Am 05.04.2022 haben das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima-schutz (BMWK) gemeinsam mit dem Ministerium für Digitales und Ver-kehr (BMDV) ein Eckpunktepapier veröffentlicht. Insbesondere altbekann-te Hemmnisse im Bereich des Luftverkehrs – Flugsicherungseinrichtungen wie Drehfunkfeuer – werden künftig wohl entscheidend an Bedeutung verlieren, wenn es um die Gründe für die Genehmigungsversagung von Windenergieanlagen (WEA) geht. Hürden bleiben dennoch wie ein Blick auf Wetterradaranlagen und die militärische Luftraumnutzung zeigen.

Maßnahmenpapier unterstützt positive Tendenz bei „Flugsicherungseinrichtungen“

Wesentliches Hemmnis waren bislang v. a. Flugsicherungseinrichtungen und der von WEA zu ihnen gemäß § 18a LuftVG einzuhaltende Mindest-abstand (sog. Anlagenschutzbereich) von 10–15 km. Allerdings zeichnete sich hier bereits in der Vergangenheit eine deutliche Besserung ab: 2021 wurden „nur“ noch 2,2 GW Leistung aufgrund des Anlagenschutzberei-ches blockiert, während dies 2019 noch 4,8 GW waren.1 Diese positive Tendenz dürfte sich weiter verstärken, angesichts der im Maßnahmen-papier angedachten Anpassungen. Die drei wichtigsten:

  • Verkleinerung der Anlagenschutzbereiche um Doppler-UKW-Drehfunk-feuer (sog. DVOR) von 15 km-Radius auf 6 bis 7 km ab Mitte 2022.
  • Außerbetriebnahme der fünf Drehfunkfeuer Luburg, Cola, Gedern, Fürstenwalde und Roding bis spätestens 2025. Zwischen 2025 und 2030 folgt die Stilllegung neun weiterer Anlagen. 
  • Umrüstung von acht störanfälligeren konventionellen Drehfunkfeuer (CVOR) durch DVOR bis 2025. 

Auch wenn der Umrüstungsvorgang insgesamt zu langsam voranschrei-tet, wird insbesondere die Verkleinerung der Anlagenschutzbereiche um DVOR auf 6 bis 7 km die Genehmigungsverfahren erheblich vereinfachen.

Das Sorgenkind ‚militärische Luftraumnutzung‘

Im Maßnahmenpapier gar nicht erwähnt wird dagegen das Hemmnis der Hubschraubertiefflugstrecken der Bundeswehr und der sonstigen militäri-schen Luftraumnutzung, obwohl dieses Problem zu Beginn der Legislatur von der Ampel-Koalition noch ausdrücklich adressiert wurde.

Ganz im Gegenteil droht hier sogar nicht bloß Stagnation, sondern Rück-schritt. Während das Konfliktfeld Windenergie und militärische Luftraum-nutzung in den letzten Jahren stetig gewachsen ist – die Blockade von 4,8 GW potenzieller Windenergieleistung spricht eine klare Sprache – sieht der Entwurf eines 17. Gesetzes zur Änderung des Luftverkehrsgeset-zes nun neue Hemmnisse vor:

Erweiterung des Anwendungsbereichs des materiellen Bauverbots von § 18a LuftVG auf den Schutz stationärer militärischer Einrichtun-gen zur Kontrolle des Flugbetriebs.
Weiträumige Prüfbereiche von 50 km um die 18 stationären Radarstandorte des Einsatzführungsdienstes der Bundeswehr

Dass dies nicht im Sinne der Energiewende im Allgemeinen und der Realisierung von WEA im Konkreten ist, muss nicht großartig ausgeführt werden. Dennoch eine besorgniserregende Zahl: Allein aufgrund der weiträumigen Prüfbereiche von 50 km um die stationären Radarstand-orte drohen 40 % der gesamtdeutschen Landesfläche für den Ausbau von Windenergie wegzubrechen4 oder zumindest mit einem weiteren poten-ziellen Genehmigungshemmnis belegt zu werden. Sollte es tatsächliche so kommen, wäre dies ein fatales Zeichen.

Das Hemmnis der Wetterradare

Einen vermeintlich großen Schritt macht das Maßnahmenpapier in Bezug auf die immer wieder als Hemmnis entgegengebrachten Wetterradare. In Deutschland werden 17 Wetterradare durch den Deutschen Wetterdienst (DWD) operationell betrieben, um meteorologische und klimatologische Dienstleistungen zu erbringen. Immer wieder kommt es zu Genehmi-gungsversagungen für WEA, weil die Messwerte durch Abschattungen und Reflexionen der WEA beeinflusst werden sollen, wenn die WEA aufgrund ihrer Höhe in die von den Wetterradarsystemen beobachtete Atmosphäre hineinreichen. In der Praxis wurde daher bislang ein Anla-genschutzbereich im Sinne eines Prüfbereichs von 15 km um die Wetter-radarstandorte angewendet – ein 5 km-Radius sollte nach Ansicht des DWD sogar vollständig von WEA freigehalten werden – obwohl es dem DWD noch nie gelang, eine relevante Störung nachzuweisen. 

Was ändert sich?

Auf den ersten Blick sieht das Maßnahmenpapier diesbezüglich positive Änderungen vor:

  • Reduzierung des Abstandes von 15 auf 5 km
  • Innerhalb des 5 km-Radius erfolgt eine Einzelfallprüfung durch den DWD
  • Ab 2024 sollen WEA im 5 bis 15 km-Radius in Betrieb genommen werden können, wenn damit keine erhebliche Beeinträchtigung der Aufgabenerfüllung des DWD verbunden ist, der DWD in Realzeit die technischen Betriebszeiten und meteorologischen Messdaten der WEA-Anlagen von den jeweiligen Betreiber:innen erhält und der DWD das Verfahren Konrad 3D technisch und fachlich operationell eingeführt hat.

Paradox, aber wahr: Reduzierung von 15 auf 5 km stellt Rückschritt dar

Insbesondere die Reduzierung des Anlagenschutzbereiches von 15 auf 5 km erscheint in diesem Kontext zunächst wie ein gewaltiger Fortschritt. Allerdings steckt hier der Teufel im Detail. Denn:

  • Es fehlt die wissenschaftlich fundierte Begründung, weshalb überhaupt ein Anlagenschutzbereich erforderlich sein soll. Bislang wurde ein solcher Bereich überhaupt nicht vorgesehen. Er wird durch das Eckpunktepapier erst eingeführt.
  • Dem DWD wird innerhalb des 5 km-Radius eine Einzelfallprüfungskompetenz zugesprochen. Damit wird offensichtlich der Maßstab des BVerwG konterkariert, nachdem eine Genehmigungsversagung einer WEA den Nachweis einer Störung der Aufgabenerfüllung des DWD bedarf 5.
  • Die Realisierung von WEA im 5 bis 15 km-Radius dürfte aufgrund der gestellten Bedingungen (u. a. Einführung des Verfahrens Konrad 3D) in naher Zukunft erst einmal gebremst werden, obwohl sich hier eine funktionierende Genehmigungspraxis entwickelt hatte. Die vermeint-lich positiven Maßnahmen entpuppen sich somit nicht als die Wind-energie fördernd, sondern dürften vielmehr einen Rückschritt hinter die momentane Praxis in Genehmigungsverfahren darstellen.

Keine Störung (wissenschaftlich) nachgewiesen

Dies ist umso ärgerlicher, wenn der Maßstab betrachtet wird, an dem die Zulässigkeit von WEA in Bezug auf Wetterradaranlagen zu bewerten ist. Maßgeblich ist, ob der DWD durch die Errichtung von WEA an seiner Aufgabenerfüllung gehindert wird. Nicht jede Beeinflussung der erhobenen Basisdaten führt dabei zu einer Störung. Vielmehr tritt eine Störung laut Rechtsprechung des BVerwG erst dann ein, wenn die Beeinflussung eine bestimmte Schwelle überschreitet und dadurch die Funktion der Anlage beeinträchtigt.6
Dass die Bundesregierung nun einen Anlagenschutzbereich von 5 km vor-sieht, lässt befürchten, dass sie fälschlicherweise denkt, innerhalb eines solchen 5 km-Radius sei eine Störung grundsätzlich anzunehmen.

Nur: Auf wissenschaftliche Erkenntnisse lässt sich diese Vermutung nicht stützen. Einzig das vielfach kritisierte und vom DWD in Auftrag ge-gebene „Behördengutachten Windkraftanlagen im Einwirkbereich des Wetterradars Boostedt“7 kommt zu einem solchen Ergebnis, ohne je-doch andere Fachgutachten zu berücksichtigen.8 Allerdings ist nach wie vor kein Fall bekannt, in dem eine Störung im o. g. Ausmaß tatsächlich nachgewiesen wurde. Der DWD war in jedem gerichtlichen Verfahren zu diesem Thema erfolglos.

Konsequent und wünschenswert wäre daher eine vollständige Aufgabe jeglicher Schutzbereiche um Wetterradaranlagen gewesen.

Ausblick: Aufbruchstimmung erhält Dämpfer

Alles in allem lässt sich festhalten, dass der Abbau von Hemmnissen im Bereich des Luftverkehrs voranschreitet. Nicht zuletzt der Abbau und die Modernisierung von Drehfunkfeuern ist ein wichtiger Schritt. Jedoch droht im Bereich der militärischen Luftraumnutzung neues Ungemach, dem entschieden entgegengetreten werden muss. Und zwar bereits jetzt, wo eine Einflussnahme auf die Gesetzgebungsverfahren noch möglich ist. Im Vergleich zur Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 18a LuftVG erscheinen auch die mit der Reduzierung des Abstandes von WEA zu Wetterradaren von 15 auf 5 km verbundenen Nachteile fast schon nachrangig.

Dieser Beitrag wurde erstmals im BWE BetreiberBrief 2/2022 veröffentlicht. Hier kostenfrei anmelden.


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