Die nächsten Jahre werden jedoch durch strukturelle Herausforderungen geprägt sein: Die ökonomischen Auswirkungen der Corona-Pandemie in Deutschland werden noch lange Zeit spürbar nachwirken. Gleichzeitig manifestieren sich die Herausforderungen des Klimawandels und erhöhen den politischen Handlungsbedarf. Damit die 2020er Jahre zum Modernisierungsjahrzehnt werden, die Energiewende neue Wachstumsimpulse erhält und der Wirtschaftsstandort Deutschland fit für die Zukunft wird, muss die ökologische Modernisierung unserer gesamten Energiewirtschaft deutlich beschleunigt werden.
Hierbei gilt es, an frühere Erfolge Deutschlands als Energiewendevorreiter anzuknüpfen und zu zeigen, dass Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu steigendem Wohlstand für Industrienationen führen.
Die stark wachsende Nachfrage nach Erneuerbaren Energien aus der Industrie, den Sektoren Mobilität und Wärme sowie als direkte Folge der Digitalisierung muss gedeckt werden. Die gegenwärtigen Rahmenbedingungen verhindern jedoch eine intelligente Kopplung der Sektoren, um die Energiewende als Ganzes voranzubringen. Die Rahmenbedingungen für das moderne Energiesystem der Zukunft auf den Weg zu bringen, wird daher eine zentrale Aufgabe der kommenden Legislaturperiode sein.
01 | Faire Wettbewerbsbedingungen für Erneuerbare Energien schaffen
» Abschaffung aller Subventionen für fossile Energieträger
Es muss ein konkreter Zeitplan für den Abbau der fossilen Subventionen vorgelegt werden. Die daraus freigesetzte Mittel sollen wiederum in die Finanzierung des weiteren Ausbaus der Erneuerbaren Energien und Sektorenkopplungstechnologien investiert werden.
» Abschaffung der Preisobergrenzen im nationalen Emissionshandel
Die Internalisierung der externen Kosten über eine CO2-Bepreisung sollte sich an den von wissenschaftlichen Instituten berechneten Kosten pro Tonne CO2 bzw. dem Reduktionspfad für CO2-Emissionen, der die Erreichung der Klimaschutzziele sichert, orientieren können. Eine Erhöhung des ansteigenden Mindestpreises im nationalen Emissionshandel ist anzustreben.
» CO2-Bepreisung sozial gerecht gestalten
Eine sozial gerecht gestaltete CO2-Bepreisung kann einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, die Akzeptanz zu erhöhen und gleichzeitig ökonomisch effizient die Klimaziele zu erreichen. Daher sollten die entsprechenden Mehreinnahmen mit Hilfe eines angemessenen Verteilungsschlüssels an Bürgerinnen und Bürger bzw. Unternehmen rückerstattet werden.
02 | Ausbau der Erneuerbaren Energien voranbringen
Klimaschutzziele mit konkreten Maßnahmen unterlegen
» Emissionsziele des Bundesklimaschutzgesetzes in konkrete Maß-nahmen zur Erhöhung des Anteils Erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch übersetzen
Auch unter Annahme ambitionierter Effizienzerfolge erfordert das Festschreiben einer THG-Minderungsquote von 65 Prozent bis zum Zieljahr 2030 einen erheblichen Anstieg der Nutzung Erneuerbarer Energien. Deren Anteil am Bruttoendenergieverbrauch muss auf mindestens 1084 TWh (44 %) steigen. Die Sektorenkopplung ist zur Erreichung dieses Ziels von zentraler Bedeutung, was eine umfassende Elektrifizierung des Wärme- und Verkehrssektors erfordert. Dies wiederum bedeutet einen Anstieg des Bruttostromverbrauchs in Deutschland auf 745 TWh bis 2030, der bei der Überarbeitung energiewirtschaftlicher Rahmenbedingungen berücksichtigt werden muss.
» Erhöhung der Ausbaupfade und Zielkorridore im Erneuerbare-Energien-Gesetz
Unter Berücksichtigung eines steigenden Bruttostrom-verbrauchs durch die Sektorenkopplung muss die installierte Leistung der einzelnen Technologien in Deutschland deutlich angehoben werden.
Insgesamt muss bis 2030 eine installierte Leistung Erneuerbarer Energien von 337 GW realisiert werden, Wind Onshore (95 GW) und Photovoltaik (205 GW) bieten die größten Steigerungspotenziale. Die für alle Technologien jährlich zu installierende Leistung ergibt sich aus dem BEE Szenario 2030.
03 | Stommarkt auf Erneuerbare Energien auslegen
Marktdesign überarbeiten und Flexibilitäten erhöhen
» Systemdienstleistungen für Erneuerbare Energien vorantreiben
Märkte für Systemdienstleistungen, die für mehr Netzstabilität sorgen, für Erneuerbare Energien konsequent öffnen, weiterentwickeln und die Vorrangregelung für Erneuerbare Energien im Stromsektor auf die Systemdienstleistung ausdehnen.
» Anreize für Lastverschiebungen bei Haushaltsverbrauchern und der Industrie richtig setzen
Verbraucherseitiges Flexibilisierungspotenzial kann, zum Beispiel durch eine weitere Dynamisierung der Stromnebenkosten, genutzt werden.
» Speicher verstärkt in das System integrieren
Erhöhung der Kapazität von stationären und mobilen elektrischen Speichern und konsequente Einbindung von Sektorenspeichern in das Gesamtsystem.
» Einspeisevorrang für Erneuerbare Energien durchsetzen
Der gesetzliche Einspeisevorrang Erneuerbarer Energien gegenüber fossilen Kraftwerken muss folgerichtig auch in der energiewirtschaftlichen Praxis durchgesetzt werden.
04 | Dezentrale Energieversorgung fördern
Intelligente Sektorenkopplung stärken und Energiewende als Mitmachprojekt ermöglichen
» Reform der staatlich induzierten Strompreisbestandteile
Die Finanzierung der besonderen Ausgleichsregelung und weiterer Befreiungstatbestände für stromintensive Industriebetriebe als wirtschaftspolitische Maßnahme sollte aus Haushaltsmitteln und nicht auf Kosten der Verbraucher umgesetzt werden. Darüber hinaus sollte die Stromsteuer auf das europäisch mögliche Mindestniveau abgesenkt werden.
» Abschaffung der beim Eigenverbrauch anfallenden (anteiligen) Abgaben
So kann das Potenzial des Prosumers genutzt und Netzausbaukosten reduziert werden. Ebenso wichtig ist das Aufheben der Personenidentität als Kriterium zur Eigenversorgung und eine konsequente Umsetzung europäischer Vorgaben für eine Energiewende in Bürgerhand und für Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften.
» Speicher nicht länger als Erzeuger oder „Letztverbraucher“ behandeln
Dies ist Voraussetzung für die notwendige und praxisgerechte Abschaffung der Doppelbelastung mit Entgelten und Abgaben von ein- und wieder ausgespeichertem Netzstrom. Die aktuelle Definition von Energiespeichern wird dem jedoch nicht gerecht. Es bedarf einer Definition von Energiespeichern entlang der Vorgaben der EU-Binnenmarktrichtlinie.
05 | Der Wärmewende Schwung verleihen
Erneuerbare Wärme zur Dekarbonisierung des Gebäude- und Industriebereichs voranbringen
» Ordnungsrechtliche Anforderungen an Gebäude ausweiten
Unter anderem das Gebäudeenergiegesetz ambitionierter ausgestalten und auf bestehende Wohngebäude ausweiten.
» Wärmenetze auf Erneuerbare Energien umwidmen
Gesetzliche Rahmenbedingungen für die Nah- und Fernwärmeerzeugung, wie das Gebäudeenergiegesetz, das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz und die Bundesförderung effiziente Wärmenetze deutlich stärker auf die Umstellung von Wärmenetzen auf Erneuerbare Energien ausrichten.
» Fossile Subventionen stoppen und Erneuerbare Energien im Gebäudesektor voranbringen
Die Förderung Erneuerbarer Energien im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Gebäude sollte verstetigt und Förderung für ausschließlich fossil befeuerte Heizungen beendet werden.
» Grüne Gase für Industrieprozesse einsetzen
Rahmenbedingungen für den heimischen Markthochlauf zur Dekarbonisierung der industriellen Prozesswärme mit grünen Gasen zukunftsfest ausgestalten.
06 | Mobilität klimafreundlich umgestalten
Verkehrswende vollziehen und Infrastrukturen an künftige Systemanforderungen anpassen
» Festlegung von anspruchsvollen Zielen für alle klimafreundlichen Antriebsarten bis zum Jahr 2030
Die Förderung privater Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität muss ambitioniert verstetigt und Anreize zur Umrüstung von kommunalen und privaten Fahrzeugflotten deutlich verstärkt werden. Die Rahmenbedingungen für die systemdienliche Steuerung von Ladevorgängen sollten verbessert und die Teilnahme von Ladeinfrastrukturen an Flexibilitätsmärkten ermöglicht werden.
» Ambitionierte Weiterentwicklung der Treibhausgasminderungsquote im Bundesimmissionsschutzgesetz
Diese sollte sich an den Zielen des Klimaschutzgesetzes orientieren, um die Nachfrage nach Erneuerbaren Antriebstechnologien anzureizen und auf einen Mindestanteil von 50 Prozent Erneuerbare Energien angehoben werden.
» Markteinführung neuer Erneuerbarer Technologien
Im Rahmen der Treibhausgasminderungsquote und durch Investitionsförderungen sollten fortschrittliche Biokraftstoffe, strombasierte Kraftstoffe und grüner Wasserstoff in den Markt integriert werden. Wasserstoff sowie strombasierte Kraftstoffe mit Kohlenstoff aus fossilen Quellen sollten grundsätzlich nicht gefördert werden.