Ohne § 2 EEG 2023 – fliegerisch-juristische Expertise ausschlaggebend
Das OVG Lüneburg hat mit Urteil vom 14.02.2023 (wir berichteten) Segelflugmärchen ein Ende gesetzt und der Windenergie zur Durchsetzung verholfen. Der die immissionsschutzrechtliche Genehmigung versagende Bescheid wurde unter der Verpflichtung zur Neubescheidung aufgehoben.
Die jetzt der MASLATON Rechtsanwaltsgesellschaft vorliegende Urteilsbegründung betont vor allem eines: Berechtigte Interessen zwischen verschiedenen Belangen gehören sachgerecht ausgeglichen – das ist im Recht der Erneuerbaren Energien und im Städtebaurecht nichts Neues. Vorgeschobenen „Interessen“ hingegen muss ein Ende gesetzt werde, denn zulange wurden die Erneuerbaren Energien durch sachfremde Erwägungen aufgehalten.
Für die Windenergie ist das Urteil vor allem deshalb erfreulich, weil das OVG Lüneburg gar nicht erst die herausragenden, überwiegenden Interessen der Erneuerbaren Energien aus §2 EEG 2023 heranziehen musste. Ausschlaggebend war vielmehr tatsächliche fliegerisch-juristische Expertise (https://quartermike4.de/).
Der Hintergrund
In dem Verfahren hatte sich ein Projektierer gegen die Versagung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für eine Windenergieanlage in gewehrt. Streitgegenstand war die versagte luftverkehrsrechtliche Zustimmung nach § 14 LuftVG. Diese beruhte insbesondere aufgrund der Nähe der Windenergieanlage zu einem Segelflugplatz sowie der Vorbelastung des Vorhabenstandorts durch bereits bestehende Windenergieanlagen.
Die MASLATON Rechtsanwaltsgesellschaft hat den erfolgreichen Projektierer im Klageverfahren vertreten.
OVG Lüneburg erklärt Luftfahrtbehörde rechtlichen Maßstab
In der jetzt vorliegenden Urteilsbegründung hat das OVG Lüneburg insbesondere eine Sache klargestellt: Der von der Luftfahrtbehörde anzusetzende Prüfungsmaßstab für eine Versagung der luftverkehrsrechtlichen Zustimmung ist die Frage, ob eine konkrete Gefahr für den Luftverkehr durch die Errichtung und den Betrieb erfolgt. Kommt die Behörde zu der Annahme einer konkreten Gefahr, muss sie dies anhand objektiver und nachvollziehbarer Kriterien begründen – sachfremde Erwägungen sind dabei nicht zu berücksichtigen.
Weiter betont das Gericht: Eine Ablehnung könne „nicht nur – wie hier – auf die innere Überzeugung“ der Mitarbeiter der Luftfahrtbehörde gestützt werden, sondern müsse „dafür handhabbare, objektive und so gerichtlich nachvollziehbare Kriterien für die relevanten Gefahren“ entwickeln und formulieren.
Dieser Ausspruch ist bemerkenswert. Denn der Neuheitswert dieser Aussagen tendiert gegen Null. Gerade deswegen spricht die Notwendigkeit, diesen Maßstab in einem Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht ausdrücklich zu betonen, Bände. Ohne Zweifel war dies an die Luftfahrtbehörde gerichtet, die – kein Einzelfall – im gegenständlichen Verfahren durch geradezu ins Blaue hinein vermutete Einwendungen, ohne Berücksichtigung des konkreten Sachverhalts, die luftverkehrsrechtliche Zustimmung versagte.
OVG Lüneburg: vorbildliche rechtsdogmatische Prüfung
Im Anschluss machte das OVG Lüneburg in der ausführlichen Urteilsbegründung Satz für Satz vor, wie die Prüfung der luftverkehrsrechtlichen Zustimmung idealerweise in einem Rechtsstaat zu erfolgen hat. Nacheinander prüfte das Gericht die zur Versagung der Zustimmung herangezogenen Einwände. Immer wieder kam das OVG Lüneburg zu dem gleichen Ergebnis:
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Die Luftfahrtbehörde konnte keine objektiven und nachvollziehbaren Kriterien (Mindestabstand wegen Nachlaufturbulenzen) für die Versagung anführen oder
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der erhobene Einwand divergierte mit der tatsächlichen Situation vor Ort (VFR-Verfahren; Störung des Schleppbetriebs) oder
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es handelte sich um sachfremde, nicht den Luftverkehr betreffende Belange (Mitgliederschwund des Segelflugvereins).
Zusätzlich wies das OVG Lüneburg ausdrücklich darauf hin, dass Nebenbestimmungen als milderes Mittel der Versagung der luftverkehrsrechtlichen Zustimmung vorgehen.
Urteil und Argumentation geben der Windenergie Auftrieb
Die Deutlichkeit, mit der das OVG Lüneburg der Luftfahrtbehörde ihr bislang fehlerhaftes Vorgehen vorführte, ist höchst erfreulich. Nicht aus Schadenfreude, sondern weil es den Ursprung der verfehlten Ausbauziele der Erneuerbaren Energien sowie für zahlreiche steckengebliebene Verfahren zweifelsfrei adressiert.
Gleichzeitig macht das Urteil klare Vorgaben, wie im Rahmen des § 14 LuftVG die konkrete Gefahr für den Luftverkehr zu überprüfen ist. Auf den derzeit von vielen Gerichten – erfreulicherweise – angewandten § 2 EEG 2023 musste daher gar nicht erst zurückgegriffen werden. Ebenfalls ein deutliches Zeichen an die Luftfahrtbehörden.
OVG Lüneburg, Urt. v. 14.02.2023 (Az. 12 LB 128/19)