Frau Baur, Herr Sondershaus, Mitte Juni ist der Mustervertrag zur kom-munalen Beteiligung veröffentlicht worden. Verbände der Kommunen und der Energiewirtschaft – u. a. der BWE – haben diesen zusammen mit Hilfe der FA Wind erarbeitet. Welche Auswirkungen erwarten Sie durch den Mustervertrag für die Betreiber von Windparks und ihren Arbeitsalltag?

Baur: Ich denke, durch den Mustervertrag kann es auf Betreiberseite zur Routine werden, Gemeinden an Windenergieprojekten finanziell profi-tieren zu lassen. Sie haben nun ein rechtssicheres und ausgeglichenes Vertragsmuster an der Hand, das sie ohne große Verhandlungen mit den Gemeinden abschließen können. Damit wird den Betreibern zum einen erleichtert auf die betroffenen Gemeinden zuzugehen, aber es kommt voraussichtlich auch zum effizienteren Einsatz von Ressourcen durch einfachere Vertragsverhandlungen. Der Mustervertrag wird schließlich von allen Verbänden, die in unserem Arbeitskreis zur Entwicklung des Mustervertrags Mitglied sind, empfohlen.

Sondershaus: Meiner Ansicht nach wird vielerorts eine neue Qualität der Kommunikation mit Kommunen notwendig – und zwar gegenüber allen be-troffenen Gemeinden, also sowohl Standort- als auch Nachbargemeinden.
Diese neue Qualität frühzeitiger Kommunikation sollte sich auch auf das Projektmanagement und den Arbeitsalltag auswirken. Das gilt auch für die Folgen einer erfolgreichen Umsetzung des § 6 EEG 2021 vor Ort: Unterstützen die betroffenen Gemeinden das Projekt, wirkt sich das natürlich positiv auf die gesamte weitere Projektentwicklung aus.

Frau Baur, welche juristischen Punkte müssen Betreiber und Kommunen beachten hinsichtlich des Vertrags? Sind Themen wie Änderungen des Gemeindegebiets bei mehreren Anrainerkommunen oder die Ermittlung der relevanten Strommengen, die im Mustervertrag ja bereits angesprochen werden, mögliche Konfliktpunkte?

Baur: Leitlinie für unseren Mustervertrag war immer der Normzweck: Die Verbesserung der Akzeptanz vor Ort. Zudem waren uns Rechtssicherheit und eine zuverlässige und langfristige Bindung der Parteien wichtig. Bei Anpassungen des Vertragstextes in Einzelfällen sollte man dies stets beachten.

Aus unserer Sicht sind alle uns bekannten rechtlichen Knackpunkte in dem Vertragsmuster fair geregelt. Sie dürften bei Nutzung unseres Muster-vertrags daher auch unstrittig bleiben und nicht zu großen Konflikten zwischen den Parteien führen. Die jeweiligen Positionen haben schließlich die Verbände für die Vertragsparteien schon im Arbeitskreis aus-führlich verhandelt und auch unterschiedliche Praxisakteure waren in die Ausarbeitung involviert. Wir haben vor allem bei Punkten, die wir im Arbeitskreis kontrovers diskutiert haben, ausführliche Erläuterungen und Erklärungen im Beiblatt niedergelegt. Dieses soll zu einem guten Verständ-nis der Vertragskonzeption beitragen. An dieser Stelle möchte ich daher auch nochmals betonen, wie wichtig das Beiblatt ist. Um die Ideen und Überlegungen hinter dem eigentlichen Vertragstext zu verstehen, sollte es unbedingt vor bzw. parallel zum Vertragsmuster gelesen werden.

Herr Sondershaus, der Mustervertrag vereinfacht die kommunale Beteiligung an Windenergieanlagen. Welche Rolle hat der Vertrag für die Förderung der Akzeptanz der Windenergie?

Sondershaus: Für Menschen und Stakeholder geht es bei der ‚Akzeptanz vor Ort‘ am Ende um die Fragen: Finde ich ein Projekt eher gut oder eher schlecht? Und: Reicht meine Motivation aus, um mich zu engagieren – ob als Widerstand, oder auch als Unterstützer? An diesen Punkten setzt das neue Instrument an. Eine finanzielle Teilhabe liefert Argumente um sich aus lokalem Eigeninteresse heraus für ein Projekt aktiv einzusetzen, z. B. als Bürgermeister*in und mit Worten und mit Taten.
Die Unterzeichnung des Vertrags markiert damit einen Meilenstein für die Projektkommunikation. Er steht als Symbol für ein konstruktives Miteinander. Dieses sollte aber auch über die Umsetzung des § 6 EEG 2021 hinausweisen.

Worauf sollten Betreiber in der Kommunikation mit den Kommunen im Kontext der Umsetzung besonders achten?

Sondershaus: Bei der Umsetzung des § 6 EEG 2021 geht es auch wesent-lich um Erwartungsmanagement: Schließlich fließen die Zahlungen erst nach Inbetriebnahme. Eine frühzeitige und kontinuierliche Kommunika-tion über das Vorhaben und die zu erwartenden Folgen ist damit enorm wichtig. Und hier sind Fingerspitzengefühl und Expertise notwendig. Um mit dem Teilhabevertrag eine Grundlage für ein gut akzeptiertes Projekt zu legen, muss das Projekt auch darüber hinaus gut vermittelt werden. Daher haben wir mit dem Vertrag auch eigens eine Handreichung zum Thema Kommunikation veröffentlicht (siehe Hinweis „Mehr Informatio-nen“ am Ende des Artikels).
Außerdem sollten sich Branchenakteure im Klaren sein: Letztlich dürfen sie nun in ihrem eigenen Interesse Geld der Verbraucher*innen bzw. Steuerzahler*innen an die Kommunen verteilen. Der Vorwurf und die Strafbarkeit von Vorteilsnahme sind mit dem § 6 EEG 2021 allerdings nicht einfach aus der Welt, sondern müssen durch angemessene Kommunikation und Handeln ausgeschlossen werden.

Baur: Um rechtssicher auch eine sehr frühzeitige Kommunikation zu ge-währleisten, haben wir zudem eine Erklärung zur Selbstverpflichtung, in Art eines einseitigen Letter of Intent, entworfen (siehe Hinweis „Mehr Infor mationen“ am Ende des Artikels). Diese ermöglicht Projektentwicklern schon zu einem Zeitpunkt, wenn noch zu wenig Konkretisierungen für den Mustervertrag möglich sind – z. B. während der Flächensicherung – an die betroffenen Gemeinden heranzutreten und zu signalisieren, dass eine kommunale Teilhabe bei Umsetzung des Projekts stattfinden soll. Mit der Selbstverpflichtungserklärung kann Vorwürfen der Vorteilsnahme vorgebeugt werden und im Rahmen der Flächenakquise ein Wettbewerbsvorteil erlangt werden.

Wie gestaltete sich der Erarbeitungsprozess des Vertrags zwischen den kommunalen und energiewirtschaftlichen Verbänden? Welche Punkte waren den jeweiligen Parteien wichtig?

Baur: Der Arbeitsprozess mit dem Arbeitskreis sowie den betreuenden Anwälten stellte sich zu jeder Zeit als sehr konstruktiv und zielorientiert dar. Trotz allem waren viele Absprachen und Diskussionsrunden notwen-dig, um gemeinsam einen Vertrag zu entwerfen, den am Ende auch alle beteiligten Verbände empfehlen können. Unser Ergebnis stellt aber genau das dar. Die eigentlichen Schwierigkeiten ergaben sich vielmehr aus dem § 6 EEG 2021 selbst und seiner juristischen Auslegung. Bei letzterem vertraten die beteiligten Verbände natürlich ihre Verbandsinteressen. So ist Gemeinden Verbindlichkeit wichtig und Betreibern eher Wirtschaft-lichkeit und Flexibilität. Aber wir konnten anhand des übergeordneten Normzwecks – die Verbesserung der Akzeptanz vor Ort – gemeinsam immer gute Lösungen erarbeiten.
Ein Blick in die Zukunft: Was denken Sie, wie es weiter gehen wird beim Thema „Kommunale Beteiligung“?

Sondershaus: Ich denke, dass sich in den kommenden Jahren eine Routine in der Umsetzung des Instruments entwickeln wird. Dabei könnte auch eine Ausweitung der Regelung auf Bestandsanlagen helfen. Zudem wäre das für die Akzeptanz vor Ort ein wirklich weiter Wurf und ein echter „Wow-Effekt“: Binnen kurzer Zeit könnten flächendeckend gute Vorbilder geschaffen werden. Das kann den Diskussionen um Windenergie im ländlichen Raum eine neue Richtung geben. Nicht die Lasten, sondern die aus der Windenergie resultierenden Möglichkeiten für den ländlichen Raum stünden dann im Mittelpunkt. Das kann die Windenergie an Land dauerhaft als Pfeiler der Energiewende etablieren. 

Baur: Wie die kurzfristige Novellierung des EEG 2021 und damit des ehe-maligen § 36k zeigte, ist das Thema „kommunale Teilhabe“ im Fluss. Ich gehe daher davon aus, dass auch in den nächsten Jahren Neuerungen kommen und unser Mustervertrag damit eine Art „Living Document“ ist, das regelmäßig angepasst werden muss.

Vielen Dank für das Gespräch.

Dieser Text wurde erstmalig im BetreiberBrief 03/2021 veröffentlicht.

 

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