Was lange währt, wird endlich richtig, könnte man sagen. 16 Jahre dauerte es, bis die BGR Fehler in einer von ihr 2005 veröffentlichten Studie zu Infraschallausstößen einräumte – trotz jahrelanger Kritik und Stellungnahmen von Experten wie Dr. Stefan Holzheu von der Universität Bayreuth. Um den Faktor 4.000 hatte sich die Bundesanstalt verrechnet und die Infraschallbelastung von Windenergieanlagen von der sprichwörtlichen „Mücke“ zum „Elefanten“ aufgeblasen. Holzheu konfrontierte die BGR in der Vergangenheit mehrfach mit den falschen Ergebnissen ihrer Studie. Nun endlich das Einlenken der Bundesanstalt. Es war „ein wirklich grober wissenschaftlicher Fehler […], dass die BGR ihre Schalldruckpegel nie mit Messungen anderer Institutionen verglichen hat“, erklärt Holzheu im Interview mit dem BWE Anfang Mai 2021. Bereits 1998/99 im Auftrag des Bayerischen Landesamts für Umwelt wären deutlich niedrigere Infraschallpegel an einer 1­MW Nordex N54 Windkraftanlage gemessen und publiziert worden.

Ein Rechenfehler mit großen Folgen

Die falschen Ergebnisse der Studie waren lange Zeit Argumentationsgrundlage für Antiwindenergie­Initiativen, die teilweise weitreichende Folgen für die Windbranche und Kommunen hatten. Immer wieder beriefen sich diese Initiativen auf vermeintlich gesundheitsgefährdende Infraschallausstöße durch Windenergieanlagen. „Im Grunde bestand bereits vorher Konsens in der Wissenschaft, dass Windenergieanlagen keinen nennenswerten Beitrag zur Infraschallbelastung leisten“, sagt Holzheu zur Korrektur der Studie. „Doch die hohen Pegel der BGR und insbesondere der Auftritt eines BGR­Mitarbeiters im ZDF gaben Windenergiegegnern immer wieder Anlass, an diesem wissenschaftlichen Konsens zu zweifeln.“ Die falschen Berechnungen aus der BGR­Studie hätten so entscheidend dazu beigetragen, Unsicherheit in der Bevölkerung bezüglich Infraschall zu erzeugen. Die BGR bot sich damit als Stichwortgeber für Energiewendegegner an, kritisiert Holzheu. Aber warum ist bzw. war Infraschall lange so ein bedeutendes Thema für Windgegner?

Exkurs: Was ist Infraschall?

Infraschall ist Schall, dessen Frequenz unterhalb der menschlichen Hörflä­che, also unterhalb von 16 Hz liegt. Infraschall kommt überall in der natürlichen Umgebung z. B. durch Meeresrauschen vor, wird aber auch künstlich erzeugt, beispielsweise im Verkehrswesen oder durch technische Geräte. Diese Ausstöße sind jedoch vorwiegend unter der Wahrnehmbarkeitsschwelle des Menschen und haben keine Effekte auf die Gesundheit. Eine aktuelle Experimentalstudie des Umweltbundesamtes (UBA) kommt zu dem Ergebnis, dass Infraschallgeräusche um oder unter der Wahrnehmungsschwelle keine akuten körperlichen Reaktionen bei Menschen auslösen. Auch Windenergieanlagen erzeugen Infraschall, allerdings in so geringer Stärke, dass laut Studien und Messungen von mehreren staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren keine gesundheitliche Gefährdung für Menschen besteht. Das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) hat in einer Langzeitmessung bei WEAs mit 2­3 MW Leistung und 140 m Nabenhöhe gezeigt, dass Infraschall selbst bei einer Entfernung von 200 m zum Windrad deutlich unter der Hör­ und Wahrnehmungsschwelle liegen. Ab einem Abstand von 700 m kann laut Messungen der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden­Württemberg (LUBW) nicht mal mehr eine nennenswerte Zunahme des Infraschallpegels durch eine aktive WEA gemessen werden – im Vergleich zu einer abgeschalteten Anlage.

Infraschall von Windenergieanlagen hat keine gesundheitlichen Auswirkungen

Auch die Auswirkungen von Infraschall auf Anwohner wurden bereits intensiv in Studien untersucht. Unter anderem hat das Verbundprojekt Objektive Kriterien zu Erschütterungs­ und Schallemissionen durch Windenergieanlagen im Binnenland“ (kurz: TremAc) im September 2020 eine Langzeitstudie veröffentlicht, die die Auswirkungen von Infraschall und Bodenerschütterungen untersucht hat. In der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderten Studie konnten die Forscher keinen Zusammenhang zwischen akustischen oder seismischen Wellen und körperlichen oder psychischen Beschwerden plausibel nachweisen. Für die Studie wurden der Windparks Wilstedt und eine Windenergieanlage in Ingersheim untersucht. Geäußerte Symptome von Anwohnern wurden dabei als subjektiv eingeschätzt, da die von den Windenergieanlagen ausgestoßenen Schallamplituden (Infraschall) zu gering waren, um von Menschen spürbar zu sein.

Ausstöße sind kein Grund für Mindestabstände

Auch in der Diskussion um Mindestabstände zu Windenergieanlagen hat die Korrektur der BGR­Studie Bedeutung – auch wenn bereits vorangegangene Studien zeigten, dass Mindestabstände aus gesundheitlichen Gründen keine Begründung haben. „Indirekt könnte und sollte die Korrektur durchaus Auswirkungen auf die Mindestabstandsdiskussion haben“, erklärt Dr. Holzheu. „Das einzige Argument, das Windkraftgegner für einen über BImSchG hinausgehenden Mindestabstand vorbringen konnten, war Infraschall. Das ist jetzt endgültig obsolet.“ Wenn Politiker nun trotzdem Mindestabstände forderten, würden sie dies ohne Begründung tun. Die Akzeptanz würden Mindestabstände jedenfalls nicht erhöhen, so der Wissenschaftler (siehe auch Folgeartikel).

Was bedeutet die Korrektur der BGR­Studie für die Windbranche?

Die Intensität, in der das Thema Infraschall in den vergangenen Jahren die Windbranche und Planungen von Windparks in Diskussionen bestimmte, variierte teils stark. Die Datenlagen wurden immer besser, die Belege für eine nicht­gesundheitsschädliche Wirkung durch Windenergieanlagen immer mehr. Dennoch hatte die Studie der BGR großes Gewicht in der Diskussion zwischen Befürworten und Gegnern der Windenergie: „Solange die hohen Schalldrücke der BGR unkorrigiert im Raum standen, war es schwer, mit anderen wissenschaftlichen Arbeiten dagegen zu argumentieren. Für den normalen Bürger stand ja Aussage gegen Aussage. Jetzt gibt es keine wissenschaftliche Publikation mehr, die relevante Schalldrü­cke belegt“, zieht Dr. Stefan Holzheu Bilanz. In jüngster Vergangenheit sei das Infraschall­Argument jedoch auch immer weniger von der Gegenseite genutzt worden, erzählt Holzheu aus Gesprächen mit Pro­Windenergie­Gruppen. Dass die lange Zeit als Beleg angeführte BGR­Studie nun korrigiert wurde, dürfte diesen Umstand in Zukunft noch verstärken.

Mangelnde Kommunikation und Einbindung der Bürgerschaft vor Ort

So sieht es auch BWE­Geschäftsführer Wolfram Axthelm: „Infraschall war ein wichtiges Argument von Windgegnern und dieses ist mit der Korrektur der Studie nun deutlich relativiert.“ Zwar sei dem BWE kein Windprojekt bekannt, welches speziell durch Infraschall­Vorwürfe verhindert wurde, jedoch hatte das Thema teils starke blockierende Wirkung bei Bürgerversammlungen und Diskussionen vor Ort. „Diese Blockaden entfallen nun endlich“, so Axthelm. Holzheu sieht die Gründe dafür, dass überhaupt „ein Luftargument wie Infraschall auf fruchtbarem Boden fiel“, vor allem an mangelnder Kommunikation und Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern vor Ort. Faire Konditionen und frühe Absprachen zwischen Betreibern und Anwohnern seien das beste Mittel, um Diskussionen mit halbseidenen Argumenten wie gesundheitsschädlichen Infraschallausstößen zu verhindern. Hier sei auch die Windbranche in der Pflicht, so Holzheu.

  1. Umweltbundesamt (UBA): Lärmwirkungen von Infraschallimmissionen, 2020.
  2. Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU): Windenergieanlagen – beeinträchtigt Infraschall die Gesundheit?, 2019.
  3. Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden­Württemberg (LUBW): Bericht „Tieffrequente Geräusche und Infraschall von Windkraftanlagen und anderen Quellen“ veröffentlicht, 2016.
  4. Hübner, Gundula; Pohl, Johannes et al.: Objektive Kriterien zu Erschütterungs­ und Schallemissionen durch Windenergieanlagen im Binnenland, 2020

Dieser Text wurde erstmalig im BetreiberBrief 02/2021 veröffentlicht.


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