Eine pauschale Abschaltvorgabe wird vorsorglich angeordnet und sollte Unsicherheiten bzgl. des Tötungsrisikos hinreichend beseitigen, dies ist nachgewiesenermaßen bei der pauschalen Abschaltvorgabe aus den RENEBAT-Studien der Fall. Ein Monitoring sollte dann auch nur freiwillig sein.

[13] Vgl. BWE (2023): Stellungnahme zum Kabinettsbeschluss des Entwurfs eines § 6 WindBG, S. 7 f. – LINK.

[14] Behr, O. (Hrsg.) (2015). Reduktion des Kollisionsrisikos von Fledermäusen an Onshore-Windenergieanlagen (RENEBAT II). – Umwelt und Raum Bd. 7, 368 S., Institut für Umweltplanung, Hannover, DOI – LINK.

[15] Brinkmann, Robert (Hg.) (2011): Entwicklung von Methoden zur Untersuchung und Reduktion des Kollisionsrisikos von Fledermäusen an Onshore-Windenergieanlagen. Ergebnisse eines Forschungsvorhabens. Deutschland. 1. Aufl. Göttingen: Cuvillier (Umwelt und Raum, Band 4).

[16] Die Abschaltvorgabe sollte darüber hinaus zwecks Bundeseinheitlichkeit verpflichtend in Anlage 1 Abschnitt 2 zu § 45b Absatz 1 bis 5 BNatSchG aufgenommen werden. Hier sind schon Festlegungen zu anerkannten Schutzmaßnahmen anderer geschützter Arten getroffen worden. So ist ferner auch klargestellt, dass die pauschale Abschaltregelung für Fledermäuse auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 6 WindBG gilt.