Positive Wirkungen hat dies auch für den Anlagenbau in Deutschland, da hier an zahlreichen PtX-Verfahren gearbeitet wird. Wie insgesamt der Markthochlauf von strombasierten Kraftstoffen für den Luft- und Seeverkehr erfolgreich gestaltet werden kann, diskutieren Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft bei der vom BMU ausgerichteten Fachkonferenz.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze: "PtX-Technologien sind der Schlüssel für einen klimafreundlichen See- und Luftverkehr. Denn nur bei sehr wenigen Schiffen und Flugzeugen ist der Umstieg auf direkte Stromnutzung überhaupt möglich. Deshalb sind PtX-Produkte das Mittel der Wahl, sofern sie mit grünem Wasserstoff hergestellt werden. Mit dem Markthochlauf von PtX-Technologien entstehen viele neue Arbeitsplätze. Denn für die Entwicklung und Produktion von PtX-Technologien wird das gebündelte Knowhow von Forschern, Ingenieuren und technischen Fachkräften aus Deutschland gebraucht. Gleichzeitig treiben PtX-Technologien die nachhaltige Entwicklung bei unseren Partnern weltweit voran. Denn die Nachfrage nach grünem Wasserstoff zieht den massiven Ausbau erneuerbarer Energien nach sich. Daher will die Bundesregierung mit der deutschen Wirtschaft die Kooperation mit Hochpotenzial-Ländern stärken, dort die nötigen Kompetenzen aufbauen und Lieferketten partnerschaftlich etablieren."
Kurt Rohrig, Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik: "Für den PtX-Atlas haben wir alle weltweiten Potenziale außerhalb Europas ermittelt und dabei starke Nachhaltigkeitskriterien sowie sozioökonomische Kriterien für Gesellschaft, Politik und Ökonomie zu Grunde gelegt. Im Ergebnis zeigt sich ein langfristig realistisch zu erschließendes Erzeugungspotenzial von insgesamt etwa 69.100 Terawattstunden jährlich (TWh p.a.) für grünen Wasserstoff oder 57.000 TWh p.a. für synthetische Kraft- und Brennstoffe (PtL). Für die Umsetzung ist nicht die Flächenverfügbarkeit der limitierende Faktor, sondern vielmehr die maximal mögliche Ausbaudynamik bei den erneuerbaren Energien, die für die Erzeugungsanlagen von Wasserstoff und PtL zusätzlich zu errichten sind."
Uwe Lauber, Vorstandsvorsitzender von MAN Energy Solutions und Vorsitzender der VDMA Arbeitsgemeinschaft Power-to-X for Applications: "Der deutsche Maschinen- und Anlagenbau ist international führend bei der Entwicklung von PtX-Verfahren. Es sind Zukunftstechnologien, die in dieser Dekade bereit sind für die industrielle Skalierung. Gerade die Luft- und Seefahrt ist geprägt von langfristigen Investitionszyklen. Deswegen benötigt die Industrie vor allem Planungssicherheit. Dazu gehören auch robuste Verfahren, die die Klimaneutralität im gesamten Antriebskonzept bewerten. Hierfür sollte sich die Bundesregierung in Brüssel einsetzen, damit die Finanzmarkt-Taxonomie auch PtX-Kraftstoffe anerkennt. Eine Betrachtung, die nur auf die direkten CO2-Emissionen am Tailpipe fokussiert, führt zu Fehleinschätzungen bei den Gesamtemissionen."
Grüner Wasserstoff und strombasierte Brenn-, Kraft- und Grundstoffe, auch bezeichnet als PtX-Produkte, werden in Zukunft national wie international einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und zur Dekarbonisierung der Wirtschaft leisten. Neben der direkten Nutzung von Wasserstoff in energieintensiven Industrien mit prozessbedingten Emissionen wie etwa der Stahlindustrie können PtX-Produkte in der Chemieindustrie als Alternative zur Nutzung fossiler Rohstoffe zum Einsatz kommen. Dies gilt auch für Verkehrsbereiche, in denen eine direkte Nutzung von Strom technisch voraussichtlich auch zukünftig nicht möglich ist (zum Beispiel Luft- und Langstreckenseeverkehr).
Viele Regionen der Welt bieten gute Bedingungen für die Produktion von grünem Wasserstoff und PtX-Produkten. Das geht aus dem weltweit ersten PtX-Atlas des Fraunhofer IEE hervor. Die Forscher kommen in ihrer Untersuchung zu dem Ergebnis, dass sich außerhalb Europas langfristig 69.100 Terawattstunden Wasserstoff bzw. 57.000 Terawattstunden strombasierte flüssige Kraftstoffe herstellen ließen. Zum Vergleich: Für die globale Luftfahrt werden 2050 insgesamt mindestens 6.700 Terawattstunden, für den weltweiten Schiffsverkehr 4.500 Terawattstunden strombasierte Kraftstoffe benötigt. In welchen Regionen und Ländern die klimafreundlichen Brenn- und Kraftstoffe zu welchen Kosten und in welcher Menge produziert werden können geht im Detail aus dem PtX-Atlas hervor. Beispielsweise zeigen sich die größten Flächenpotenziale in den USA und Australien, die Kostenuntergrenze der PtX-Erzeugung in Chile und Argentinien. Die Bewertung der technischen und ökonomischen Potenziale basiert auf umfangreichen Analysen beispielsweise der Flächenverfügbarkeit und den Wetterbedingungen. Auch Faktoren wie die lokale Wasserverfügbarkeit, den Naturschutz, die Investitionssicherheit oder die Transportkosten haben die Forscher berücksichtigt. Der PtX-Atlas ist im Rahmen des vom Bundesumweltministerium geförderten Projekts DeVKopSys entstanden.
Das Bundesumweltministerium unterstützt die Weiterentwicklung und den Markthochlauf von PtX-Technologien in verschiedener Weise. Im PtX-Lab Lausitz werden die fachlichen Grundlagen für eine umweltfreundliche Erzeugung und Nutzung von PtX-Technologien geschaffen und Kooperationen von Forschung und Wirtschaft angestoßen. Um PtX-Technologien greifbar zu machen, entsteht überdies eine Demonstrationsanlage in der Lausitz. Die Nationale Wasserstoffstrategie enthält 600 Millionen Euro, die das BMU zur Förderung der Herstellung von strombasierten Kraftstoffen für den Luft- und Seeverkehr nutzen wird. Der International PtX-Hub Berlin soll vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern die nachhaltige Produktion und den Einsatz von klimaneutralen Grund- und Kraftstoffen auf Basis von grünem Wasserstoff vorantreiben. Der Aufbau von internationalen Netzwerken und der interdisziplinäre Wissenstransfer über den PtX-Hub soll einer nachhaltigen Wasserstoff- und PtX-Wirtschaft global zum Durchbruch verhelfen. Der Hub wurde vom Bundesumweltministerium (BMU) gegründet. Des Weiteren begleiten die Fachleute des Kompetenzzentrums für Klimaschutz in energieintensiven Industrien (KEI) den Umstieg der Industrie auf grünen Wasserstoff. Seit Anfang 2021 stehen auch die Mittel aus dem Förderprogramm "Dekarbonisierung in der Industrie" all jenen Unternehmen zur Verfügung, die in diesem Feld vorangehen wollen.
Der VDMA vertritt rund 3.300 deutsche und europäische Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus. Die Industrie steht für Innovation, Exportorientierung, Mittelstand und beschäftigt rund vier Millionen Menschen in Europa, davon mehr als eine Million allein in Deutschland. In der VDMA Plattform Power-to-X for Applications sind die wesentlichen Player einer PtX-Wertschöpfungskette organisiert: von der Erzeugung erneuerbarer Energie über die Anlagenbauer bis hin zu den Abnehmern künstlicher Kraftstoffe.