Der Windkraftsektor ist rückblickend gesehen eine Erfolgsgeschichte der EU, steht jedoch im Hinblick auf seinen künftigen Wachstumspfad vor einzigartigen Herausforderungen, zu denen eine unzureichende und unsichere Nachfrage, langsame und komplexe Genehmigungsverfahren, mangelnder Zugang zu Rohstoffen, die hohe Inflation und hohe Rohstoffpreise, die unrentable Gestaltung nationaler Ausschreibungen, der zunehmende Druck im internationalen Wettbewerb und die Risiken im Zusammenhang mit der Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte gehören.

Diese Situation erfordert sofortiges Handeln. Aus diesem Grund legt die Europäische Kommission – wie von Kommissionspräsidentin von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Union im vergangenen Monat angekündigt – heute einen europäischen Aktionsplan für Windkraft vor, mit dem gewährleistet werden soll, dass die Energiewende und die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie Hand in Hand gehen und die Windkraft eine europäische Erfolgsgeschichte bleibt.

Der Aktionsplan wird dazu beitragen, eine gesunde und wettbewerbsfähige Windenergie-Lieferkette mit einer klaren und sicheren Projektpipeline zu erhalten, die die erforderlichen Finanzmittel anzieht und weltweit unter gleichen Wettbewerbsbedingungen konkurriert.  Er wird zusammen mit einer Mitteilung zur Umsetzung der Ziele der EU für Offshore-Energie, einschließlich Windenergie, vorgelegt, die sich auf die vor drei Jahren angenommene EU-Strategie für Offshore-Energie bezieht. 

Eine gemeinsame europäische Reaktion zur Bewältigung einer einzigartigen Mischung von Herausforderungen

Der Aktionsplan enthält Sofortmaßnahmen, die von der Kommission, den Mitgliedstaaten und der Industrie gemeinsam ergriffen werden müssen, baut auf bestehenden Strategien und Rechtsvorschriften auf und konzentriert sich auf sechs Hauptbereiche:

  • Beschleunigter Ausbau durch bessere Berechenbarkeit und schnellere Genehmigungsverfahren:  2022 wurde eine Rekordanzahl von Windkraftanlagen mit einer Kapazität von insgesamt 16 GW errichtet, was einem Anstieg um 47 % gegenüber 2021 entspricht. Allerdings liegt dies noch deutlich unter den 37 GW/Jahr, die erforderlich sind, um die EU-Zielvorgabe für erneuerbare Energie für 2030 zu erreichen. Die Kommission leitet gemeinsam mit den Mitgliedstaaten die Initiative „Accele-RES“ ein, die eine rasche Umsetzung der überarbeiteten EU-Vorschriften für erneuerbare Energie gewährleisten und dabei den Schwerpunkt stärker auf die Digitalisierung der Genehmigungsverfahren und die technische Unterstützung der Mitgliedstaaten legen soll. Darüber hinaus sind die Mitgliedstaaten dazu angehalten, die Sichtbarkeit der Projektpipeline durch Windenenergiezusagen, transparente Auktionszeitpläne und langfristige Planung zu verbessern. Schließlich wird die Kommission den notwendigen Ausbau der Stromnetze im Laufe dieses Jahres mit einem Netzaktionsplan unterstützen.
  • Ein verbessertes Auktionsdesign: Aufbauend auf der vorgeschlagenen Netto-Null-Industrie-Verordnung und der Reform der Strommarktgestaltung wird die Kommission die Mitgliedstaaten dabei unterstützen, Auktionen durch Festlegung gut konzipierter und objektiver Kriterien zu verbessern, damit Ausrüstungen mit höherer Wertschöpfung belohnt werden und sichergestellt wird, dass Projekte vollständig und rechtzeitig umgesetzt werden. Außerhalb der EU soll im Rahmen von „Global Gateway“-Projekten verstärkt auf strategische Vergabestandards zurückgegriffen werden. Zudem ist im Aktionsplan eine Bewertung von Cybersicherheitsrisiken vorgesehen.
  • Zugang zu Finanzmitteln: Um Investitionen und Finanzierungen für die Herstellung von Windkraftanlagen in Europa zu beschleunigen, wird die Kommission den Zugang zu EU-Finanzmitteln, insbesondere über den Innovationsfonds, erleichtern, wobei die Europäische Investitionsbank (EIB) Garantien zur Risikominderung bereitstellen wird.  Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten ferner auf, die Flexibilität des geänderten Befristeten Rahmens für staatliche Beihilfen zur Krisenbewältigung und zur Gestaltung des Wandels in vollem Umfang zu nutzen, um die Herstellung von Windkraftanlagen in der EU zu unterstützen.
  • Ein faires und wettbewerbsorientiertes internationales Umfeld:  Um für den Windkraftsektor gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten, beobachtet die Kommission aufmerksam etwaige unlautere Handelspraktiken, die Herstellern von Windkraftanlagen von außerhalb der EU zugutekommen, und wird weiterhin auf Handelsabkommen zurückgreifen, um den Zugang zu ausländischen Märkten zu erleichtern und gleichzeitig die Annahme europäischer und internationaler Normen für diesen Sektor zu fördern. Die Kommission wird außerdem mit Investoren zusammenarbeiten, um Investitionshemmnisse zu ermitteln und zu beseitigen.
  • Kompetenzen:  Groß angelegte Kompetenzpartnerschaften für erneuerbare Energie werden ein wichtiges Forum für die Entwicklung von Projekten zur Kompetenzentwicklung sein. Mit der Netto-Null-Industrie-Verordnung wird die Kommission auch die Einrichtung europäischer Kompetenzakademien für die Netto-Null-Industrie erleichtern, einschließlich einer Akademie speziell für den Windkraftsektor, mit der die Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Weiterbildung und Umschulung von Arbeitskräften unterstützt werden sollen. Die Akademien werden Lerninhalte und -materialien entwickeln und sollen innerhalb von drei Jahren nach ihrer Gründung 100 000 Lernende ausbilden.  
  • Beteiligung der Industrie und Verpflichtungen der Mitgliedstaaten:  Die Kommission wird gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und der Windkraftindustrie an einer EU-Windkraftcharta arbeiten, um die grundlegenden Rahmenbedingungen für die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Windkraftindustrie zu verbessern.

Eine neue Vision für den beschleunigten Ausbau der Offshore-Windkraft:

Es wird erwartet, dass Offshore-Windenergie in den kommenden Jahren einen wesentlichen Beitrag zu den Klima- und Energiezielen der EU leisten wird. Aufbauend auf der EU-Strategie für erneuerbare Offshore-Energie von 2020 einigten sich die Mitgliedstaaten vor Kurzem auf ehrgeizige neue Ziele für die Erzeugung erneuerbarer Offshore-Energie bis 2050 sowie auf Zwischenziele für 2030 und 2040 für jedes der fünf Meeresbecken der EU.

Im Jahr 2022 belief sich die in der EU-27 installierte Offshore-Kapazität auf insgesamt 16,3 GW. Um die Lücke zwischen den von den Mitgliedstaaten zugesagten 111 GW, und der Kapazität im Jahr 2022 zu überbrücken, müssen wir somit im Durchschnitt fast 12 GW/Jahr installieren, d. h. zehnmal mehr als die im vergangenen Jahr neu installierten 1,2 GW.    

Aus diesem Grund verdoppelt die Kommission ihre Anstrengungen zur gezielten Unterstützung des Sektors für erneuerbare Offshore-Energie und legt zusätzliche Maßnahmen fest, um die Netzinfrastruktur und die regionale Zusammenarbeit zu stärken, die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, eine integrierte maritime Raumplanung zu gewährleisten, die Widerstandsfähigkeit der Infrastruktur zu stärken, Forschung und Innovation zu unterstützen sowie Lieferketten und Kompetenzen zu entwickeln.

Hintergrund

Erneuerbare Energien sind ein Schlüsselelement des Plans der EU, im Rahmen des europäischen Grünen Deals bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, sowie des REPowerEU-Plans, um Energieunabhängigkeit zu erlangen und die Importe fossiler Brennstoffe aus Russland so bald wie möglich einzustellen. Die EU hat mit der überarbeiteten Erneuerbare-Energien-Richtlinie im Rahmen des Legislativpakets „Fit für 55“ legislative Ziele für einen beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien festgelegt und ermöglicht diesen Ausbau mithilfe der überarbeiteten TEN-E-Verordnung zur Stärkung des Rahmens für grenzübergreifende Projekte einschließlich Offshore-Netzen. Beim Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft wird die Wettbewerbsfähigkeit der EU stark von deren Fähigkeit abhängen, saubere Technologien, die diesen Übergang ermöglichen, zu entwickeln und innerhalb der EU herzustellen, einschließlich Onshore- und Offshore-Windkrafttechnologien. Anfang dieses Jahres legte die Kommission den Industrieplan zum Grünen Deal vor und schlug insbesondere die Netto-Null-Industrie-Verordnung und das Gesetz zu kritischen Rohstoffen vor, um die einheimischen Herstellungskapazitäten für Netto-Null-Technologien zu unterstützen.

Quelle: Europäische Kommission