Dass die Windenergie die zentrale Form der Energiegewinnung ist, weiß man in der rheinland-pfälzischen Verbandsgemeinde Wörrstadt südlich von Mainz spätestens seit dem Jahr 1997. Damals gingen die ersten An-lagen im Gemeindegebiet in Betrieb. Seitdem sind viele weitere dazugekommen. Mittlerweile ist die Verbandsgemeinde im Strombereich sogar energiepositiv. Mehr als 150 Prozent des Verbrauchs wird hier vor der eigenen Haustür produziert. Doch Schluss soll hier noch lange nicht sein. „Wir werden das Potenzial der Windenergie voll ausschöpfen“, sagt VG Bürgermeister Markus Conrad. Und dazu gehört unzweifelhaft auch das Repowering bestehender Anlagenstandorte.

Fakten multimedial präsentiert

„Der Standort Spiesheim zeigt anschaulich die Grundidee und die Vorteile des Repowerings“, sagt Projektleiter Aleksey Atanasov. „Viele ältere Anlagen werden idealerweise durch wenige moderne, leistungsstärkere Anlagen ersetzt und der standortspezifische Energieertrag so signifikant erhöht.“ Für sein Projekt lautet die Formel daher: „Aus fünf mach eins bei vierfachem Ertrag.“ Denn wo einst über 20 Jahre lang fünf kleine Enercon E-40 ihre Arbeit verrichteten, dreht sich seit Ende 2022 nur noch ein einziger großer Rotor. Der es aber in sich hat. Denn verglichen mit den Altanlagen hat sich nicht nur die installierte Leistung am Standort von zusammen 2.500 Kilowatt auf 5.600 Kilowatt erhöht, auch der jährliche Energieertrag ist deutlich gestiegen: Von rund fünf Millionen Kilowatt-stunden auf etwa 17,5 Millionen Kilowattstunden.

Gewachsen sind auch die Anlagendimensionen. Von ehemals 65 Metern Nabenhöhe auf aktuell 166 Meter, der Rotordurchmesser wuchs von 40 auf 150 Meter. „Das sind natürlich Dimensionen und Entwicklungen, die den Bürger*innen vor Ort anschaulich erklärt werden müssen“, erinnert sich Atanasov an die Anfänge des Projektes. „Unser Ziel war es daher, möglichst viele Menschen vor Ort für die Vorteile, die ein Repowering mit sich bringt, zu informieren. Entschieden haben wir uns letztlich neben der gezielten Ansprache aller Stakeholder für eine Videodokumentation und ein übergeordnetes Online-Projekttagebuch, das die wichtigsten Projektmeilensteine anschaulich aufbereitet: Vom Abklemmen der bestehenden Stromversorgung über das Recycling der alten Betonfundamente bis zum Ziehen des neuen Maschinenhauses.“

Neben den ideellen Werten bleiben natürlich auch handfeste monetäre Werte in der Gemeindekasse. Schließlich greift im Gegensatz zu den Altanlagen die neu geschaffene Paragraf-Sechs-Reglung des EEG. „Das ist eine gute Sache, weil die Akzeptanz in den Gemeinden dadurch noch steigt, um solchen Anlagen zuzustimmen,“ sagt Wörrstadts Stadtbürger-meister Ingo Kleinfelder. „Und deswegen halte ich das auch für einen richtigen Weg.“

Startschuss auf der Baustelle

Nach intensiver interner Vorarbeit fiel mit Genehmigungserhalt im März 2021 der Startschuss. Zum 1. Mai nahm die Projektgesellschaft an der Ausschreibungsrunde teil und erhielt einen Zuschlag der Bundesnetzagentur für die 5,6-Megawatt-Anlage vom Typ Vestas V150.

Ende September des gleichen Jahres begannen dann die bauvorbereitenden Maßnahmen: Der Übertragungs-netzbetreiber trennte die Altanlagen vom Netz, direkt im Anschluss be-gannen die beauftragten Baufirmen damit, einen Teil des Mutterbodens zwischen den Anlagen abzuschieben, um die alten Kabel aus dem Boden zu holen.

Ende Oktober begann die Demontage der Altanlagen, zunächst des Rotorsterns dann der drei jeweils 21 Meter langen Stahlrohrsegmente eines Turms. Diese wurden direkt vor Ort „transportgerecht“ zugeschnitten und abtransportiert, um anschließend im Stahlwerk eingeschmolzen zu werden.

Nach dem Rückbau wurden die weiteren Anlagenkomponenten mit Schneidbrennern zerkleinert. Auch andere Metallteile wie Generatorring, Hauptträger und Rotornabe werden fachgerecht zerschnitten. So ließen sich die Materialien problemlos wieder dem Wertstoffkreislauf zuführen. 

Das gilt ebenso für die Betonfundamente. Das durch Gesteinsbrecher klein gemahlene Substrat wurde für den Bau der neuen Windturbine verwertet. Die Rotorblätter wurden vor Ort durch eine Spezialfirma fachgerecht zerkleinert und weiterverwertet.

Fundament- und Turmbau, Gondelzug und Inbetriebnahme

Während der Wintermonate pausierten die Arbeiten auf der Baustelle. Mitte Mai 2022 erfolgte der Bau der Zuwegung, der Kranstell- und Lagerfläche. Im Anschluss daran wurde der Fundamentboden mit 98 Säulen, die fünf Meter tief in den Boden ragen, verfestigt und die Sauberkeits-schicht aufgetragen, bevor der aus Stahl bestehende Fundamentkorb mit dem Anschlussflansch (Ankerkorb) für das unterste Turmsegment geflochten wurde.

Dann rollten die Betonmischer: Rund 95 Fahrzeuge mit insgesamt 750 Kubikmeter Beton vervollständigen das Fundament, das einen Durchmesser von 24 Metern und eine maximale Höhe von 2,80 Meter hat.

Ende Juni, Anfang Juli wurde der Betonteil des Anlagenturms errichtet. Knapp eine Woche benötigte das Bauteam für die Montage. Eine Besonderheit des Turmes: Die unteren Elemente sind farblich in Brauntönen gehalten, um einen optisch sanften Übergang zu den umgebenen Getrei-defeldern zu ermöglichen.

Nach einiger Verzögerung aufgrund von Lieferengpässen ging es im November weiter. Zunächst wurden die letzten drei Turmelemente aus Stahl gehoben, dann folgten das Maschinenhaus, der vormontierte Triebstrang mit Getriebe und Generator sowie die Rotorblattnabe.

Zum Abschluss dann das Highlight: Majestätisch schwebten die Wind-fänger Blatt für Blatt bis zur Nabenhöhe von 166 Metern, und dort wurden sie von schwindelfreien Monteuren in Empfang genommen und fest verschraubt. Seite Ende 2022 produziert die Anlage sauberen Strom und leistet einen weiteren wichtigen Beitrag für den Klimaschutz in der Verbandsgemeinde Wörrstadt. Es wird sicherlich nicht das letzte Repowering-Projekt vor Ort.


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