Paragraf 6 EEG ist keine neue Erfindung. Bereits seit 2021 ist dieser recht kurze Paragraf Teil des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Doch seit letztem Jahr feiert er seinen Durchbruch, denn mit dem Osterpaket wurden auch Bestandsanlagen in den Gesetzestext aufgenommen. Damit können Anlagenbetreiber Kommunen und Gemeinden am Betrieb ihrer neuen und bestehenden Anlagen finanziell teilhaben lassen. Gerade in Diskussionen um die Errichtung weiterer Windenergieanlagen ist dies ein großer Pluspunkt. Außerdem erhalten Abmachungen, die eventuell bereits getroffen wurden, dadurch nun einen gesetzlichen Rahmen.
Das heißt aber nicht, dass damit alle Probleme aus der Welt geschafft wurden. Denn wie die meisten Gesetze, die für Erneuerbaren Energien gelten, ist auch § 6 EEG mit Einschränkungen, Ausnahmen, Sonderregeln und noch zu klärenden Prozessen verbunden. Daher möchten wir in diesem Artikel unsere Erfahrungen zur bestmöglichen Umsetzung der finanziellen Beteiligung von Kommunen mit Ihnen teilen.
6 EEG – das steckt drin
Paragraf 6 EEG besagt, dass Betreiber von Windenergieanlagen angrenzende Kommunen an den Gewinnen aus der Stromerzeugung beteiligen sollen (eine weitere Änderung des Osterpakets; zuvor wurde hier noch von „können“ gesprochen). So erhofft sich der Gesetzgeber von § 6 EEG, dass die Akzeptanz von Onshore-Windenergieanlagen in Städten und Gemeinden steigt. Paragraf 6 EEG bezieht sich auch auf PV-Freiflächenanlagen, für die bis auf wenige Ausnahmen die gleichen Regeln gelten. Diese haben wir in diesem Artikel aber bewusst ausgeklammert. Folgende Voraussetzungen gelten für die finanzielle Beteiligung von Kommunen:
- Betreiber dürfen maximal 0,2 Cent pro Kilowattstunde an die Kommune zahlen.
- Die Beteiligung von Kommunen gilt nur für Windenergieanlagen an Land ab 1 MW installierter Leistung.
- Es können nur Gemeinden beteiligt werden, die sich innerhalb eines Radius von 2,5 km um eine Windenergieanlage befinden.
- Handelt es sich bei der Umgebung um gemeindefreies Gebiet, so gilt der Landkreis als betroffen. Auch Landkreise können finanziell beteiligt werden.
- Verträge über eine Beteiligung können auch abgeschlossen werden, bevor die Anlage nach Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImschG) genehmigt wurde. Bei PV-Freiflächenanlagen muss aber der Bebauungsplan für die gewählte Fläche bereits beschlossen sein.
- Die ausgezahlten Beteiligungen können Anlagenbetreiber von ihrem zuständigen Netzbetreiber erstattet bekommen, sofern sie für die zugrundeliegenden Strommengen eine EEG-Förderung erhalten haben.
So viel zur Theorie. Wie aber lässt sich die finanzielle Beteiligung in der Praxis am besten umsetzen?
Kommunen rechtssicher finanziell beteiligen
Bei der Umsetzung einer finanziellen Beteiligung gibt es nach unserer Erfahrung drei wichtige Punkte, auf die Anlagenbetreiber achten sollten:
- Die Beteiligung von mehreren Kommunen
- Die richtige Umsetzung von Verträgen
- Die Rückerstattung von Zahlungen für EEG-geförderte Strommengen
Mehrere Kommunen beteiligen
Schauen wir uns als Erstes an, was passiert, wenn der 2,5 km-Radius der Windenergieanlage das Gebiet mehrerer Kommunen schneidet. Das ist gar nicht so unwahrscheinlich: Unsere aktuelle Flächenanalyse zeigt, dass durchschnittlich 3,6 Gemeinden pro Windenergieanlage finanziell beteiligt werden können, teilweise sogar bis zu 14.
Für die Flächenanalyse haben wir im Marktstammdatenregister alle registrierten Windenergieanlagen mit über 1 MW installierter Leistung herangezogen und diese mit Geodaten zu den Gebieten aller Gemeinden und Kommunen im Maßstab von 1:250.000 abgeglichen.
Schneidet der 2,5 km-Radius der Windenergieanlage das Gebiet mehrerer Gemeinden, sieht § 6 EEG vor, dass allen Kommunen eine Beteiligung angeboten werden muss, sobald der Anlagenbetreiber dies auch nur einer Kommune oder Gemeinde anbietet. Die gesamte Beteiligung aller Kommunen ist in Summe auf die 0,2 ct/kWh gedeckelt. Dieser Betrag (oder ein niedrigerer Betrag) wird auf alle beteiligten Kommunen aufgeteilt, entsprechend ihrem Anteil am Anlagenumkreis.
Da Kommunen das Recht haben, eine Beteiligung abzulehnen, sollte vorher festgehalten werden, wie in diesem Falle die festgelegte Beteiligung vergeben wird. Hier gibt es zwei Möglichkeiten:
- Der Betrag, der zuvor für die Gemeinde, die abgelehnt hat, vorgesehen war, wird anteilsmäßig auf die anderen Gemeinden verteilt.
- Der Betrag wird nicht ausgezahlt, der Auszahlungsbetrag für die restlichen Gemeinden ändert sich dadurch nicht.
Verträge rechtssicher aufsetzen
Wissen Anlagenbetreiber, wie viele Kommunen sie beteiligen müssen, können die Verträge dafür aufgesetzt werden. Abgesehen von den Einschränkungen, wann und wo eine Beteiligung möglich ist, gibt § 6 EEG keine Rahmenbedingungen für die Verträge zwischen Kommunen und Betreibern vor. Erste Musterverträge wurden bereits aufgesetzt und werden von verschiedenen Verbänden und Interessensgemeinschaften bereitgestellt. Nicht jeder dieser Musterverträge berücksichtigt dabei die Interessen der Betreiber gleichermaßen. Daher raten wir: ob Mustervertrag, Vorschlag der Kommune oder eigenes Rechtswerk, diese Punkte sollten auf jeden Fall in einem Beteiligungsvertrag geklärt werden:
Zahlungszeitraum
Im Vertrag sollten Anlagenbetreiber festlegen, für welchen Zeitraum und bis wann sie den Kommunen ihre Beteiligung überweisen. Aus unserer Sicht ist ein Abrechnungszeitraum vom 01.11. bis 30.10. des Folgejahres praktikabel, mit Zahlung zum 15.12. Das lässt Anlagenbetreibern genug Zeit, die Strommengen und Beteiligungen zu berechnen, zu bezahlen und die Rückerstattung beim Netzbetreiber (bis zum 28.02.) zu beantragen.
Betroffene Mengen
Ein wichtiger Punkt, der vertraglich geklärt werden muss, ist, ob Anlagenbetreiber Kommunen nur an den tatsächlich eingespeisten Strommengen oder auch an fiktiven Mengen beteiligen. Wir raten aus vier Gründen dazu, fiktive Mengen bei der Beteiligung auszuklammern:
- Fiktive Strommengen, die aufgrund von technischer Nicht-Verfügbarkeit oder marktbedingter Drosselung anfallen, werden seit 2017 in einem Fünf-Jahre-Intervall erhoben. Daher müssten Anlagenbetreiber alle fünf Jahre die bis dahin geleisteten Gutschriften auf Basis dieser Erhebung korrigieren und erneut abrechnen.
- Bei einer Abregelung im Rahmen einer Redispatch-2.0-Maßnahme liegen nach unserer Erfahrung lange Wartezeiten zwischen dem Abregeln und der Information, wie viel (fiktiver) Strom dem Betreiber gutgeschrieben wird. In diesem Fall kann der zuvor vereinbarte Zahlungszeitraum nicht eingehalten werden.
- Noch ist nicht abschließend geklärt, ob bei fiktiven Mengen ein Anspruch auf Rückerstattung besteht. Eine erste Antwort der Clearingstelle EEG/KWK deutet daraufhin, dass fiktive Mengen nicht erstattet werden. Eine endgültige Aussage dazu wird es frühestens Ende Juni geben.
- Fiktive Strommengen spielen in den allermeisten Fällen im Vergleich zur tatsächlich eingespeisten Strommenge nur eine geringe Rolle. Klammern Anlagenbetreiber die fiktiven Strommengen bei der Beteiligung aus, sparen sie sich damit viel Aufwand und Unsicherheiten.
Fiktive Strommengen
Fiktive Mengen fallen an, wenn eine Anlage im Zuge einer Redispatch 2.0-Maßnahme oder vom Direktvermarkter abgeregelt wurde oder wenn die Nichtverfügbarkeit der Anlage 2 % des Bruttostromertrages überschreitet. Zum Ausgleich werden dem Anlagenbetreiber Strommengen zugeschrieben, die die Anlage in dieser Zeit erzeugt hätte und auch vergütet.
Kündigungsmöglichkeit
Das Kündigungsrecht kann in der Praxis zu einigen Diskussionen führen. In den Musterverträgen werden Kommunen unterschiedliche Kündigungsrechte eingeräumt, zum Beispiel zu jedem Monatsende. Für Betreiber dagegen gibt es kaum Kündigungsrechte. Dies soll verhindern, dass Kommunen die Verträge ablehnen, da sie fürchten, dass die Betreiber kurze Zeit nach Genehmigung der Anlagen aus der Beteiligung austreten. Dennoch sollten Betreiber auf einige Kündigungsgründe für sich bestehen, dazu gehören:
- Eine Kündigung sollte möglich sein, falls § 6 EEG in der aktuellen Fassung als verfassungswidrig eingestuft wird oder nicht mit dem Europarecht vereinbar ist.
- Eine Kündigung von Seite des Betreibers ist möglich, wenn sich das Gemeindegebiet ändert.
- Außerdem sollten Betreiber den Vertrag aufkündigen können, wenn die wirtschaftliche Lage sich zum Negativen verändert und die Beteiligung die Rentabilität der Anlage gefährdet.
Beträge zurückerstatten
Da auch der Staat ein Interesse daran hat, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen, sollen die Betreiber mit der finanziellen Zusatzlast nicht allein gelassen werden. Daher sieht § 6 EEG in Absatz 5 vor, dass Betreiber die gesamte oder einen Teil der finanziellen Beteiligung von den Netzbetreibern zurückerhalten. Dies ist allerdings nur für bestimmte Strommengen möglich. Denn erstattet wird eine Beteiligung der Kommunen nur für die Kilowattstunden, die EEG-förderberechtigt sind und diese Förderung erhalten haben. Anlagen in einem PPA oder in der sonstigen Direktvermarktung erhalten also keine Erstattung.
Betreiber mit EEG-förderberechtigten Anlagen müssen gegenüber ihrem Netzbetreiber nachweisen, für welche Strommengen sie die Förderung erhalten haben und einen Antrag auf Erstattung der für diese Strommengen ausgezahlten Beteiligung bis zum 28. Februar bei ihrem Netzbetreiber einreichen. Die Netzbetreiber erstatten die Zahlungen dann im Rahmen der Endabrechnung.
In welcher Form die Erstattung beantragt werden muss, ist allerdings noch nicht abschließend festgelegt, der Prozess wird zwischen den Beteiligten noch ausgearbeitet.
Kommunikation mit den Kommunen
Ob neue oder Bestandsanlagen, eine oder drei Kommunen – am wichtigsten bei der finanziellen Beteiligung ist eine offene und transparente Kommunikation mit den Gemeinden und Kommunen. Denn auch bei der Umsetzung der finanziellen Beteiligung, und vor allem der Rückerstattung, sind Anlagenbetreiber auf die Mitarbeit der Kommunen angewiesen. Mit einer von Anfang an offenen Kommunikation wird die finanzielle Beteiligung zu einer Win-win-Situation für alle Seiten: Kommunen erhalten einen Zuschuss für ihre (teils klammen) Kassen und Anlagenbetreiber bekommen mehr Unterstützung und Zuspruch bei der Umsetzung neuer Anlagen.
Über die Autorinnen
M. Sc. Lucia Rupp, Jahrgang 1994, Business Analyst Wind und PV bei node.energy GmbH, machte ihren Abschluss 2018 an der Universität Kassel im Fach Regenerative Energien und Energieeffizienz. Sie ist seit 2017 in der Energiebranche tätig. Ihr Schwerpunkt liegt in der Bewertung wirtschaftlicher, technischer und regulatorischer Aspekte von Geschäftsmodellen regenerativer Energien.
B. Sc. Paulina Würth, Jahrgang 1990, machte ihren Abschluss an der HS Bonn-Rhein-Sieg im Fach Technikjournalismus/ PR. Sie ist seit über einem Jahr zuständig für den Blog von node.energy und schreibt für diesen Fachartikel zu allen Themen rund um die Erneuerbaren Energien.
Dieser Beitrag erschien im BWE-BetreiberBrief 1-2024.
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