Die Windenergie stellte im Jahr 2023 mit 110 Gigawatt neuer Kapazität in einem Jahr einen neuen Rekord für Neuinstallationen auf. Mehr als die Hälfte der neuen Kapazität wurde in nur einem Land, nämlich China, installiert, was unterstreicht, dass der Großteil der Welt noch weit von dem Tempo entfernt ist, das zur Erreichung der Klimaziele erforderlich ist. Obwohl weltweit bald 1 Million Megawatt an Windkraftkapazität installiert sein werden, muss die Welt die Windkraftkapazität bis 2030 mindestens verdreifachen - wie viele Regierungen im Vorfeld der UN-Klimakonferenz COP28 vorgeschlagen haben. Das bedeutet, dass sich auch die jährlichen Installationen in den kommenden Jahren mehr als verdoppeln müssen.

In den mittlerweile mehr als 40 Jahren der modernen Windturbinengeschichte sind nicht nur die Installationen exponentiell gewachsen, sondern auch die Technologie hat enorme Fortschritte gemacht. Vor zwanzig Jahren waren Turbinen mit einer Nennleistung von 1 Megawatt üblich; heute liegen die größten Windturbinen im Bereich von 5 Megawatt, wobei der Weltrekord von Chinas Mingyang mit 18 Megawatt gehalten wird - und ein 22-Megawatt-Modell ist in der Entwicklung.

In vielen Ländern, in denen die Windenergie schon früh entwickelt wurde, wie z. B. in Deutschland oder Indien, sind viele Windparks bereits seit 20 Jahren oder mehr in Betrieb und verwenden Technologien, die nicht mehr dem Stand der Technik entsprechen. Alte Anlagen kommen oft nicht mehr für Einspeisevergütungen in Frage, und die Betriebs- und Wartungskosten steigen erheblich. Die Wartungskosten für alte Windturbinen sind oft so hoch, dass es in Verbindung mit dem erwarteten höheren Gesamtertrag wirtschaftlich sinnvoll sein kann, alte Turbinen durch neue zu ersetzen.

 

Vorteile von Repowering

Der Ersatz alter Windturbinen durch die neueste Technologie bringt viele greifbare Vorteile mit sich:

  • Die ersten Windparks befinden sich oft an sehr guten, windreichen Standorten, und die neue Technologie kann diese Ressourcen viel effektiver nutzen.
  • Das Repowering von Windparks ist ressourceneffizient, weil dabei auch die bestehende Infrastruktur wie Straßen, Netze, Umspannwerke und Übertragungsleitungen genutzt werden kann, die manchmal nur erweitert werden müssen.
  • Es müssen nur wenige oder gar keine neuen Standorte erschlossen werden, wodurch die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt minimiert werden - die Umweltfaktoren an einem bestehenden Standort sind bekannt.
  • Durch Repowering kann die verfügbare Kapazität vervielfacht und gleichzeitig die Anzahl der Windturbinen verringert werden.
  • Neue Turbinen sind in der Regel netzfreundlicher und tragen zur Netzstabilität bei.
  • Neue Turbinen haben eine geringere Umweltbelastung: Sie erzeugen in der Regel weniger Lärm, und größere Turbinen bedeuten weniger Umdrehungen und weniger Flimmern. Folglich kann das Repowering dazu beitragen, die Akzeptanz eines Windparks in der Bevölkerung zu verbessern.
  • Weniger Windturbinen bedeuten auch geringere Überwachungs- und Wartungskosten.
  • Letztendlich können durch Repowering die Kosten pro kWh gesenkt werden, was sowohl den Stromverbrauchern als auch den Investoren zugutekommt.
  • In mehreren Ländern ist das Repowering bereits Teil des normalen Windkraftausbaus, der vor Jahren begonnen hat. Einige Regierungen haben sogar Förderprogramme für das Repowering von alten Windparks aufgelegt.

 

Wie Repowering in der Praxis funktioniert

In Deutschland beispielsweise fallen jedes Jahr mehr als 2 Gigawatt Windkraftleistung aus der 20-jährigen Einspeisevergütung heraus und müssen entweder dem vollen Marktrisiko ausgesetzt, stillgelegt oder repowert werden. Viele Windparks haben das Repowering bereits hinter sich, wie etwa der Windpark Düngstrup in Niedersachsen, wo acht 1,3-Megawatt-Turbinen durch vier neue 3-Megawatt-Turbinen am selben Standort ersetzt wurden. Während der alte Windpark 12 Gigawattstunden pro Jahr produzierte, erzeugen die neuen Anlagen 35 Gigawattstunden. In einem anderen Windpark in Dardesheim werden demnächst 2-Megawatt-Turbinen durch 5,5-Megawatt-Anlagen ersetzt, wodurch sich die bisherige Leistung vervierfacht. Im Allgemeinen ist bei Repowering-Projekten mit einer Vervierfachung der Leistung und einer Verdreifachung der installierten Kapazität zu rechnen.

 

Windkraft multipliziert mit 3/4

Die Vervierfachung der Windkraftleistung ist natürlich nicht nur für den Windparkbetreiber von Vorteil, sondern erleichtert es auch den Ländern, ihre Ziele im Bereich der erneuerbaren Energien zu erreichen - vor allem in dicht besiedelten Ländern mit einer begrenzten Anzahl von geeigneten Standorten. Das Repowering ist also offensichtlich eine Win-Win-Win-Situation für den Betreiber/Investor des bestehenden Windparks sowie für die lokalen Gemeinden und das Land im Allgemeinen.

 

Hindernisse überwinden

Es gibt jedoch einige Hindernisse, die das Repowering für Windparkbetreiber zu einer Herausforderung machen:

Natürlich ist die Technologie selbst in der Regel kein Problem, aber die größten Hürden liegen in regulatorischen Fragen, nämlich in den Genehmigungs- und Vergütungsregelungen.

In einigen Fällen unterliegen Repowering-Projekte nicht mehr den gesetzlichen Vergütungsregelungen, was das finanzielle Risiko solcher Investitionen erhöht. Der weltweite Trend zu Versteigerungen ist ebenfalls ein negativer Faktor für solche Projekte, da ältere Windparks oft im Besitz von kleinen oder mittleren Unternehmen sind, die das Risiko, bei einer öffentlichen Versteigerung nicht den Zuschlag zu erhalten, nicht tragen können. Solche Marktunsicherheiten, die z. B. durch Auktionssysteme verursacht werden, können Early Mover und Investoren davon abhalten, am Markt für neue Windparks teilzunehmen und die erforderliche Vergütung zu erhalten.

Daher sollten Windparks nach dem Repowering leichteren Zugang zu einer fairen Vergütung haben.

 

Auch der Ersatz älterer Windkraftanlagen durch neue wird häufig durch regulatorische Vorschriften behindert:

Die Genehmigungen für Windparks gelten in der Regel nicht für neue Anlagen, und in einigen Fällen ist es nicht möglich, einen neuen Windpark an der Stelle eines bestehenden zu errichten. In manchen Fällen gibt es überhaupt keine Vorschriften, und die Behörden wissen einfach nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollen.

Generell und als neues Paradigma sollte die Gesetzgebung das Repowering ausdrücklich zulassen, um das große zusätzliche Potenzial zu nutzen, das sich aus dem Repowering von Windparks ergeben kann.

Die Genehmigungsverfahren für Repowering sollten vereinfacht werden. Dies steht noch im Einklang mit Umwelt- und anderen Standards, da in der Regel bereits eine ordnungsgemäße Bewertung der relevanten Faktoren durchgeführt wurde.

 

Globales Repowering-Potenzial

Das Potenzial, die weltweit installierte Kapazität durch Repowering zu erhöhen, ist enorm: Vor 15 Jahren betrug die weltweite Windkapazität rund 100'000 Megawatt. Geht man von einem Repowering-Faktor von drei bis vier aus, könnten 200'000 Megawatt an installierter Leistung hinzukommen - oder 20 % der derzeitigen Kapazität. Betrachtet man die vor zehn Jahren installierte Windkapazität von rund 350'000 MW, so könnte man eine Kapazität hinzufügen, die der derzeit installierten Windkapazität entspricht und die Windkraftleistung mehr als verdoppeln.

Im Großen und Ganzen hat das Repowering bestehender Windparks das Potenzial, den Anteil der Windenergie an der Stromversorgung auf sehr effiziente Weise zu erhöhen. Es sollte daher ein zentraler Bestandteil der Strategie eines jeden Landes für erneuerbare Energien und Klimaschutz sein.

 

Über den Autor

Stefan Gsänger ist Generalsekretär der World Wind Energy Association mit Sitz auf dem UN-Campus in Bonn/Gemeinde. Er leitet die WWEA seit ihrer Gründung im Jahr 2001. Unter seiner Leitung hat sich die WWEA mit Mitgliedern in mehr als 100 Ländern zum weltweiten Sprachrohr der Windbranche entwickelt. Stefan Gsänger hat verschiedene andere Ämter inne, darunter den Ko-Vorsitz der Global100% Renewable Energy Platform und den Vorsitz der IRENA Coalition for Action Community Energy Group. Er hat 21 Welt-Windenergiekonferenzen auf allen Kontinenten geleitet und war Gastredner auf Konferenzen in mehr als 40 Ländern. Er hat zahlreiche Artikel und Studien über Windenergie und erneuerbare Energien veröffentlicht.

Quelle: WWEA: Bei diesem Artikel handelt es sich um eine Übersetzung. Das Original finden Sie hier: Repowering: An Efficient Tool to Boost Wind Power (wwindea.org)

 


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