Seit gut über einem Jahr ist § 2 EEG in Kraft und trägt – wie erhofft – in vielen Bereichen positiv zum Abbau von Genehmigungshemmnissen bei und dadurch mittelbar zur Beschleunigung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien. Deutlich wird dies am aktuellen Urteil des OVG Münster.[1] Das Gericht lehnte wegen § 2 EEG alle Einwände gegen die Errichtung einer Windenergieanlage im Außenbereich bei der Prüfung des § 35 Abs. 1 BauGB regelrecht mantramäßig ab. Doch so gut wie § 2 EEG als Allzweckwaffe für die Erneuerbaren ist – sie hat auch ihre Grenzen: Denn für luftverkehrsrechtliche Belange mit militärischen Berührungspunkten greift die Regelung gerade nicht.

 

Luftverkehrsrechtliche Genehmigungshindernisse: Hubschraubertiefflugstrecken und Radarführungsmindesthöhen

Das Luftverkehrsrecht ist als öffentlicher Belang in jedem Genehmigungsverfahren von Windenergieanlagen zu berücksichtigen (§ 35 Abs. 3 Nr. 8 BauGB). In zwei Fällen ist hierbei auch die Zustimmung der Bundeswehr erforderlich (§ 14 LuftVG), die Projektierer*innen vielfach einen Strich durch die Rechnung macht:

  1. Entweder liegt die Anlage im Sicherheitskorridor einer militärischen Hubschraubertiefflugstrecke der Bundeswehr.
  2. Oder die Anlage überschreitet die Bauhöhenbeschränkung aufgrund der Radarführungsmindesthöhe (kurz M(R)VA für Minimum (Radar) Vectoring Altitude).

Auch im letzten Jahr verhinderten Belange des militärischen Luftverkehrs vor dem VGH Mannheim[2] die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen. Das betroffene Windenergie-Projekt lag durch die Flugplatznähe und der damit einhergehenden Kursführungsmindesthöhe in einem Gebiet mit Bauhöhenbeschränkungen, die die modernen Windenergieanlagen überschritten. Nach Ansicht der Deutschen Flugsicherung (DFS) und insbesondere der Bundeswehr behindern Windenergieanlagen die MVA, da die Hindernisfreiheit dann nicht mehr gewährleistet werden könne. In der Folge kam es zur Verweigerung der Zustimmung nach § 14 LuftVG und die immissionsschutzrechtliche Genehmigung wurde nicht erteilt.

Das OVG Mannheim hatte in diesem Fall dann darüber zu entscheiden, ob ein Anspruch auf Anhebung der MVA und damit der Bauhöhenbeschränkung besteht und ob die Bundeswehr die Anhebung zurecht verweigern durfte.

 

Anspruch auf Prüfung der Möglichkeit auf Anpassung der MVA

Ein kleiner Fortschritt für die Erneuerbaren im Urteil des VGH Mannheim ist der Anspruch auf Prüfung der Möglichkeit auf Anpassung der MVA. Da ansonsten keine Möglichkeit bestünde, dem öffentlichen Interesse am Ausbau der Windenergie aus § 2 EEG Geltung zu verschaffen, bejahte das OVG Mannheim den Anspruch des Projektierers auf Überprüfung, ob die Möglichkeit einer Anpassung der MVA besteht. Allein die Priorität der festgelegten MVA oder der Verteidigungsauftrag würden es nicht rechtfertigen die an Grundrechte und rechtsstaatliche Grundsätze gebundene Bundeswehr von der Überprüfungspflicht auszunehmen.

 

Der weitreichende verteidigungspolitische Beurteilungsspielraum der Bundeswehr

Die Äußerungen des VGH Mannheim zum verteidigungspolitischen Beurteilungsspielraum der Bundeswehr ergingen dagegen zu Lasten der Erneuerbaren. Der Bundeswehr obliegt es, das Gefährdungspotential für einen Militärflugplatz zu beurteilen. Bei der Beurteilung der Gefährdung des militärischen Flugbetriebs wird der Bundeswehr – sowohl für die MVA wie auch bei den Hubschraubertiefflugstrecken – ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer verteidigungspolitischer Beurteilungsspielraum zugebilligt. Dieser Spielraum wird nur dann überschritten, wenn die Prognose in sich widersprüchlich ist, auf willkürlichen Annahmen beruht oder aus sonstigen Gründen nicht nachvollziehbar ist. § 2 EEG ändert daran nichts. Dies hat zur Folge, dass eine Anpassung der MVA in der Praxis, wenn diese nicht nur wenige Meter betrifft, ein Ding der Unmöglichkeit bleibt.

 

Ausblick – Es bleibt kompliziert

Die Entscheidung des VGH Mannheim ist bedauerlicherweise nicht als Einzelfallentscheidung zu werten, sondern bestätigt vielmehr unsere Erfahrungen aus der anwaltlichen Praxis. Dass die Bundeswehr der Verlegung einer Hubschraubertiefflugstrecke zustimmt – so wie es im vergangenen Jahr vor dem OVG Münster[3] bei einem Vergleich der Fall war – sorgte in der Branche teils für Zuversicht und Hoffnung auf Veränderung. Doch diese für den Einzelfall sehr erfreuliche Lösung wird in Zukunft wohl eine Seltenheit bleiben. Denn das OVG Münster[4] stellte im Nachhinein nochmal klar, dass dieser Vergleich und die dortigen Ausführungen des Gerichts nicht pauschal als Argument für § 2 EEG genommen werden dürfen und auch die Bundeswehr zeigte seitdem keine Veränderung ihres Standpunkts.

Einen Hoffnungsschimmer in den komplizierten Verfahren mit Zustimmungserfordernis der Bundeswehr stellt die Beteiligung der Standortgemeinde dar. Denn würde eine Hubschraubertiefflugstrecke oder eine MVA jegliche Planung der Gemeinde verhindern, wäre dies ein starker Eingriff in ihre kommunale Planungshoheit nach Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz, die unter Berücksichtigung des 2 %-Flächenziels und des GEG (Stichwort: kommunale Wärmeplanung) stark an Argumentationsgewicht gewinnt.

 

[1] OVG Münster, Urteil v. 10.11.2023 – Az. 7 A 1553/22.

[2] VGH Mannheim, Urteil v. 24.5.2023 – Az. 14 S 1705/22.

[3] Pressemitteilung des OVG Münster v. 13.05.2023 – Az. 22 D 70/22.AK.

[4] OVG Münster, Beschluss v. 14.12.2023 – Az. 22 A 902/23.

 

Über den Autor

Prof. Dr. Martin Maslaton ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht sowie geschäftsführender Gesellschafter der MASLATON Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, die sich schwerpunktmäßig mit sämtlichen Fragen des Rechts der Erneuerbaren Energien befasst. Die anwaltliche Tätigkeit ist in allen Feldern des öffentlichen Rechts angesiedelt.

 

Dieser Beitrag erschien im BWE BetreiberBrief 1-2024.

 


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