Nutzungsverträge für Vorhaben der Erneuerbaren Energien müssen die Grundstücksnutzung über einen sehr langen Zeitraum so sichern, dass mindestens innerhalb der Förderdauer des EEG kein Rückbau der Vorhaben droht. Seit vielen Jahren verwenden branchenübliche Nutzungsverträge daher eine Vertragsklausel, nach der die befristete Laufzeit des Nutzungsvertrages mit Inbetriebnahme der Windenergieanlage beginnt und nach Ablauf von 25 Jahren endet. Die ordentliche Kündigung wird vertraglich innerhalb dieses Zeitraums ausgeschlossen.
Juristische Bedenken
Diese Gestaltungspraxis ist seit Jahren umstritten. Das OLG Hamm hat nunmehr juristische Bedenken an dieser Gestaltungspraxis bestätigt (mit Urteil vom 02.07.2020 – 5 U 81/19) und der Kündigungsklage eines Grundstückseigentümers stattgegeben. Warum?
- Das OLG Hamm ordnete den dem Rechtstreit zugrundeliegenden Nutzungsvertrag als Gewerbemietvertrag über ein Grundstück ein. Diese Einordnung ist wichtig, um den Prüfungsrahmen zu bestimmen, d. h. diejenigen Paragrafen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), an die der Nutzungsvertrag gemessen wird. Hätten die Vertragsparteien hier z. B. statt eines Mietvertrages einen Vertrag über die Bestellung einer Dienstbarkeit vereinbart, hätte sich das OLG gar nicht mit der Frage der Kündbarkeit befassen müssen, da solche Verträge als Rechtekaufverträge nicht kündbar sind.
- Anders Gewerbemietverträge: Sie sind jederzeit ohne Grund, also ordentlich, kündbar. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn die Vertragslaufzeit befristet wurde (§ 542 BGB). Hierfür müssen die Parteien Vertragsanfang und ende festlegen. Dies kann durch ein Datum oder die Bezugnahme auf eindeutige Ereignisse, z. B. die Inbetriebnahme der Windenergieanlage, erfolgen. Ab diesem Moment soll dann eine Vertragslaufzeit von 25 Jahren gelten. Auf einem Zeitstrahl stellt sich dies wie folgt dar:
Genau diese Formulierung ist für viele branchenübliche Nutzungsverträge mindestens dann problematisch, wenn der Eigentümer den Vertrag – wie in dem zu entscheidenden Fall – in der Projektierungsphase, also vor Inbetriebnahme der Windenergieanlage, kündigt. Denn nach den vertraglichen Vereinbarungen hat die die ordentliche Kündigung sperrende befristete Vertragslaufzeit in diesem Zeitfenster noch gar nicht begonnen. Der Nutzungsvertrag ist bis zur Inbetriebnahme der Windenergieanlage unbefristet, da unklar ist, wann die Windenergieanlage in Betrieb genommen wird. Innerhalb dieser unbefristeten Zeitspanne kann der Nutzungsvertrag jederzeit ohne Grund gekündigt werden.
- In dem Nutzungsvertrag vereinbarten die Parteien ein Sonderkündigungsrecht für den Fall, dass innerhalb von fünf Jahren nach Vertragsschluss nicht mit dem Bau des Windparks begonnen wurde. Dieses Sonderkündigungsrecht konnte der Betreiber jedoch mehrfach gegen Zahlung eines Abwendungsentgelts, das mit dem Nutzungsentgelt verrechnet werden sollte, abwenden. Das OLG Hamm stellte sich daher die Frage, ob die Parteien mit dem vereinbarten Sonderkündigungsrecht Kündigungen aus anderen
Gründen oder ohne Grund innerhalb von fünf Jahren wirksam ausgeschlossen haben. Dies verneinte das OLG jedoch bereits aufgrund des Wortlauts der Vereinbarung. Es wies zudem darauf hin, dass ein solcher Kündigungsausschluss den Grundstückseigentümer unangemessen benachteiligt hätte3. Denn dieser hätte in dem konkreten Fall über einen nicht absehbaren Zeitraum dem Betreiber sein Grundstück ohne Gegenleistung reserviert und in diesem Zeitraum bereits erhebliche Pflichten übernommen, z. B. diejenige, keine Nutzungsverträge mit Mitbewerbern zu schließen, Grundbuchrechte zu bewilligen, Baulastzustimmungen zu erteilen u. ä. Dem steht das Interesse des Betreibers gegenüber, erst dann Nutzungsentgelt zu zahlen, wenn die Windenergieanlage in Betrieb ist. Zwischen beiden Interessen sah das OLG Hamm ein Spannungsverhältnis, das der Betreiber als derjenige, der den Nutzungsvertrag vorformuliert hat, einseitig zu seinen Gunsten gelöst hat. Daher war die von ihm vorformulierte Vertragsklausel unwirksam.
Schutz auch in Projektierungsphase
Der vom OLG Hamm vertretenen Rechtsauffassung ist zuzustimmen. Sie wird von uns seit fast 15 Jahren in den Seminaren zur Grundstückssicherung vertreten und löst immer wieder massive Diskussionen und auch Kritik aus, weil sie vermeintlich nicht den Anforderungen der Branche entspreche. Aber ist das wirklich so?
Eine wirksame Laufzeitklausel muss unseres Erachtens nicht nur während der Betriebszeit der Windenergieanlage einen wirksamen Schutz vor Angriffen des Nutzungsvertrages u. a. durch Mitbewerber bieten, sondern auch und gerade während der Projektierungsphase. Aus diesem Grund empfehlen wir, die befristete Vertragslaufzeit mit der Unterzeichnung des Nutzungsvertrages zu beginnen und ab diesem Zeitpunkt für die Dauer der Projektierungszeit (z. B. 7 Jahre) und der Betriebszeit (z. B. 25 Jahre), insgesamt also 32 Jahre zu vereinbaren. Entgegen vieler Branchengerüchte sind Nutzungsverträge mit einer Laufzeit von mehr als 30 Jahren weder unwirksam noch kündbar. Dies ergibt sich aus § 544 BGB, der bereits nach seinem Wortlaut von einer Laufzeit von „mehr als 30 Jahren“ ausgeht. Richtig ist jedoch, dass der Nutzungsvertrag nach Ablauf von 30 Jahren nach Überlassung der Mietsache von beiden Parteien gekündigt werden kann. Dies kann rechtzeitig mit einem formgerechten Nachtrag verhindert werden. Spätestens seitdem der BGH4 die Scheinbestandteilseigenschaft von Windenergieanlagen gem. § 95 Abs. (1) Satz 1 BGB unabhängig von ihrer Lebensdauer allein deswegen bejahte, weil sich der Betreiber in dem Nutzungsvertrag zum Rückbau verpflichtete, dürfte auch das Argument, eine die Lebensdauer der Windenergieanlage ggf. überschreitende 30jährige Laufzeit gefährde die Scheinbestandteilseigenschaft endgültig ausgeräumt sein.
Laufzeitklauseln mit klarem Beginn und Ende
Die von uns vorgeschlagene Laufzeitklausel verhindert zudem weitere Unklarheiten bzgl. Laufzeitbeginn und ende, die z. B. entstehen können, wenn auf dem Grundbesitz mehrere Windenergieanlagen in Betrieb gehen (mit welcher Inbetriebnahme beginnt dann die Vertragslaufzeit und endet sie?) oder gar keine, weil auf dem Grundbesitz z. B. nur Leitungen verlegt werden. Da derartige Unklarheiten zulasten des Verwenders der Vertragsklausel gehen, also regelmäßig dem Betreiber, vermeidet sie unangenehme Überraschungen.
Von der Frage der Laufzeit zu trennen ist aus unserer Sicht die weitere Frage, ob es angemessen ist, dem Grundstückseigentümer erst mit der Inbetriebnahme ein Nutzungsentgelt zu zahlen. Den vom OLG Hamm unseres Erachtens zutreffend erkannten widerstreitenden Interessen von Grundstückseigentümer und Betreiber kann ein fairer Nutzungsvertrag auf vielfältige Weise Rechnung tragen. Neben dem bereits erwähnten Sonderkündigungsrecht nach bestimmten Zeitabläufen nach Vertragsschluss und der Zahlung von nicht auf das Nutzungsentgelt anrechenbaren Abwendungs und/oder Reservierungsentgelten gibt es hier viele Gestaltungsmöglichkeiten, um sich auch im Wettbewerb abzusetzen. Wichtig sind – wie die Entscheidung des OLG Hamm ein weiteres Mal zeigt – saubere, widerspruchsfreie Formulierungen. Wie immer empfiehlt sich daher eine gute rechtliche Beratung und Begleitung.