Leipzig (dpa) - Es ist ein Schlag für beide Seiten: Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Nord Westfalen muss aus dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) austreten. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Donnerstag mitgeteilt. Ein Unternehmen der Windenergiebranche aus Münster hatte den Austritt seiner IHK verlangt, weil der Dachverband sich wiederholt außerhalb seiner Kompetenzen zu allgemeinpolitischen Themen sowie einseitig zu Fragen der Umwelt- und Klimapolitik geäußert habe. In den Vorinstanzen war die Klage erfolglos geblieben.
«Wir bedauern, dass die IHK Nord Westfalen mit diesem Urteil zum Austritt gezwungen wird», kommentierte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben die Entscheidung des Gerichts. Nach Vorlage der schriftlichen Urteilsbegründung werde das weitere Vorgehen beraten. «Aufgrund dieses Urteils ist keine andere IHK verpflichtet, ihre Mitgliedschaft im DIHK zu kündigen. Die Industrie- und Handelskammern und der DIHK bleiben handlungsfähig und funktionstüchtig», betonte Wansleben.
Der DIHK will eigenen Angaben zufolge «alles dafür tun, um einen Wiedereintritt der IHK Nord Westfalen zu ermöglichen». Zudem würden weitere Vorkehrungen getroffen, um eine Wiederholung von Kompetenzverstößen zuverlässig zu verhindern. Nach Angaben des IHK Nord Westfalen wird der Austritt aus dem Dachverband nach dem Urteil aus Leipzig zum 31. Dezember 2021 vollzogen.
Der Streit wird vor den Gerichten bereits seit 2007 ausgetragen. Auch das Bundesverwaltungsgericht hatte schon 2016 entschieden und das Verfahren an das OVG nach Münster zurückverwiesen. Die obersten NRW-Verwaltungsrichter aber gingen davon aus, dass in Zukunft der DIHK weitere Verstöße unterlässt und schlossen einen Austrittsanspruch erneut aus. Für diese Entscheidung gab es jetzt aus Leipzig Kritik.
«Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, schon die Existenz des Klageanspruchs von Kammermitgliedern schließe die Gefahr der Wiederholung von Kompetenzüberschreitungen ungeachtet fehlender Einsicht des Dachverbandes aus, widerspricht dem rechtlichen Maßstab des ersten Revisionsurteils», heißt es in der Begründung des Bundesverwaltungsgerichts. Damit habe das OVG gegen die im ersten Revisionsurteil aus Leipzig erläuterten Anforderungen an einen effektiven Grundrechtsschutz des Klägers verstoßen.
Die IHK Nord Westfalen als Beklagte betonte am Donnerstag, dass der Verband als Körperschaft des öffentlichen Rechts sprach- und handlungsfähig bleibe. Wie der DIHK will Hauptgeschäftsführer Fritz Jaeckel zuerst das schriftliche Urteil abwarten. Im Kreis der Präsidenten der Kammern und mit dem DIHK müsse beraten werden, wie «wir die Vertretung der Gesamtinteressen auf Bundes- und Europaebene an die richterlichen Vorgaben anpassen.» Für eine wirksame Interessenvertretung auf Bundes- und Europaebene benötigen die einzelnen Kammern einen leistungsfähigen DIHK, sagte Jaeckel laut Mitteilung.