Seit dem Entwurf der Bundesregierung vom 23.09.2020 für ein EEG 20211 halten die Diskussionen an. Der BWE hat in vielen Veranstaltungen die geplanten Änderungen eingeordnet und umfangreich Stellung genommen2. Dieser kurze Artikel setzt vier Schlaglichter auf den aktuellen Entwurf:
1. Experimentierfreudigkeit und Klimaschutz
a) Das EEG ist kein Selbstzweck. Es dient dem Klimaschutz als einer der zwei großen Menschheitsaufgaben3 im Umweltschutz, die uns alle umtreiben. In einer auch von den Umweltverbänden angeprangerten Ausbausituation der Windenergie mit einem drohenden Netto-Rückbau4 bedarf es aller Anstrengungen, um möglichst viel Strom aus Erneuerbaren Energien („EE“) ins Netz zu bekommen.
Fridays for Future („FFF“) würde also diesen Gesetzesentwurf vielleicht wie folgt prüfen: (1) Kann die jeweilige Neuerung zu weniger Strom aus Erneuerbaren Energien führen? (2) Wenn ja: Ist sie unbedingt erforderlich? (3) Wenn nein: Was spricht in diesem schnell durchgepeitschten Gesetzgebungsverfahren5 für eine solche
Änderung???
Damit gerät u.a. der vielfach kritisierte Entwurf des neuen § 51 in den Blick: Bekanntermaßen soll nun schon eine Vergütung von Strom ausgeschlossen sein, wenn die Strombörse mindestens eine Stunde in Folge negativ ist (bislang: mindestens sechs). Die Bundesregierung schreibt dazu: „Anlagenbetreiber müssen künftig eigene Wege finden, sich gegen Negativpreisphasen abzusichern, indem sie z.B. Kooperationen mit Speicherbetreibern eingehen, neue Anlagentechnik einsetzen, die eine stetigere Stromproduktion ermöglicht, oder Absicherungsgeschäfte am Stromterminmarkt tätigen. Es wird ein Wettbewerb um die besten Konzepte entstehen (…).“ 6
Das aber ist nichts anderes als eine „Wette auf die Zukunft“. Es gibt derzeit keine hinreichenden Speicherkapazitäten, keine flächendeckende „neue Anlagentechnik“ etc. Bis es sie gibt, wird der neue § 51 zu einem „Mehr“ an Abschaltungen bei negativen Preisen führen. Es geht also CO2-freier Strom verloren. Weshalb? Um zu experimentieren, ob dadurch sinnvolle Anreize entstehen und wie schnell sich der Markt anpasst!
Zwar soll ein Gesetz zur Energiewende auch Innovationen anstoßen. Das aber muss mit Augenmaß geschehen. Gerade die Windenergie steckt in einer nie dagewesenen Zubaukrise. Mit den Unklarheiten bzgl. der Vergütung von Ü20-Anlagen droht zudem ein massiver Entfall von Kapazitäten regenerativer Stromerzeugung.
In einer solchen Phase sollte der Gesetzgeber das Experimentieren sein lassen, wenn es Einspeisung kosten kann. Er sollte die Änderung des § 51 zurückstellen und sich für eine künftige Novelle Gedanken darüber machen, wie er den Rückgang CO2-freier Stromproduktion verhindern und Innovationen anreizen kann.
Kurz vor Redaktionsschluss dieses Artikels haben sich die Regierungsfraktionen offenbar auf eine Kompensation der Nachteile des neuen § 51 geeinigt. Die Summe der „negativen Stunden“ soll die Vergütungsdauer verlängern. Der Liquidität insbesondere in den Jahren der Bankfinanzierung hilft das nicht, aber ein Schritt in die richtige Richtung könnte es sein.
b) Ein ähnliches Beispiel – wenn auch wohl nicht ganz so riskant – betrifft die Änderungen der Anlage 1. Die Höhe der Markprämie soll zukünftig nach dem sog. Jahresmarktwert berechnet werden. Nach derzeitigem Stand betrifft das auch die Ü20-Anlagen.
Die Bundesregierung bezweckt auch hiermit einen marktbezogenen Anreiz: „Es soll (…) nicht nur möglichst viel, sondern auch zu möglichst sinnvollen Zeiten Strom erzeugt werden.“7 Für die Betreiber bedeutet dies, dass sie sich gemeinsam mit den finanzierenden Banken auf eine bislang unbekannte Größe einstellen müssen. Wieder muss jemand die Zukunft modellieren und überlegen, was dies für das durchschnittliche Vergütungsniveau bedeuten würde. Dabei ist natürlich die Beeinflussbarkeit der Stromproduktion für Windenergie und PV besonders gering. Weshalb also gerade jetzt bei einer drohenden Ökostromlücke dieses Experiment? Diese Frage werden uns die jungen Leute von FFF zu Recht stellen!
2. Monitoring über den Tellerrand
Deutliches Lob verdient der Gesetzesentwurf für die Kombinationen aus den neuen Ausbau- und Strommengenpfaden in den §§ 4 und 4 a des Entwurfs und den §§ 97 bis 99 zum neu einzurichtenden BundLänder-Kooperationsausschuss sowie zum jährlichen Monitoring der Zielerreichung. Die Einzelwerte der Ausbau- und Strommengenpfade dürften zwar deutlich zu niedrig sein, um die Klimaziele zu erreichen. Dass aber überhaupt solche monitoringfähigen Pfade in das Gesetz aufgenommen werden und dass dann ein jährliches Monitoring zur Zielerreichung mit detailliert geplanten Kontrollmaßnahmen erfolgt, ist von größter Bedeutung.
Insbesondere hat die Bundesregierung verstanden, dass Zielerreichung etwas mit Flächenbereitstellung zu tun hat.
Deshalb reicht dieses Monitoring über den Tellerrand hinaus: Es verpflichtet die Länder zu detaillierten Berichten über für die Windenergie bereitgestellte Flächen, über die Bereitstellung eigener Flächen für die Windenergie und über potenzielle Aufholmaßnahmen, wenn die Zielerreichung gefährdet ist.
Das ist ein deutlicher Schritt nach vorn im Hinblick auf eine Verstetigung des Ausbaus. Die Länder sollten dies akzeptieren und diesen konstruktiven jährlichen Denkanstoß positiv begleiten.
3. Leistungsupdates für alle
Fast uneingeschränkt erfreulich sind die Entwurfsregelungen zu Leistungsupdates. Danach sollen Zuschläge auch für eine um bis zu 15% höhere
Leistung gelten (Änderung des § 22). Wer ein umfangreicheres Update
will, kann sich einen Zusatz-Zuschlag holen (neuer § 36j). Im Detail besteht hierzu noch Gesprächsbedarf, aber die Richtung stimmt! Besonders
erfreulich: Dies alles soll auch für Bestandsanlagen gelten, die bei Inkrafttreten der Neuregelungen schon in Betrieb waren (Änderung des § 100).
4. Sektorkopplung als Betreiberperspektive
Vollständig enttäuschend ist der bisherige Entwurf im Hinblick auf die Sektorkopplung. Der Bundesrat hat dies verstanden. Er hat ein ganzes Paket von Maßnahmen der Sektorkopplung vorgeschlagen – mit konkreten Formulierungsvorschlägen8.
Dazu gehören eine betreiberfreundlichere Regelung für Strommengen zur Erzeugung speicherbarer Energieträger wie Wasserstoff oder Warmwasser in § 21b, ein Festschreiben des vom BWE seit Jahren geforderten Prinzips „Nutzen statt Abregeln“ in § 13a EnWG und eine sektorkopplungsfreundliche Änderung des EEG Umlagesystems. Dazu gehört insbesondere auch eine Übernahme des im Auftrag des BWE entwickelten Marktentwicklungsmodells in einen neuen § 79b des EEG, das wirklich die Marktintegration vorantreiben und Unternehmen den Direktbezug von EE-Strom ermöglichen würde9. So geht Energiewende!
Ebenfalls kurz vor Redaktionsschluss dieses Artikels gab es offenbar eine Einigung der Regierungsfraktionen auf eine Umlagebefreiung für grünen Wasserstoff. Wasserstoff hat „Konjunktur“ – aber zielscharfe Sektorkopplung ist das noch nicht.
Fazit
- Der Klimaschutz duldet keine Experimente. Deshalb muss insbesondere die Änderung des § 51 unterbleiben.
- Klimaschutz erfordert Monitoring und Flächen für die Erneuerbaren, was die Bundesregierung mit dem Entwurf umsetzen will.
- Erfreulich sind die Entwurfsregelungen zu Leistungsupdates.
- Nach Jahren des Redens braucht die Energiewende nun zwingend die Sektorkopplung. Ringen wir gemeinsam darum, dass das EEG 2021 ein starkes Instrument für den Klimaschutz wird!
Quellen
1 BT-Drs. 19/23482, https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/234/1923482.pdf
2 Alle Stellungnahmen unter https://www.wind-energie.de/aktuelles/eeg-aktuell/
3 Die zweite ist bekanntermaßen die Bedrohung der Biodiversität.
4 https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/energiewende/Thesenpapier_Windenergie_Umweltverbaende.pdf
5 Aus beihilferechtlichen Gründen muss das EEG 2021 am 01.01.2021 in Kraft treten.
6 Entwurf gem. Fußnote 1, S. 121
7 Entwurf gem. Fußnote 1, S. 140
8 BR-Drs. 569/20 www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2020/0501-0600/569-20(B).pdf?__blob=publicationFile&v=1
9 www.wind-energie.de/fileadmin/redaktion/dokumente/publikationen-oeffentlich/themen/03-sektorenkopplung/20180417_ikem_studie_marktentwicklungsmodell_und_kurzgutachten_vereinbarkeit.pdf
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