NRW-Umweltstaatssekretär Dr. Heinrich Bottermann wies daraufhin, dass zahlreiche, durch Borkenkäferkalamität brach liegende Nadelwaldflächen, ein großes Potenzial böten, da sie zur Errichtung von Windenergieanlagen besonders geeignet seien.
„Die Kipppunkte im Klimasystem sind nahezu erreicht, der Jetstream verändert seine Bahnen, wir haben bisher weder geopolitische Unabhängigkeit noch Klimaschutz erlangt. Darum müssen wir jetzt massiv in die Umsetzung gehen“, mahnte Bernd Heinrich, Leiter des Fachressorts Bioenergie beim Kuratorium für Waldarbeit und Forsttechnik (KWF), vor den über 250 Teilnehmern. Damit dies gelinge, müsse sich die Forstbranche endlich der Windenergie öffnen.
Auch Lars Rotzsche, Landesvorstand BWE Hessen, machte beim Workshop in Arnsberg deutlich, dass Wind- und Forstbranche stärker in den Dialog treten sollten. Am Beispiel des Windparks Stiftswald zeigte er: „Mehr als 3.000 Menschen sind mit sechs Bürgerenergiegenossenschaften am Wind-park beteiligt, dadurch haben wir in der Region eine sehr hohe Akzeptanz.“ Überdies benötigt ein Windrad mit 5 MW Leistung nur ein Hektar Fläche, erzeugt 17 Millionen kWh sauberen Strom pro Jahr und vermeidet rund 10.000 Tonnen CO2 – 400-mal mehr, als ein Hektar gesunder Buchen-wald überhaupt speichern kann. Aufgrund des Klimawandels nehmen unsere Wälder heute jedoch weniger CO2 auf als noch vor 20 Jahren. Rotzsche wies zudem darauf hin, dass sich unsere Wälder in einem schlechten Erhaltungszustand befinden und personelle wie finanzielle Ressourcen für eine schnelle und klimaresistente Aufforstung fehlen.
Rotmilan: kontroverse Debatten
Monika Agatz vom Landesbetrieb Wald und Holz informierte über pla-nungsrechtliche Hürden im BImSchG-Verfahren sowie über notwendige Umweltverträglichkeitsprüfungen. Seit mehr als 20 Jahren beschäftigt sich Agatz im Kreis Borken mit Genehmigungen von WEA und weiß um deren Komplexität und Problematik. „Die Stimmung hat sich verändert, viele unserer Gemeinden sind inzwischen aufgeschlossen für die Errichtung von Windenergie im Forst.“ Der anschließende Vortrag zur Rotmilan-Telemetrie von BWE Vizepräsident Joachim Wierlemann entfachte im Chat eine kontroverse Debatte. Noch immer erhitzt der majestätische Vogel die Gemüter und ist einer der häufigsten Gründe, Windenergie im Wald zu verhindern.
Regionale Wertschöpfung schafft Akzeptanz
Antonius Wiesemann sieht für Waldbesitzer eine düstere Zukunft und geht sogar davon aus, dass etliche ohne zusätzliche Erlöse nicht durchhalten. „Unsere Stadt ist Waldeigentümer und verfügt über 322 Hektar. Der Wald war stets eine gute Einnahmequelle, bis Kyrill kam. Wir verloren über
90 Hektar. Trockenheit, Borkenkäfer und Starkregen setzten ihm weiter zu.“ Der Bürgermeister von Neuenrade zeigte auf, welche Vorteile die Beteili-gung an Windenergieanlagen (WEA) bringen kann. Denn seit der Fertigstel-lung von 6 Anlagen in 2016 hat sich die finanzielle Lage entspannt. „Unsere Kommune hat wieder regelmäßige Einnahmen, damit können wir eine ganz andere Kulturpflege betreiben und die gesamte Wertschöpfung bleibt hier. Das erhöht die Akzeptanz für Windenergie enorm.“
Praxisnah: Windparkführung am Kohlberg
Die stockende Energiewende sowie die geopolitische Diskussion um die Unabhängigkeit von Energieimporten hat eine neue Dimension eröffnet und das Interesse am Thema Wind im Wald verstärkt. So meldeten sich neben Forstleitern und Privatwaldbesitzern auch zahlreiche Bürgermeis-ter und Landräte an. Ihr Feedback war durchweg positiv. Gelobt wurde das vielfältige und praxisnahe Programm, das die komplexe Thematik aus unterschiedlicher Sicht beleuchte. Die Veranstaltung, die eine Windpark-führung am Kohlberg (Balve-Neuenrade) beinhaltete, fand in Kooperation mit SL Naturenergie statt. Während der Exkursion am Nachmittag wurden gezielt Fragen zum Genehmigungsverfahren und Anlagenbau gestellt.
Workshop mit Teilnehmerrekord
Mit über 260 Anmeldungen hatte niemand gerechnet, die wenigen Präsenzplätze waren schnell vergeben. Ergo musste der vom Landesverband Hessen gemeinsam mit dem KWF konzipierte eintägige Workshop – mit Unterstützung des NRW-Umweltministeriums – als Hybrid-Event durch-geführt werden. Der Auftakt für diese erfolgreiche Workshopreihe fand bereits im Herbst 2021 im Kaufunger Wald statt. Aufgrund des großen Interesses und um den Dialog zwischen Wind- und Forstbranche zu inten-sivieren, sind bereits zwei weitere Workshops (NRW & Hessen) in Planung.
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