Eine Ausgründung der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) hat einen bahnbrechenden Ansatz entwickelt, der den Schweißvorgang bei der Herstellung von Stahltürmen für Windenergieanlagen revolutioniert. Die neue Technologie könnte der deutschen Windindustrie wichtige Wettbewerbsvorteile sichern und auch beim Bau von Wasserstoffpipelines oder Flüssiggasbehältern zur Anwendung kommen.
Bei einem modernen Windturm aus Stahl summieren sich die Schweißnähte auf eine Länge von ca. 700 Meter. Bis zu 30 Millimeter dicke Stahlbleche müssen dazu in mehreren Lagen mit dem so genannten Unterpulverschweißverfahren zusammengefügt werden. Gegenwärtig werden dafür insgesamt fast 100 Stunden benötigt. Allein dadurch ist die Kapazität der vier verbliebenen deutschen Produktionsstandorte auf ca. 520 Stahltürme pro Jahr limitiert – nur gut die Hälfte dessen, was die Ausbauziele der Bundesregierung für Onshore-Windenergie vorsehen. Weitere Anlagen werden aus dem Ausland zugekauft, vor allem aus China, wo sie wegen der geringen Personalkosten besonders preisgünstig hergestellt werden können.
Deutlich schneller – und zugleich kostengünstiger – könnten die Anlagen im Laserhybridschweißverfahren hergestellt werden. Es erfordert nur eine einzige Schweißlage. Doch bislang ist dieses Verfahren nur für Bleche von einer Stärke von bis zu 12 Millimeter im industriellen Einsatz zugelassen. Der Grund: Beim Schweißen dickerer Bleche bilden sich aus dem verflüssigten Metall aufgrund der Gravitation Tropfen unterhalb der Schweißnaht. Sie gefährden die Standfestigkeit der späteren Anlage und müssten aufwändig nachbearbeitet werden.
Ein Team aus dem Kompetenzzentrum Wind der BAM hat für das lang bekannte Problem jetzt eine smarte Lösung gefunden: Die Wissenschaftler*innen haben ein System aus Elektromagneten entwickelt, das an der Schweißzone angebracht wird. Die Magneten setzen eine so genannte Lorentzkraft frei, die der Gravitation entgegenwirkt. Jegliche Tropfenbildung an der Schweißnaht wird so verhindert. Dabei arbeitet das System völlig kontaktlos. Die Innovation ermöglicht es, das schnellere Laserhybridschweißverfahren ohne Sicherheitseinbußen auch bei den dicken Stahlblechen für Windenergieanlagen einzusetzen.
Jetzt machen sich die vier Wissenschaftler*innen mit einer Ausgründung selbstständig. Sie wollen aus ihrer Erfindung in den kommenden zwei Jahren ein marktreifes System für die Industrie entwickeln. Unterstützt werden sie dabei durch das EXIST-Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Gleichzeitig steht ihnen die exzellente Forschungsinfrastruktur der BAM zur Verfügung, die den mit 60 Kilowatt stärksten Hochleistungslaser in Europa besitzt.
Das Einsparpotenzial an Zeit und Kosten durch die Innovation, so rechnet Christian Brunner-Schwer, der im Team u.a. für Finanzen und Vertrieb zuständig ist, wäre bei einem modernen 120-Meter-Windturm enorm: Durch die Anwendung des Laserschweißens, das das Magnetsystem möglich macht, ließe sich die Schweißzeit von 96 auf knapp 12 Stunden reduzieren – eine Beschleunigung um den Faktor 8. Gleichzeitig würden nur 900 statt wie bisher 4000 Kilowattstunden an Energie benötigt. Die Kosten für das Schweißen könnten insgesamt um 90 Prozent gesenkt werden. Der CO2-Ausstoß der Fertigung eines Windturms würde sogar um 93 Prozent reduziert.
„Expert*innen bestätigen uns schon jetzt, dass unser System zum Gamechanger für die Windindustrie werden könnte“,
erklärt Fatma Akyel, die im Team den Bereich Forschung und Entwicklung verantwortet.
„Gleichzeitig sind stählerne Windtürme nur ein Anwendungsfeld für unsere Innovation. Weitere Potenziale gibt es überall dort, wo dickwandige Stahlbleche zusammengefügt werden: beim Bau von Wasserstoffpipelines, von Behältern für Flüssiggas oder Chemikalien, beim Schiffs- und Brückenbau.“
Quelle: Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung
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