Weitgehend unbemerkt markiert der 1. Januar 2020 eine Zäsur, ohne dass zu diesem Zeitpunkt eine Änderung des EEG oder EnWG in Kraft tritt. Trotzdem gibt es Neuerungen, die auch die Betreiber von Windenergieanlagen direkt betreffen. Hierbei geht es um ein neues Netzengpassmanagement sowie neue Entschädigungsregeln.
Der Hintergrund ist schnell erklärt: Seit 2016 wurde in der EU ein großes energierechtliches Gesetzgebungspaket verhandelt – das sogenannte EU-Energie-Winterpaket. Mittlerweile sind alle neuen oder geänderten Richtlinien und Verordnungen beschlossen und im Amtsblatt veröffentlicht. Darunter findet sich auch eine neue Elektrizitätsbinnenmarkt-Verordnung. Diese regelt in Art. 13 ein einheitliches Redispatch-Verfahren und legt fest, wie die Netzbetreiber bei Engpässen künftig zu agieren haben und wie sie abgeregelte Anlagenbetreiber entschädigen müssen. Diese aus dem Europarecht resultierenden Änderungen gelten bereits ab dem 1. Januar 2020. Sie sind nicht zu verwechseln mit der vom Bundesgesetzgeber beschlossenen Abschaffung des EinsMan und dessen Überführung in einen einheitlichen Redispatch zum 1. Oktober 2021.
Europäischer Redispatch verdrängt deutsches EinsMan
Das Verhältnis der neuen europäischen Regelungen zum aktuellen bzw. künftigen deutschen Recht ist klar geregelt. Anders als bei Richtlinien gelten die Vorgaben einer Verordnung unmittelbar für alle davon erfassten Unternehmen und Bürger in sämtlichen EU-Mitgliedstaaten. Es braucht keine Umsetzung in das jeweilige Recht. Verordnungen verdrängen vielmehr entgegenstehende Vorschriften im Recht der einzelnen Mitgliedstaaten. Damit ergeben sich ab dem 1. Januar 2020 die Rechte und Pflichten der Akteure nicht mehr aus EnWG und EEG, sondern unmittelbar aus Art. 13 der Elektrizitätsbinnenmarkt-Verordnung. Die deutsche Rechtslage ist grundsätzlich irrelevant. Hierzu gibt es nur zwei Ausnahmen: 1. soweit es zu bestimmten Sachfragen keine europäischen Regelungen gibt, 2. soweit der deutsche Gesetzgeber sein Recht nutzt, Details zu den neuen europäischen Regelungen zu erlassen.
Und genau an dieser Stelle wird es dann doch kompliziert. Denn wo endet der Geltungsanspruch des europäischen Rechts und wo handelt es sich um Details zu den neuen europäischen Vorgaben? Der deutsche Gesetzgeber hat sich bisher nicht dazu entschließen können, hier Klarheit zu schaffen, und auch die Bundesnetzagentur macht keine wahrnehmbaren Anstalten, den EinsMan-Leitfaden an die neue Rechtslage anzupassen. Damit sind Netz- und Anlagenbetreiber zunächst alleingelassen, einen rechtmäßigen Weg hinsichtlich der neuen Rechtslage zu finden.
Unterschiede im Detail
Die für Windenergieanlagenbetreiber gute Nachricht ist, dass sich in der Sache nicht allzu viel ändern wird und es sogar positive Neuigkeiten gibt. Grundsätzlich bleibt es bei einem Vorrang der Erneuerbaren.
Nach Art. 13 der Verordnung dürfen die Erneuerbaren erst dann abgeregelt werden, wenn es „keine Alternative gibt oder wenn andere Lösungen zu erheblich unverhältnismäßig hohen Kosten führen oder die Netzsicherheit erheblich gefährden würden.“
Neu im Vergleich zum EEG und EnWG ist damit die Abregelung aus Kostengründen, denn bisher ist im deutschen Recht eine Abregelung von EE-Anlagen nur dann zulässig, wenn keine weiteren konventionellen Anlagen zur Verfügung stehen. Eine Abregelung von EE-Anlagen aus Kostengründen ist derzeit nicht erlaubt. Die Voraussetzungen für diesen neuen Abregelungsgrund sind aber hoch, so dass nicht davon auszugehen ist, dass er häufig zur Anwendung kommen wird.
Mehrkosten allein reichen nicht, nicht einmal unverhältnismäßige Mehrkosten, es müssen „erheblich unverhältnismäßige Kosten“ sein.
Neue Begrifflichkeiten führen zu Verwirrung
Zu den positiven Punkten zählt, dass zukünftig die Entschädigung nicht mehr wie in § 15 EEG bis zum Erreichen des 1-Prozent-Deckels auf 95 Prozent beschränk ist. Nun muss diese ab dem 1. Januar 2020 unabhängig vom Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Anlagen 100 Prozent betragen. Unklarheiten entstehen aber insoweit, dass es neue Begrifflichkeiten gibt, die bestimmen, wie die 100 Prozent zu berechnen sind. Im Gegensatz zum EEG sind die Regelungen der Elektrizitätsbinnenmarkt-Verordnung ungleich komplexer und bestehen aus zwei eigentlich alternativen Ansprüchen, die aber auch kombiniert werden können.
Im Ergebnis dürfte sich für Windenergieanlagen mit Marktprämie jenseits des Prozentsatzes nichts ändern. Unklarheiten können sich aber bei bestimmten Vermarktungskonzepten ergeben. Auch für ausgeförderte Anlagen sowie Anlagen in der ungeförderten Direktvermarktung passt der neue Wortlaut nicht exakt. Es erscheint aber vertretbar, auch hier eine Auslegung vorzunehmen, die alle entgangenen Einnahmen erfasst.
Gesetzgeber ist gefordert
Diese Unklarheiten sind ein Beispiel dafür, warum der europäische Verordnungsgeber die Möglichkeit geschaffen hat, dass die Mitgliedstaaten ergänzende Details treffen dürfen. Jeder Mitgliedstaat kann auf diese Weise eine passgenaue Lösung entwickeln. Doch in den bestehenden deutschen Regelungen wird man nur schwerlich erkennen können, wo bloße Ergänzungen der unionsrechtlichen Vorgaben bestehen. Es ist vielmehr fast unmöglich, präzise zu bestimmen, bis zu welchem Punkt die bisherigen Vorschriften im EEG und EnWG nunmehr durch EU-Recht verdrängt werden und an welchen Stellen sie als zulässige Ergänzung des EU-Rechts weiter anwendbar sind. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, Rechtsklarheit und damit Rechtssicherheit für alle Akteure zu schaffen!