Für das laufende Jahr wird mit der Fertigstellung und Inbetriebnahme von Arcadis Ost 1 gerechnet. In den kommenden Jahren rechnet die Deutsche WindGuard für die Branche mit höheren Zubau-Raten. Die Projekte zur Realisierung der Ausschreibungen aus dem Jahr 2023 erfolgen ab 2028. Dabei sind insgesamt 8.800 MW ausgeschrieben.
„Für das Erreichen der Ausbauziele bis 2030 müssen in Deutschland in weniger als acht Jahren 22 Gigawatt (GW) auf See installiert werden. In Europa sollen in diesem Zeitraum zusammen rund 150 GW Windenergieleistung zugebaut werden. Die Branche erwartet daher einen erheblichen Anstieg ab 2025 und vor allem gegen Ende des Ausbauzieles 2030, was eine industrielle Machbarkeit voraussetzt. Für den Aufbau stabiler Lieferketten und einen zukunftsorientierten Ausbau von Fertigungskapazitäten braucht es einen stetigen und gleichmäßigen Zubau-Pfad. Die für das Erreichen der Ausbauziele notwendigen Produktionskapazitäten und Fachkräfte fehlen bisher in substanziellem Maße. Ein Plan allein reicht hier nicht. Wir müssen gemeinsam mit der Politik umgehend eine realistische Grundlage für die Umsetzung der Ausbauziele im Bereich Windenergie auf See für Strom und grünen Wasserstoff schaffen“, mahnen die Branchenorganisationen BWE, BWO, Stiftung OFFSHORE-WINDENERGIE, VDMA Power Systems, WAB e.V. und WindEnergy Network e.V. an.
Um die Ziele zu sichern, sind darüber hinaus Anpassungen am WindSeeG erforderlich. Die im WindSeeG 2022 eingeführte Gebotskomponente erhöht die Risiken für Investoren und belastet die Stromkunden mit zusätzlich steigenden Preisen. Denn klar ist, dass die Windparkbetreiber auf See die Gebotskomponente zurückverdienen müssen. Der Ukraine-Krieg hat schmerzhaft gezeigt, wie wichtig Akteursvielfalt ist. Zu deren Gewährleistung besteht im aktuellen Ausschreibungsdesign allerdings kein Sicherungsmechanismus. Hier sollte die maximal zu bezuschlagende Ausbaumenge pro Bieter und Jahr begrenzt werden. „Aufgrund des großen Volumens der Ausschreibungen müssen Regierung und Industrie von Anfang an Hand in Hand arbeiten, um Nachbesserungen zu vermeiden. Das betrifft auch den Erhalt der Akteursvielfalt der Projektierer“, so die Interessenvertretungen.
Die Ausschreibungen, die Auftragseingänge für die Zulieferindustrie ermöglichen, stehen noch aus. Aufträge sind erforderlich, um das „Wiederhochfahren“ der Offshore-Windindustrie für den deutschen Markt und die notwendigen Investitionen in Produktion und Lieferkette, Infrastruktur und Logistik zu ermöglichen. „Mit einem Wachstum der Offshore-Wind-Zulieferkette eröffnen sich neben einer kostengünstigen Energieversorgung und einer größeren Versorgungssicherheit Europas immense Wertschöpfungspotenziale. Zusätzlich bieten sich ebenfalls langfristige und zukunftsorientierte Beschäftigungsperspektiven. Diese gilt es neben dem erforderlichen Klimaschutz zu verwirklichen“, unterstreichen die Branchenorganisationen den aktuell erforderlichen politischen Handlungsbedarf.
Im Jahr 2022 wurde deutlich weniger als ein Gigawatt gebaut. Viele deutsche Zulieferunternehmen sind mit Auftragsabarbeitungen für den internationalen Offshore-Windmarkt beschäftigt. Ein weiterer Engpass sind die erforderlichen Materialien für den Komponentenbau für Offshore-Windenergieanlagen. Neben den fehlenden industriellen Kapazitäten für den Ausbau der Windenergie auf See sind Hafeninfrastrukturen erforderlich sowie eine deutliche Erhöhung des Angebots deutscher Werften für den Bau von Gründungsstrukturen, Umspann- und Konverter-Plattformen, Spezialschiffen für Service & Wartung und für die Errichtung.
Das Erreichen der Ausbauziele für die Offshore-Windenergie in Deutschland von mindestens 30 GW bis 2030, zwischen 40 und 50 GW bis 2035 und mindestens 70 GW bis 2045 erfordert entschlossenes politisches Handeln. Mit der Realisierungsvereinbarung für mehr Windenergie auf See im November 2022 wurden Meilensteine für den notwendigen Netzausbau definiert, die die Branche positiv bewertet.
Die Erzeugung von grünem Wasserstoff auf See steckt noch in den Kinderschuhen und benötigt den erforderlichen regulatorischen Rahmen, der die Entwicklung von konkreten Geschäftsmodellen ermöglicht. Nur so kann der festgelegte Hochlauf der Wasserstoffproduktion aus der Windenergie auf See durch Ausschreibungen von mindestens 500 MW pro Jahr ab 2023 gelingen.
„Die Offshore-Windindustrie benötigt eine große und von der Bundesregierung unterstützte Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive, einfache Investitions- und Finanzierungsbedingungen und die Förderung neuer Produktionskapazitäten, die für die erforderliche Liquidität in der herstellenden Industrie sorgen, sowie international faire Wettbewerbsbedingungen. Besonders auf die Maßnahmen des US-amerikanischen Inflation Reduction Acts muss Europa eine starke, gemeinsame Antwort finden“, erklären die Branchenorganisationen. Mit Blick auf die Fachkräftebedarfe wünschen sich die Verbände mehr Arbeitnehmerfreizügigkeit über EU-Grenzen hinaus und eine effektive Einwanderungspolitik.