Herr Freiherr von Lüninck, was sind in Ihren Augen die drängendsten Themen, die der neue Gesetzgeber angehen sollte?

von Lüninck: Ein zentrales Anliegen an den zukünftigen Gesetzgeber sind „typenoffene Genehmigungen“. Derzeit müssen beim Antrag für eine Genehmigung nach dem BImSchG ein spezifischer Anlagentyp und Her­steller festgelegt werden. Dies erschwert die Vertragsverhandlungen mit Herstellern und schafft eine hohe Abhängigkeit. Wünschenswert wäre es daher, Genehmigungsanträge mit gewissen Parametern (Anlagenleis­tung, maximale Gesamthöhe der Anlage, maximaler Rotordurchmesser) stellen zu können, wie dies u. a. in den Niederlanden bereits Standard ist. Gerade aufgrund der sehr langen Genehmigungsverfahren und, bedingt dadurch, sich ändernder Umstände im Projekt oder bei Liefer­ oder Quali­tätsproblemen des Herstellers wäre es zu begrüßen, wenn nach Antrags­stellung noch flexibel reagiert werden könnte. Derzeit geht ein Anlagen­wechsel, vor wie auch nach Genehmigungserteilung, mit erheblicher Rechtsunsicherheit einher, da die einzelnen Genehmigungsbehörden, länderspezifischen Windenergieerlasse sowie Verwaltungsgerichte einen Anlagenwechsel unterschiedlich beurteilen.

Die bislang sehr dürftige Ausweisung geeigneter Flächen für Windkraft behindert die Projektierung von Bürgerwindparks enorm. Was muss sich in Zukunft ändern?

von Lüninck: Hier fordern wir die Schaffung eines Verfahrens bzw. Rechts­behelfs zur Überprüfung von Flächennutzungsplänen. Ein Problem hierbei ist, dass Gemeinden in der Vergangenheit Konzentrationsplanungen ver­abschiedeten, die nach den Maßstäben der Rechtsprechung offensichtlich rechtsunwirksam sind. Eine gerichtliche Überprüfung dieser alten Planun­gen ist aufgrund des Fristablaufs nicht möglich. Des Weiteren verzögert sich bei vielen Gemeinden die Aufstellung neuer Flächennutzungspläne über Jahre, ohne dass die Gründe dafür transparent gemacht werden. Um die veraltete Planung für unwirksam erklären zu lassen und die Neuplanung zu beschleunigen, ist eine neue Regelung vonnöten, da sich insbesondere die derzeitigen Möglichkeiten, das Bauplanungsrecht abprüfen zu lassen, im Bereich der Flächennutzungspläne als ungeeignet erweisen. Denkbar wäre z. B. die Einführung eines vorgelagerten und gesonderten Verfahrens, wel­ches die Abfrage des gemeindlichen Einvernehmens bereits vor der eigent­lichen Antragsstellung ermöglicht. So würde dieser Aspekt justiziabel und somit den Druck auf die Gemeinden erhöhen, ihre Flächennutzungsplanung zu beschleunigen und die Gründe für Verzögerungen offenzulegen.

Haben Bürgerenergiegesellschaften (BEG) denn noch eine Zukunft?

von Lüninck: Im Gegensatz zu früheren Regelungen sind wesentliche Vor­teile der BEG weggefallen (bspw. ist keine Teilnahme an einer Ausschrei­bung ohne vorherige BImSchG­Genehmigung mehr möglich). Meines Erachtens laufen BEG daher Gefahr, erhebliche Investitionen für die Vorplanungen und den Erhalt einer Genehmigung zu leisten, ohne absehen zu können, ob eine spätere Teilnahme an der ohnehin komplexen Ausschrei­bung zu einem wirtschaftlichen Projekt führen wird. Zwar erlangen BEG stets den höchsten Gebotswert im jeweiligen Ausschreibungstermin, was jedoch nicht heißt, dass dieser gerade bei vergleichsweise kleineren BEG­Projekten auch für einen wirtschaftlichen Betrieb, gerade an baulich herausfordernden Standorten oder Standorten, die etwas weniger windhöffig sind, auskömm­lich sein wird. Aus meiner Sicht dürfte daher das Modell BEG aufgrund der erheblichen Risiken der Projektentwicklung unattraktiv werden.

Was könnten mögliche Lösungsansätze sein? Was muss der Gesetzgeber ändern, um BEG weiterhin attraktiv zu gestalten?

von Lüninck: Lösungsansätze könnten bspw. sein, dass BEG berechtigt werden, erhaltene Zuschläge ohne Pönalen wieder zurückzugeben, oder dass man BEG­Zuschläge mit einem Mindestzuschlagswert versieht, um so Planungs­ und Investitionssicherheit zu schaffen. In diesem Zusam­menhang erscheinen mir auch die Anforderungen an die Gesellschafter­struktur von BEG zu eng gefasst. So müssen 51 Prozent der Stimmrechte aus dem jeweiligen Landkreis des Projektstandortes stammen. Unserer Erfahrung nach reicht die Wirkung eines Windkraftprojektes über Land­kreisgrenzen deutlich hinaus. Des Weiteren sehen wir in der Praxis, dass es helfen würde, BEG für Investoren bzw. Projektierer zu öffnen, da diese die bereits skizzierten Risiken und Investitionen gut abschätzen können. Die Regelung, dass nicht mehr als 10 % der Stimmrechte durch eine Per­son gehalten werden dürfen sowie das Verbot, innerhalb von 12 Monaten einen weiteren Zuschlag zu erhalten, erschweren dies jedoch. Eine Auf­weichung dieser Voraussetzungen könnte dazu führen, dass BEG­Projekte in Zukunft an Attraktivität gewinnen.

Bei der Entbürokratisierung und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren spielt die Digitalisierung eine zentrale Rolle. Was sind Ihre Erfahrungen bezüglich des Themas Digitalisierung der Behörden und der Verwaltung?

von Lüninck: In den vergangenen Jahren ist in diesem Bereich vieles an­gestoßen und auch umgesetzt worden, das zu einer Verbesserung und Vereinfachung der Kommunikation geführt hat. Die Digitalisierung ist in den meisten Unternehmen jedoch wesentlich schneller vorangeschritten, so dass aktuell ein Ungleichgewicht zwischen Behörden und Unterneh­men herrscht. BImSchG­Anträge werden weiterhin in zahlreichen Ausfer­tigungen in Papierform – oft mehrere Umzugskartons voller Ordner – bei den zuständigen Stellen eingereicht. Vielerorts sind wir mit der Umrüs­tung der Bestandsanlagen auf die bedarfsgerechte Nachtkennzeichnung befasst und stellen unsere Anträge überwiegend per Fax. Wünschenswert wäre es, wenn die Digitalisierung innerhalb der Behörden und in der Kommunikation mit den Behörden vorangetrieben wird.

Dieser Beitrag wurde erstmals im BetreiberBrief 4/2021 veröffentlicht.


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