Frau Clashausen, mit welchen konkreten Herausforderungen sind Anlagenbetreiber in der Vermarktung ihres Windstroms nach Auslaufen der EEG-Förderung konfrontiert?

Christine Clashausen: Die Herausforderungen sind vielfältig und werden den Markt in seinen Grundzügen nachhaltig verändern. Durch die fixe EEG-Vergütung oder die Direktvermarktung im Marktprämienmodell konnten sich Betreiber von Windenergieanlagen bisher auf stabile Erträge verlassen, die deutlich über dem Marktpreis lagen. Mit dem Ende der EEG-Förderung sind sie künftig dem Risiko schwankender Preise an der Strombörse ausgesetzt. Somit stehen die „Pioniere der Energiewende“, die schon vor mindestens 20 Jahren ihre Windkraftanlagen in Betrieb nahmen, nun vor der Frage, ob sich ein Weiterbetrieb überhaupt rentabel umsetzen lässt und welches Vermarktungsmodell für sie das passende ist. 2021 wird es teilweise auch dazu kommen, dass technisch weiterhin funktionstüchtige Anlagen aufgrund wirtschaftlicher Rahmenbedingungen rückgebaut werden müssen.

Welche Tendenzen sind aktuell am Strommarkt erkennbar und welche Rolle spielt hierbei die Corona-Pandemie?

Christine Clashausen: Die Einflussfaktoren, die den Strompreis bestimmen, sind vielschichtig und teilweise schwer vorhersehbar. Die aktuell niedrigen Marktpreise an der Strombörse sind dementsprechend auch auf verschiedene Ursachen zurückzuführen, unter anderem die Corona-Krise. Durch den bundesweiten Lockdown und die Kurzarbeit ist der Stromverbrauch – vor allem der industriellen Großabnehmer – deutlich gesunken. Somit ist das Stromangebot häufig größer als die
-nachfrage, was zu niedrigen Marktpreisen führt. Da unsere europäischen Nachbarländer ebenso von der Krise betroffen sind und verminderten Strombedarf verzeichnen, ist auch der Export von Strom zurück gegangen. Bis Ende Juli 2020 wurden an der Strombörse bereits 239 Stunden mit negativen Strompreisen erfasst, im gesamten Jahr 2019 waren es 211 Stunden. Somit hat sich die Preislage auf dem Strommarkt noch weiter verschärft – und die Prognosen für 2021 lassen keine vollständige Erholung von der Krise erwarten.   

Wie gehen Anlagenbetreiber mit dieser herausfordernden Situation um und welche Handlungsmuster erkennen Sie als Vermarktungs-Expertin?

Christine Clashausen: Da der Stichtag zum Jahresende immer näher rückt, nehmen die Betreiber die mit dem Auslaufen der EEG-Förderung verbundenen Aufgaben in Angriff – seien sie technischer, rechtlicher oder wirtschaftlicher Natur. Viele haben derartige Entscheidungen zeitlich aufgeschoben und auf eine positive Marktpreisentwicklung gehofft, die jedoch letztlich nicht eingetreten ist. In den anstehenden Verhandlungen mit Vermarktern gilt es nun, gemeinsam ein passendes Post EEG-Vermarktungsmodell zu finden – von Fix-Preis-Angeboten mit oder ohne Kompensation bei negativen Strompreisen bis hin zur Spot-Markt-Vergütung sind verschiedenste Modelle denkbar. Zentrales Unterscheidungskriterium ist hierbei das Risiko, das der Betreiber bereit ist, einzugehen. Es lässt sich beobachten, dass Betreiber mehrerer oder größerer Windparks zu riskanteren Vermarktungsmodellen tendieren, während Betreiber kleinerer Windparks eher sichere Modelle wählen und damit das Preisrisiko dem Vermarkter überlassen. Mit den wachsenden Risiken der Post EEG-Zeit wird es als Betreiber immer wichtiger, einen solventen, verlässlichen Vermarktungspartner an der Seite zu haben, der langfristig Sicherheit und Planbarkeit bieten kann.

Bietet die Post EEG-Zeit neben all diesen Herausforderungen auch Chancen?

Christine Clashausen: Ja, das tut sie. Mit Auslaufen der EEG-Förderung beginnt eine neue Ära, die auch Raum für neue Möglichkeiten eröffnet. Beispielsweise entfällt zukünftig das Doppelvermarktungsverbot, das EEG-geförderten Anlagen die zusätzliche Vermarktung über Herkunftsnachweise untersagte. Mit dem Wegfall dieser Einschränkung könnte es möglich werden, „Deutsche Windkraft“ als Stromprodukt auf dem Markt zu etablieren. Langfristig ist es unsere Aufgabe, Erneuerbare Energien unabhängig von politischen Entscheidungen und staatlicher Subventionen vollwertig in den Markt zu integrieren. Damals waren die Betreiber Pioniere in der Einführung Erneuerbarer Energien, heute sind sie Pioniere in deren Marktintegration.  

 

Vielen Dank für das Gespräch!


Das könnte Sie auch interessieren:


Sie möchten wissen, wie Sie sich auch in der Post EEG-Zeit Erträge sichern und Ihre Instandhaltungskosten optimieren können? Erfahrene Expert*innen der EnBW und Connected Wind Services zeigen Ihnen im kostenlosen Webinar verschiedene Partnerschaftsmodelle.