2.2.1            Zu Punkt 3.2.1: Vorhandene Daten (§ 6 Absatz 1 Satz 3 WindBG)

Im Vollzugsleitfaden ist zur Einschätzung des Tötungs- und Verletzungsrisikos bei Betrieb der Anlage eine Ausnahme der Voraussetzung von vorhandenen Daten, auf deren Grundlage die Behörde ggf. erforderliche Schutzmaßnahmen anordnen muss, für Fledermäuse festgesetzt. Geeignete Minderungsmaßnahmen zur Minderung des Kollisionsrisikos für Fledermäuse bei Betrieb der Anlage können hiernach auch dann angeordnet werden, wenn keine Daten vorhanden sind (dazu unter 3.2.2.3 des Leitfadens). Hier ist unbedingt zu ergänzen, dass das auch für das Störungs- und Zerstörungsrisiko bei Betrieb gilt. Ein Verweis lediglich auf das Tötungsverbot kann zu Missinterpretationen führen, als dass bspw. ein Störungsverbot oder das Zerstörungsverbot noch bestehen könnte. Dies muss unbedingt klargestellt werden.

Positiv und wichtig ist die vorgenommene Klarstellung, dass unter die vorhandenen Daten, auf deren Grundlage die Behörde ggf. erforderliche Minderungsmaßnahmen anzuordnen hat, auch die der Vorhabenträgerinnen fallen und dass davon ausgegangen werden kann, dass diese den fachlichen Standards entsprechen.

Es gibt einige Projekte, bei denen bereits alle Kartierungen durchgeführt wurden, und es muss sichergestellt werden, dass die Behörde diese Daten auch wirklich zu Prüfungen und Bewertungen heranzieht, anstatt pauschal auf die Zahlung zu setzen.[8] Der BWE regt an, an dieser Stelle nochmal eindeutig klarzustellen, dass Daten, die von den Vorhabenträgerinnen[9] offiziell vorgelegt werden, von der Behörde auch tatsächlich berücksichtigt werden müssen und dass die Antragstellerin nicht nur im Rahmen laufender Verfahren, sondern auch im Rahmen neuer Verfahren freiwillig Daten vorlegen kann.

Nach dem Leitfaden sind darüber hinaus vorhandene Daten solche, die in behördlichen Datenbanken und behördlichen Katastern gespeichert sind. Dabei handelt es sich um Daten aus einschlägigen Fachdatenbanken z.B. der Naturschutzbehörden, der Landesumweltämter und der biologischen Stationen. Hierbei sollte klargestellt werden, dass diese Daten der Vorhabenträgerin oder den von ihr beauftragten Gutachter*innen auf Anfrage zur Verfügung zu stellen sind, so dass Minderungsmaßnahmen in Bezug auf die technische Planung (bspw. Micrositing) (freiwillig) auch von diesen geprüft werden können.

Die vorgenommene Bezugnahme auf Daten Dritter, welche nur verwendet werden dürfen, wenn die Qualität der Daten ausreicht (verbunden mit einem Prüfauftrag der Behörde), müsste nach Ansicht des BWE zwecks ausreichender Bestimmtheit noch ergänzt/abgeändert werden. Im Verfahren außerhalb von § 6 nutzt die Behörde die vorliegende Kartierung, um diese mit den Informationen Dritter abzugleichen. Die Kartierung fällt nun regelmäßig weg. Es ist daher wichtig, den Prüfaufwand der Behörde möglichst gering zu halten und klare Vorgaben zu machen. Ergänzt werden sollte, dass Daten von Dritten nicht nutzbar sind, solange sie in Bezug auf Erhebungsqualität und fachlichen Hintergrund nicht den Vorgaben der Leitfäden zum klassischen Antragsverfahren entsprechen. Beobachtungen von Spaziergänger*innen, Ornitho-Einträge oder ein Verweis auf bestehende Horste durch Einzelpersonen oder Gruppen entsprechen keinem fachlichen Standard.[10]

Für weitere Konkretisierung der zu verwendenden Daten sollte folgendes in den Leitfaden aufgenommen werden: Als “Brutplatz” gelten nur fachlich korrekt nachgewiesene und hinreichend exakt geographisch verortete besetzte Horste oder sonstige Fortpflanzungsstätten gem. “C”-Brutnachweis. Potenzielle Reviere oder insgesamt “B”-Brutnachweise sind nicht zu berücksichtigen.

Zudem wäre eine Konkretisierung hilfreich, wann Daten fünf Jahre alt sind. Ein Beispiel: Die Untersuchungen fanden vom 1. Feb. bis 30. Nov. 2019 statt, der Antrag wird am 1. Juli 2024 eingereicht: Sind die Daten dann älter als fünf Jahre? Sind die Daten erst pauschal alle am 30. Nov. 2024 fünf Jahre alt? Vorschlag: Die Daten sind fünf Jahre nach dem letzten Erfassungstag zu alt. Ferner sollte aufgenommen werden, dass den Daten eindeutig zu entnehmen sein muss, wann diese erhoben wurden bzw. wann die Kartierung erfolgte. Kann den Daten eine solche Information nicht eindeutig entnommen werden, sind die Daten nicht zu verwenden.

Gemäß dem Leitfaden ist nach § 6 Absatz 1 Satz 5 und 7 Nummer 2 WindBG ohne weiteren Zwischenschritt eine Zahlung in Höhe von 3.000 Euro/MW festzulegen. Sind Daten nur für einige Arten vorhanden oder nicht ausreichend vorhanden, um alle Verbotstatbestände zu beurteilen, ist – neben eventuellen Minderungsmaßnahmen – auch eine Zahlung in die nationale Artenhilfsprogramme anzuordnen. Der BWE regt an, die Höhe der Zahlung – entweder 3.000 oder 450 Euro/MW (vgl. Punkt 3.2.3.1 des Leitfadens) – zwecks Rechtsklarheit hier zu ergänzen.

2.2.2            Zu Punkt 3.2.2: Anordnung von Minderungsmaßnahmen (§ 6 Absatz 1 Satz 3 WindBG)

Der Leitfaden erläutert weiter, dass die Genehmigungsbehörde Minderungsmaßnahmen nur anordnen kann, wenn auf Grundlage der vorhandenen Daten ein Verstoß gegen die Zugriffsverbote des § 44 Absatz 1 BNatSchG zu erwarten ist. Es sollte klargestellt werden, dass die Genehmigungsbehörde Minderungsmaßnahmen nur anordnen kann, wenn auf Grundlage der vorhandenen Daten ein Verstoß gegen die Zugriffsverbote des § 44 Absatz 1 BNatSchG hinreichend sicher (höchstwahrscheinlich) zu erwarten ist (kein Nullrisiko!). Die Beweislast liegt hier auf Seiten der Behörde.

Der BWE begrüßt die Klarstellung im Leitfaden, dass die Behörde einen erwartbaren Verstoß gegen die Zugriffsverbote und die Erforderlichkeit von Maßnahmen selbstständig prüft, die Antragstellerin also nicht mehr dazu verpflichten kann, eine Artenschutzprüfung oder ein Maßnahmenkonzept vorzulegen. Die Antragstellerin kann jedoch freiwillig weiterhin eine solche Prüfung und/oder ein Konzept vorlegen. Hilfreich wäre hier die Klarstellung, wann die Artenschutzprüfung vollständig ist bzw. welche Daten dafür entsprechend erforderlich sind. Unter Punkt 3.2.2.1 ist klar geregelt, dass, wenn kein Verstoß gegen die Zugriffsverbote zu erwarten ist und keine Minderungsmaßnahmen erforderlich werden, auch eine Genehmigung ohne Zahlungen erfolgt. Auch unter 3.2.3 kommt es vor, dass vollständige Daten zum Artvorkommen erforderlich sind, ohne dass definiert wird, wann diese Daten vollständig wären. Dies kann im Umkehrschluss schnell dazu führen, dass wiederum viele Nachforderungen der Behörden gemacht werden, was dann nur durch Annahme der Zahlungen umgangen werden kann.

Im Leitfaden heißt es weiter, dass die Behörde, im Falle, dass die Antragstellerin eine vollständige Artenschutzprüfung und/oder ein vollständiges Maßnahmenkonzept auf Grundlage der vorhandenen Daten vorlegt, auf dieser Grundlage Minderungsmaßnahmen anordnen kann. Der BWE regt an, hier das „kann“, welches Freiwilligkeit suggeriert, in ein „hat zu“ abzuändern und ein „wenn und soweit diese (Minderungsmaßnahmen) zur Gewährleistung von § 44 Absatz 1 erforderlich sind“ anzufügen. Denn wenn die Antragstellerin vollständige Unterlagen einreicht, sollten diese zwingend als Grundlage für etwaig erforderliche Maßnahmen herangezogen werden müssen. Die Antragstellerin legt auch Maßnahmen im sog. landschaftspflegerischen Begleitplan (kurz LBP; kommt aus der Eingriffsregelung) vor. Der LBP umfasst Maßnahmen für Biotope, Boden, etc. Diese Maßnahmen kommen jedoch nicht aus dem Artenschutz, für den die Minderungsmaßnahmen hier gedacht sind. Im Leitfaden sollte daher klar gemacht werden, dass das artenschutzrechtliche Maßnahmepaket gemeint ist.

2.2.2.1               Zu 3.2.2.1: Verstoß gegen ein Zugriffsverbot nach § 44 Absatz 1 BNatSchG

Der Leitfaden führt aus, dass die zuständige Behörde zunächst prüft, ob auf Grundlage der vorhandenen Daten ein Verstoß gegen ein Zugriffsverbot nach § 44 Absatz 1 BNatSchG zu erwarten ist. Der BWE schlägt auch an dieser Stelle vor, ganz deutlich zu machen, dass die Prüfung der Zugriffsverbote ausschließlich zur Vorbereitung der Entscheidung über etwaige Minderungsmaßnahmen auf Basis der vorgesehenen etwaigen Datenlage dient. Hierin besteht die maßgebliche Modifikation durch § 6 WindBG. Die Verbote können nicht mehr zur Ablehnung eines Projekts führen. Der BWE regt an, den Leitfaden zur Herausstellung dieses zentralen Punktes hin nochmal grundlegend zu überprüfen und ggf. zu überarbeiten.

Im Leitfaden heißt es weiter, dass für die Prüfung des Tötungs- und Verletzungsverbots bei kollisionsgefährdeten Brutvögeln § 45b und Anlage 1 zu § 45b BNatSchG sinngemäß anzuwenden ist.

Aus vorgenannten Gründen ist auch hier die Klarstellung wichtig, dass § 45b und Anlage 1 zu § 45b BNatSchG nicht für die Prüfung des Tötungs- und Verletzungsverbots sondern für die Prüfung der Erforderlichkeit und ggf. der Festlegung von Minderungsmaßnahmen sinngemäß anzuwenden sind.

Gemäß dem Leitfaden gelten die Regelvermutungen des § 45b Absatz 2 bis 5 BNatSchG. Liegt die WEA im Nahbereich oder im zentralen Prüfbereich liegt eine signifikante Risikoerhöhung vor. Die Aussage in Bezug auf den zentralen Prüfbereich vermittelt den Eindruck einer – im Vergleich zum BNatSchG – modifizierten Regelvermutung für den zentralen Prüfbereich. Denn im zentralen Prüfbereich liegen nach § 45b Absatz 3 BNatSchG nur (widerlegbare) Anhaltspunkte für eine Risikoerhöhung vor. Allerdings wird im Leitfaden unter Punkt 3.2.2.2 für den zentralen Prüfbereich festgehalten, dass Minderungsmaßnahmen eine Risikoerhöhung doch mindern können. Die scheinbar modifizierte Regelvermutung im zentralen Prüfbereich kann so also nicht stehen bleiben. Zudem ist nicht ersichtlich, warum eine Widerlegung der Risikoerhöhung im zentralen Prüfbereich nicht auch durch eine vorliegende bzw. freiwillig vorgelegte HPA oder RNA widerlegt werden kann. Im Punkt 3.2.2.2 sollte also auch diese Möglichkeit vorgesehen werden.[11] Im Nahbereich geht auch § 45b BNatSchG von einer Risikoerhöhung aus. Der BWE regt also an, nur die tatsächliche Modifikation der Regelvermutung im Vergleich zum BNatSchG herauszustellen. Dies trifft nur auf den erweiterten Prüfbereich zu. Der Leitfaden hält fest, dass im erweiterten Prüfbereich oder außerhalb des erweiterten Prüfbereichs keine signifikante Risikoerhöhung vorliegt. In diesem Fall sind daher keine Minderungsmaßnahmen anzuordnen. Für den zentralen Prüfbereich sollte unverändert die Vorgabe aus § 46b BNatSchG gelten. Die Passage im Leitfaden zum Nahbereich und zum zentralen Prüfbereich kann also gestrichen werden.

Überdies regen wir auch hier die Aufnahme der Klarstellung in Bezug auf die Definition von Brutplätzen und anderen Fortpflanzungsstätten an, vgl. oben Punkt 2.2.1.

Der BWE schlägt die dem Normzweck entsprechende Klarstellung auch für die Passage zur Prüfung des Störungs- und Beschädigungsverbots durch betriebs- oder anlagebedingte Wirkungen sowie möglicher Verstöße in der Errichtungsphase vor. Ferner ist herauszustellen, dass auch für diese vorrangig § 44 BNatSchG anzuwenden ist und nur ergänzend auf die bestehenden Länderleitfäden zurückgegriffen werden kann.

Der BWE merkt an dieser Stelle an, dass mit dem Verweis auf Länderleitfäden jedem Land ermöglicht wird, nach wie vor Projekte zu verhindern. Dies widerspricht eklatant der Intension des Gesetzgebers. Dies birgt insbesondere das Risiko für strenge und unklare Haselmaus-Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen, die aktuell häufig Gegenstand gerichtlicher Verhandlungen sind. Zudem führen die Haselmaus-Maßnahmen verstärkt zu intensiven Diskussionen mit Behörden, was zu erheblichen Verzögerungen führt.

2.2.2.2               Zu 3.2.2.2: Geeignete und verfügbare Minderungsmaßnahmen

Der BWE begrüßt die Ausführungen zu geeigneten und verfügbaren Minderungsmaßnahmen grundsätzlich.

Zur Vermeidung der Tötung oder Verletzung von kollisionsgefährdeten Brutvögeln sind insbesondere die Schutzmaßnahmen nach Anlage 1 Abschnitt 2 BNatSchG fachlich anerkannte Minderungsmaßnahmen im Sinne des § 6 Absatz 1 Satz 3 WindBG. Hierbei genügt für eine bzw. mehrere Arten die Anordnung von jeweils einer der in Anlage 1 Abschnitt 2 aufgeführten Schutzmaßnahmen. Dies sollte ergänzt werden.

Bei der Aussage, dass die Schutzmaßnahmen nach Anlage 1 Abschnitt 2 BNatSchG jedoch nicht im Nahbereich wirksam sind, also immer eine Zahlung in nationale Artenhilfsprogramme anzuordnen ist, stellt sich die Frage, ob neben der erforderlichen Zahlung im Nahbereich dann generell auch gar keine Minderungsmaßnahmen angeordnet werden können, die ein Kollisionsrisiko zumindest minimieren. Dies geht aus dem Vollzugsleitfaden bisher nicht hervor. Auch eine Abschaltung im Nahbereich kann das Tötungsrisiko zumindest senken. In diesem Fall wäre Vogelschutz und eine geringere Zahlung in Artenhilfsprogramme auch möglich. Dies ist klarzustellen.

Liegt die WEA im zentralen Prüfbereich, führt der Leitfaden aus, dass u.a. auch Antikollisionssysteme genutzt werden können, um die Risikoerhöhung hinreichend zu mindern. Antikollisionssysteme lehnt der BWE jedoch entschieden ab. Sie sind nur sehr schwer umsetzbar, führen zu nicht prognostizierbaren Abschaltungen (keine Wirtschaftlichkeitsberechnungen für Windparks möglich!), funktionieren im hügeligen Gelände nicht zuverlässig (also in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen) und führen zu absolutem Individuenschutz auf Kosten der Windenergie.

Ergänzt werden sollte eine Wahlmöglichkeit der Vorhabenträgerin im Falle, dass mehrere Maßnahmen geeignet sind, die Risikoerhöhung ausreichend zu mindern.

Laut dem Leitfaden ist bei den Maßnahmen zur Vermeidung und Minderung von Störungen bzw. dem Verlust von Fortpflanzungs- und Ruhestätten auf die jeweils fachwissenschaftlich etablierten Maßnahmen zurückzugreifen. Welches die fachwissenschaftlichen Maßnahmen sind, sollte möglichst konkretisiert werden. Diese lose Formulierung führt zu Interpretationen in den Behörden (oder ggfs. nicht abgestimmte Festsetzungen in Länderleitfäden), welche zu Verzögerungen führen wird.