Die Energiepreise sind nach wie vor stark in Bewegung. Das birgt angesichts eines durchschnittlichen Marktwertes (Wind an Land) von ca. 14,5 Cent pro Kilowattstunde im ersten Quartal 20221 zwar durchaus wirtschaftliche Chancen, stellt Marktteilnehmer wie Energieversorger und Direktvermarkter aber auch vor immense Herausforderungen und führt in Extremfällen sogar zu Insolvenzen. Angesichts des Umstandes, dass Windenergieanlagen unabhängig davon, ob sie über das EEG gefördert werden oder nicht, gegenwärtig im Regelfall direktvermarktet werden, spielt trotz gesetzlich garantierter Förderansprüche die Zahlungsfähigkeit des eigenen Direktvermarkters auch für die Windmüller eine entschei-dende Rolle – vor allem dann, wenn die Marktprämie aufgrund hoher Börsenstrompreise wie aktuell bei null liegt und die gesamte Vergütung letztlich vom Direktvermarkter kommt.
Supergau Insolvenz
Von wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Direktvermarktes wird ein Anlagenbetreiber im Regelfall erst mit erheblicher zeitlicher Verzöge-rung erfahren; nämlich dann, wenn erste Zahlungen für die gelieferten Strommengen ausbleiben. Angesichts einer vielfach nachlaufenden Ver-gütung, die oftmals erst zur Mitte des auf die Stromlieferung folgenden Monats fällig wird, stehen damit beträchtliche Beträge zur Disposition. Besonders ärgerlich wird es, wenn der Anlagenbetreiber bei Abschluss des Direktvermarktungsvertrages – wie zuletzt durchaus nicht unüb-lich – auf die Stellung einer ausreichenden Sicherheit verzichtet oder es versäumt hat, die ursprünglich vereinbarte Sicherheit an die aktuellen Strompreise anzupassen.
Wird die prekäre Lage des Direktvermarkters einmal offensichtlich, stel-len sich dem Anlagenbetreiber eine ganze Reihe von Fragen: Bekomme ich die offenen Vergütungen noch? Was kann und muss ich zur Quote anmelden, und kann ich mich vom Direktvermarktungsvertrag lösen? Die Ratlosigkeit ist in solchen Situationen erfahrungsgemäß hoch.
Auswirkungen der Insolvenzöffnung auf den Direktvermarktungsvertrag
Der Direktvermarkter selbst ist dann häufig keine große Hilfe, zumal meist zwischenzeitlich ein (vorläufiger) Insolvenzverwalter bestellt wur-de. Das wirft die Fragen danach auf, welche Folgen die Zahlungsunfähig-keit und eine hiermit verbundene Insolvenzeröffnung für den Direktver-marktungsvertrag haben.
Verträge, die wie im Fall einer laufenden Direktvermarktung bei Insol-venzeröffnung noch nicht vollständig beiderseitig erfüllt waren, laufen weiter und damit auch die Rechte und Pflichten für beide Parteien aus diesen Verträgen. Die Insolvenzeröffnung per se gibt den Vertragspart-nern mithin im Regelfall kein Recht auf Beendigung eines solchen Ver-trages, auch nicht zur außerordentlichen Kündigung.
Allerdings besteht gem. § 103 InsO ein Wahlrecht des Insolvenzver-walters, ob diese Verträge weiterhin erfüllt werden und entsprechend Erfüllung auch vom Vertragspartner verlangt wird oder ob die Erfüllung abgelehnt wird – das sog. Erfüllungswahlrecht. Der Insolvenzver-walter muss sich auf Aufforderung des Anlagenbetreibers unverzüglich hierzu erklären. Vielfach berufen sich Insolvenzverwalter allerdings darauf, dass das Wahlrecht erst nach der Gläubigerversammlung aus-geübt werden könne. Solange werden diese Verträge „in der Schwebe“ gehalten. Soweit sich der Insolvenzverwalter aber für die weitere Er-füllung eines Vertrages entscheidet, müssen beide Vertragspartner den Vertrag mit allen Rechten und Pflichten erfüllen und die Ansprüche des Kunden aus dem Vertrag werden zu Masseforderungen „aufgewertet“. Entscheidet er sich indes gegen die weitere Vertragserfüllung, bleibt der Vertrag selbst zunächst bestehen und der Vertragspartner kann Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung des Vertrages nur zur Insolvenztabelle anmelden.
Bloß weg damit! – Außerordentliche Kündigung?
Viele Anlagenbetreiber werden angesichts der finanziellen Unsicherheit daher den Impuls verspüren, sich so schnell wie möglich vom Direktver-marktungsvertrags zu lösen. Die Frage ist nur: Wie?
Das nach wie vor in zahlreichen Verträgen vorzufindende außerordent-liche Kündigungsrecht für den Fall der Insolvenz eines Vertragspartners ist nach der Rechtsprechung des BGH wegen Verstoßes gegen § 103 InSO generell unwirksam. Gleichwohl kann sich ein Recht zur außerordent-lichen Kündigung unter anderen Gesichtspunkten, wie etwa dem Zahlungsverzug, ergeben. Hier werden die Anlagenbetreiber aber zu be-achten haben, dass gängige Direktvermarktungsverträge im Regelfall ein sehr formales Procedere für eine außerordentliche Kündigung im Fall des Zahlungsverzugs vorsehen. Im Zweifel sind hier wiederholte schriftliche Mahnungen erforderlich. Das kostet abermals wertvolle Zeit. Betroffene Anlagenbetreiber sollten sich daher frühzeitig über die ihnen zu Gebote stehenden Handlungsoptionen informieren und ihre Verträge sorgfältig lesen oder prüfen lassen.
Angesichts der aktuellen Strompreise ist jedenfalls nicht dazu zu raten, ohne rechtliche Beratung ohne weiteres einen anderen Direktvermarkter zu beauftragten oder gar die Lieferung einzustellen. Das kann zu erheb-lichen Schadensersatzforderungen führen, wenn der Direktvermarkter deswegen etwa teure Regelenergie zukaufen muss.
Was sagt das EEG?
Soweit eine Kündigung zulässig ist oder der Insolvenzverwalter – was durchaus nicht selten vorkommt – einer Beendigung des Vertrages zustimmt, stellt sich die Frage: Wie weiter? Sofern die Anlagen (noch) nach dem EEG gefördert werden, kommt ein Wechsel der Vermarktungsform oder des Direktvermarkters in Betracht. Von Rechts wegen ist nach den Vorgaben des EEG der Vermarkterwechsel jederzeit möglich. In der Realität nehmen nötige Meldeprozesse und die Installation von Fernsteuereinrichtungen zum Teil jedoch bis zu sechs Wochen in Anspruch. Der nötige zeitliche Vorlauf sollte daher stets im Blick behalten und mit einem potenziellen neuen Direktvermarkter vorab geklärt werden. Der gerade für Altanlagen mit einer Inbetriebnahme vor dem 01.01.2016 mögliche Wechsel in den sicheren Hafen der Einspeisevergütung bedeutet im Regelfall ebenfalls einen erheblichen Zeitverlust. Grundsätzlich ist der Wechsel der Vermarktungsform nämlich nur zum Ersten eines Monats möglich. Zudem müssen Anlagenbetreiber dem Netzbetreiber noch vor Beginn des jeweils vorangegangenen Kalendermonats mitteilen, dass sie die Vermarktungsform wechseln wollen. Je nachdem, wann die Zahlungsunfähigkeit des Direktvermarkters auffällt, gehen dabei im Zweifel (bis zu) zwei Monate ins Land.
Für derartige Fälle hat der Gesetzgeber die sogenannte Ausfallvergü-tung vorgesehen, bei der ein Wechsel der Vermarktungsform mit einer verkürzten Frist zum fünftletzten Werktag des Vormonats möglich ist. Allerdings werden in der Ausfallvergütung nur 80 Prozent des anzu-legenden Wertes gezahlt, und dies auch nur für einen sehr begrenzten Zeitraum von max. sechs Monaten im Jahr und drei Monaten am Stück. Im Zweifel ist aber ein derartiger Minimalgeldfluss immer noch besser, als ein gänzlicher Vergütungsausfall. Zu beachten ist jedoch, dass diese Vermarktungsform von ausgeförderten Windenergieanlagen nicht in An-spruch genommen werden kann.
Es könnte so einfach sein, ist es aber nicht!
Auch abseits der gesetzlich eröffneten Wechselmöglichkeiten sind eine Reihe von Regularien einzuhalten:
Zunächst ist es in der Praxis mittlerweile häufig so, dass die Direktver-markter oftmals die Maßnahmen des Redispatch 2.0 oder auch Mess-dienstleistungen übernehmen. Im Fall der Beendigung der Vertragsbeziehungen mit dem Direktvermarkter muss deshalb sichergestellt werden, dass der Anlagenbetreiber die diesbezüglich an ihn gestellten gesetz-lichen Anforderungen auch weiterhin einhält. Die Netzbetreiber sind – auch bei einem Wechsel in die Einspeise- oder Ausfallvergütung – hierfür nicht ohne weiteres zuständig. Anlagenbetreiber müssen sich in diesem Zusammenhang also rechtzeitig um Ersatz kümmern.
Darüber hinaus ist gerade ein Wechsel in eine andere Vermarktungsform an sehr formale Voraussetzungen geknüpft. Die Wechselmitteilung hat nämlich grundsätzlich nach Maßgabe der Marktprozesse für erzeugende Marktlokationen (MPES) zu erfolgen und setzt u. a. eine Datenmeldung im EDIFACT-Format voraus. Dies wiederum erfordert eine bestimmte Software, über die die Anlagenbetreiber im Regelfall nicht verfügen. Die Bundesnetzagentur hat für diesen Fall mit dem Beschluss BK6-114-110 allerdings eine Ausnahme vorgesehen und lässt insoweit eine Mel-dung per E-Mail im Excel-Format zu. Wenn diese Ausnahme auch bereits aus dem Jahr 2015 stammt und deshalb maßgeblich auf das EEG 2014 ausgerichtet war, ist letztlich kein Grund ersichtlich, dass die Festlegung nicht auch heute noch Geltung beanspruchen können sollte. Jedenfalls hat sich die Sachlage gerade im Fall der Insolvenz des Direktvermarkters seit 2015 nicht wesentlich geändert.
Gerade im Fall der Insolvenz des Direktvermarkters muss zügiges und umsichtiges Handeln also höchste Priorität haben. Anlagenbetreiber tun daher gut daran, sich hier rechtlichen Rat einzuholen.
Dieser Beitrag wurde erstmals im BWE BetreiberBrief 2/2022 veröffentlicht. Hier kostenfrei anmelden.
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