In jüngster Zeit hat sich die Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz von Erneuerbare-Energien-Projekten als besonders relevant erwiesen. In diesem Zusammenhang hat sich die Einbindung und finanzielle Beteiligung der Bürger:innen bewährt. Sie führt zu einer deutlichen Steigerung der Akzeptanz vor Ort. Eine kürzlich durchgeführte Studie in den Regionen Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg hat gezeigt, dass die Zustimmung zur Windkraft durch die Möglichkeit der finanziellen Beteiligung deutlich gesteigert werden kann.[1]

Eine aktuelle Umfrage, durchgeführt von der Universität Klagenfurt, der Wirtschaftsuniversität Wien und dem Beratungsinstitut Deloitte, zeigt, dass über 40 % der Befragten grundsätzlich offen dafür sind, sich an erneuerbaren Energien zu beteiligen.[2] Die derzeitige Beteiligungsquote liegt jedoch nur etwa bei 3 %. Diese Diskrepanz zwischen der Bereitschaft und der tatsächlichen Beteiligung der Bürger:innen verdeutlicht das vorhandene Potenzial. Um das volle Potenzial der erneuerbaren Energien zu erschließen, ist es von großer Bedeutung, Barrieren abzubauen und den Bürger:innen eine effektive und zugängliche Beteiligung an solchen Projekten zu ermöglichen.

Neue Modelle der Bürger:innenbeteiligung und innovative Finanzierungsmöglichkeiten können dazu beitragen, eine breitere Beteiligung und Unterstützung in der Bevölkerung sicherzustellen. Die Entwicklung kreativer Instrumente, die es den Bürger:innen ermöglichen, sich nicht nur finanziell, sondern auch aktiv an Planungsprozessen zu beteiligen und darüber hinaus eine emotionale Komponente während des Betriebs zu schaffen (z. B. durch die Bereitstellung von Live-Energiedaten), eröffnet vielversprechende Perspektiven. Im Folgenden werden die fünf Schritte einer erfolgreichen Bürger:innenbeteiligung erläutert.

 

1. Kommunikation, Aufklärung und Bedarfserhebung

Effektive Kommunikation, umfassende Information und präzise Bedarfsermittlung sind zentrale Säulen für die Akzeptanz und erfolgreiche Umsetzung von Erneuerbare-Energien-Projekten durch lokale Bürger:innenbeteiligung. Das Verhältnis der Bevölkerung zur Energiewende zeigt ein facettenreiches Muster: Es gibt eine grundsätzliche Zustimmung, aber auch eine weit verbreitete Ablehnung von Infrastrukturmaßnahmen, insbesondere wenn diese in unmittelbarer Nähe zum eigenen Wohnumfeld stattfinden sollen. Eine frühzeitige und transparente Information über die Projekte ist hier entscheidend. Dabei spielt die Erhebung der lokalen Bereitschaft und Nachfrage eine wichtige Rolle, da diese je nach Ort und Region unterschiedlich sein kann. Dies ermöglicht eine genaue Ermittlung des Beteiligungswunsches und unterstützt die Gestaltung des Beteiligungsmodells, wodurch eine höhere Akzeptanz erreicht werden kann.

 

2. Strukturierung der Beteiligung

Nicht jede Form der Bürger:innenbeteiligung ist für jedes Projekt gleichermaßen geeignet. Eine grundlegende Frage, die vor jedem Beteiligungsprozess geklärt werden muss, betrifft die Art und Weise, wie Beteiligung stattfinden kann und soll. Die Ausgestaltung der Beteiligung bei Erneuerbare-Energien-Projekten ist entscheidend, um eine breite Beteiligung und Akzeptanz in der Bevölkerung zu gewährleisten. Dabei ist es wichtig, transparente und zugängliche Modelle zu entwickeln, die die spezifischen Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung und des Projektentwicklers berücksichtigen. Zu den zu beachtenden Faktoren gehören die erwartete Laufzeit, die Ermittlung der Rendite bzw. Gewinnbeteiligung, steuerliche Aspekte, die Strukturierung als Fremd- oder Eigenkapital, die Mitsprache der Bürger:innen sowie unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen (z.B. Kapitalmarktrecht).

 

Mitsprache und Aktive vs. Passive Beteiligung

Ein Aspekt ist die Mitsprache und die Unterscheidung zwischen aktiver und passiver Beteiligung. Dieser Faktor spielt eine zentrale Rolle bei der Gestaltung der gesellschaftlichen Strukturen im Bereich der erneuerbaren Energien. Soll den Bürger:innen ein Mitspracherecht in Bezug auf die Geschäftstätigkeit gegeben werden oder soll sich die Beteiligung auf eine rein finanzielle Beteiligung beschränken? Klassisch lassen sich die verschiedenen Beteiligungsformen in aktive und passive Beteiligungsformen einteilen:

Auch wenn aktive Beteiligungsmodelle bei Bürger:innen durchaus beliebt sind, wollen viele dennoch nicht auf die Vorteile der passiven Beteiligung verzichten. Die Möglichkeit, sich als passive Investor:innen zu beteiligen, bietet eine bequeme Option für diejenigen, die die Energiewende unterstützen wollen, aber nicht die Zeit oder das Interesse haben, sich direkt zu beteiligen. Diese Ansätze ermöglichen es einer breiten Bevölkerungsschicht, ihren Beitrag zu einer nachhaltigen Energieentwicklung zu leisten und gleichzeitig von den positiven Effekten der Nutzung erneuerbarer Energien zu profitieren.

Auch mit passiven Beteiligungsformen müssen Projektentwickler Investor:innen nicht direkt in die operativen Aspekte des Projekts involvieren. Bei der Wahl einer aktiven Beteiligungsform sollte auf technische Plattformen zurückgegriffen werden, die eine Kommunikation mit vielen Beteiligten – inklusive verschiedener elektronischer Zustimmungen oder Abstimmungen – ermöglichen.

 

Verzinsung und Erwartete Rendite

Während bei aktiven Beteiligungsformen die Rendite aus dem Gewinnüberschuss ermittelt wird, bieten passive Beteiligungsformen die Flexibilität, variable, feste oder gemischte Verzinsungen anzubieten. Hierbei können Sie je nach Bedarf eine feste Verzinsung für eine bestimmte Laufzeit, eine variable Verzinsung abhängig vom erzielten Gewinn/Überschuss oder auch Mischformen wie eine feste Basisverzinsung in Kombination mit einem Bonus, der von den erzeugten Kilowattstunden und dem erzielten Verkaufspreis am Strommarkt abhängt, anbieten.

 

Steuerliche Aspekte

Unterschiedliche Anleger:innen haben unterschiedliche Erwartungen an die Besteuerung ihrer Investments. Hier sind insbesondere die verschiedenen steuerlichen Aspekte der Strukturierungsmöglichkeiten und die Bedürfnisse der Bürger:innen zu berücksichtigen. Beteiligungen können so strukturiert werden, dass die Einnahmen der Kapitalertragsteuer (z.B. Anleihe) oder der progressiven Einkommensteuer unterliegen.

 

Laufzeit und Handelbarkeit der Beteiligung

Je nach Laufzeit kann es sinnvoll sein, einen Marktplatz für die Bürger:innen anzubieten, auf dem sie ihre Anteile vor Ablauf der Laufzeit an andere Anleger:innen verkaufen können. Hierfür kann ein sogenannter Zweitmarkt genutzt werden, auf dem durch Angebot und Nachfrage Anteile übertragen werden können und somit eine gewisse Liquidität geschaffen wird.

 

3. Durchführung der Beteiligung

Für eine effektive Umsetzung der Bürger:innenbeteiligung empfiehlt es sich, auf bewährte digitale Plattformen zurückzugreifen und einen soliden Rechtsrahmen zu schaffen. Es kann ebenfalls von Vorteil sein, wenn digitale Beteiligungsportale nicht nur eine Webplattform bieten, sondern auch auf mobile Anwendungen setzen, um eine breitere Zielgruppe anzusprechen und verschiedene Bevölkerungsgruppen zu erreichen. So können die rechtlich notwendigen Funktionen der Plattform für das gewählte Beteiligungsinstrument berücksichtigt werden, insbesondere die Verifizierung der Nutzer:innen nach aufsichtsrechtlichen Standards wie der Geldwäschekontrolle, auch bekannt als "Know Your Customer" (KYC). Bei der Auswahl solcher Plattformen ist auf moderne Technologien zu achten, die z.B. mittels 3D-Selfie und Ausweisscan ohne direkte Videokonferenz auskommen und damit Abbrüche reduzieren.

 

4. Vermarktung der Beteiligung

Auf Basis der Bedarfserhebung kann der geplante Umfang eines Projektes festgelegt werden. Durch lokale Vernetzung und mit einer angemessenen Renditeerwartung ist die lokale Bevölkerung oft schnell für ein Projekt gewonnen. Bei der Vermarktung in den regionalen Medien, bei der Informationsveranstaltung und in anderen Medien können folgende Punkte hervorgehoben werden:

  • die lokale Beteiligung und Wertschöpfung
  • eine emotionale Verbindung zum Projekt
  • die Nachhaltigkeit der Investition
  • die finanziellen Aspekte (und bei Möglichkeit steuerliche Vorteile)

 

5. Laufender Betrieb und Kommunikation mit den beteiligten Bürger:innen

Nach erfolgreicher Durchführung der Bürger:innenbeteiligung werden nach einigen Monaten die ersten Ausschüttungen an die Beteiligten fällig. In dieser Phase bewähren sich Plattformen, die integrierte Bezahldienste anbieten und eine reibungslose Zahlungsabwicklung für potenziell hunderte Beteiligte ermöglichen. Die Wahl einer geeigneten Plattform erleichtert auch den administrativen Prozess erheblich.

Während der gesamten Beteiligung sollte eine hohe Transparenz gewahrt werden, da dies das Vertrauen stärkt und etwaige Unvorhersehbarkeiten ohne Schuldzuweisungen leichter bewältigen lässt. Standardisierte Reports und Auswertungen sollten regelmäßig zur Verfügung gestellt werden, um potenzielle Rückfragen zu minimieren und den Beteiligten klare Einblicke in den Fortschritt des Projekts zu bieten.

Bereits in dieser Phase sollte an zukünftige Vorhaben gedacht werden. Einmal erfolgreich beteiligte Bürger:innen neigen dazu, sich erneut zu engagieren. Diese Gruppe kann gezielt über kommende Projekte informiert werden und so die kontinuierliche Beteiligung fördern. Durch eine proaktive Ansprache und das Bereitstellen relevanter Informationen wird eine langfristige Bindung zu engagierten Bürger:innen aufgebaut, die mit höherer Wahrscheinlichkeit auch zukünftige Vorhaben aktiv unterstützen werden.

 

[1] Sebastian, Levi S.; Ingo Wolf, I.; Sommer, S März: Geographische und zeitliche Unterschiede in der Zustimmung zu Klimaschutzpolitik in Deutschland, Potsdam 2023. https://ariadneprojekt.de/publikation/analyse-geographische-und-zeitliche-unterschiede-in-der-zustimmung-zu-klimaschutzpolitik-in-deutschland/ (Stand 7. August 2023)

[2] Hampl, N.; Sposato, R.; Marterbauer, G.; Nowshad, A.; Strebl, M.; Salmhofer, A.: Der jährliche Stimmungsbarometer der österreichischen Bevölkerung zu erneuerbaren Energien, Universität Klagenfurt, Wirtschaftsuniversitöt Wien, Wien Energie und Deloitte Österreich, 2021. https://www2.deloitte.com/content/dam/Deloitte/at/Documents/energy-resources/at-erneuerbare-energien-2021.pdf (Stand 7. August 2023)

 

Über den Autor

Mag. Johannes Schrefl, MSc BSc hat mit Brickwise eine innovative digitale Beteiligungsplattform für erneuerbare Energien entwickelt. Herr Schrefl studierte Wirtschaftsinformatik in Linz und London und ist neben seiner Tätigkeit bei Brickwise Lektor an der Fachhochschule St. Pölten und Aufsichtsrat der Raiffeisenbank Region Gallneukirchen eGen.

 

Dieser Beitrag erscheint in der Photovoltaik-Sonderausgabe des BWE-BetreiberBriefs 1/2024.

 


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