Sie sind Hauptsponsor bei dem Branchentag Berlin Brandenburg. Warum ist diese Region für ihr Unternehmen so wichtig?

Tom Lange: "Obwohl ENERTRAG mittlerweile deutschlandweit und auch international aktiv ist, bleibt unser Engagement in Berlin und Brandenburg besonders stark. Hier haben wir vor mehr als 20 Jahren begonnen und hier betreiben wir den Großteil unserer über 800 Windenergieanlagen. Außerdem legten wir mit dem ersten Verbundkraftwerk in Deutschland den Grundstein für einen 100% Erneuerbare-Energien-Kraftwerksbetrieb.

Unser Wachstum in der Region geht aber über Windenergie hinaus. Wir haben ambitionierte Pläne, einer der führenden Wasserstoffproduzenten in Brandenburg zu werden. Diverse Projekte sind bereits in der Umsetzung, darunter Partnerschaften mit großen Industrieakteuren wie CEMEX beim Projekt Concrete Chemicals und mit PCK Schwedt für die Transformation zu einer grünen Raffinerie.

Zusätzlich intensivierten wir in diesem Jahr unsere Aktivitäten in der Strukturwandelregion Lausitz. In Kooperation mit Partnerunternehmen haben wir erfolgreich Projekte ins Leben gerufen, was schließlich zur Eröffnung eines eigenen Büros in Cottbus führte.

Zusammengefasst setzt ENERTRAG bewusst und nachhaltig auf die Möglichkeiten, die Berlin und Brandenburg bieten. Das belegen unsere umfangreichen Investitionen in der Region, die sich im hohen dreistelligen Millionenbereich bewegen."

Welche landesspezifischen Herausforderungen stellen sich in dieser Region aus Sicht Ihres Unternehmens?

Tom Lange: "Die Umsetzung von Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien wird aktuell durch zwei wesentliche Faktoren behindert. Erstens fehlen schnelle und effiziente Genehmigungsverfahren für Wind-, Photovoltaik- und Elektrolyseanlagen. Dies bremst besonders in Brandenburg die Entwicklungsinitiativen, während andere Bundesländer schon weiter fortgeschritten sind. Zweitens hat Brandenburg bislang versäumt, die von der Bundesregierung vorgeschlagenen vereinfachenden Reformen in der Landespraxis umzusetzen.

Neben diesen formellen Aspekten ist ein kultureller Wandel in den Ämtern und Behörden erforderlich. Die jahrelang gewachsene Zurückhaltung bei Entscheidungen muss einem proaktiven Ansatz weichen, der die Expansion von Wind- und Solarprojekten fördert. Dies erfordert einen "Mind Switch" vom Aussitzen und Abwarten hin zu einer proaktiven "Gelingenshaltung".

Gleichzeitig muss die Energiewirtschaft das Umdenken durch überzeugende Konzepte und akzeptanzfördernde Maßnahmen für die lokale Bevölkerung unterstützen, um die teilweise angespannte Haltung gegenüber erneuerbaren Energieprojekten zu verbessern.

Nicht weniger wichtig ist die Entwicklung von Strategien, die die Symbiose von Industrieproduktion und erneuerbarer Energieerzeugung fördern. ENERTRAG ist in diesem Bereich aktiv und arbeitet an systemoptimierten Betriebsmodellen, die industrielle Prozesse mit der volatilen Energieerzeugung durch Wind und Sonne verknüpfen.

Was häufig fehlt, ist der Mut von Unternehmen, diese Synergien zu nutzen, sowie adäquate Investitionsmöglichkeiten, die Planungs- und Investitionsschutz für alle Beteiligten bieten."

Was muss aus Ihrer Sicht noch getan werden, um den Ausbau der Erneuerbaren Energien in dieser Region schneller voranzutreiben?

Tom Lange: "Die Landesregierungen sollten nicht nur den Fokus auf die Umsetzung von Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien legen, sondern auch den dringend notwendigen Ausbau der gesamten Energieinfrastruktur bis 2040 gezielt vorantreiben. Dazu zählen die schnelle Erweiterung von Netzkapazitäten, der Ausbau von Wasserstoffleitungen, die Modernisierung bestehender Infrastruktur und Investitionen in Verkehrswege sowie Häfen. Berlin und Brandenburg könnten dabei besonders profitieren, da sie sowohl in der erneuerbaren Energieproduktion als auch durch ein qualifiziertes Arbeitskräftepotenzial und den Innovationsgeist der Hauptstadt herausstechen.

Es ist ebenso wichtig, die Umsetzung von Bundesgesetzen auf der Landesebene zügig zu verbessern. Dazu sollten Landesrichtlinien weiter verfeinert und klare Handlungsanweisungen in den zuständigen Behörden verbreitet werden. Die zügige Ausweisung von Windenergiegebieten ist dabei essenziell, um Planungssicherheit zu schaffen und mehr Genehmigungen zu ermöglichen, insbesondere in Gebieten, in denen bereits fortgeschrittene Projekte existieren. In wirksamen Windenergiegebieten können dann auch die in anderen Bundesländern so wirkungsvollen Vorgaben aus § 6 WindBG und der EU-Notfall-Verordnung greifen und schnell und flächendeckend zu substanziell mehr Genehmigungen führen.

Ohne solche Maßnahmen steigt das Risiko, dass vielversprechende Initiativen ins Leere laufen und der Energieausbau stagniert. Beide Landesregierungen haben es in der Hand, durch konsistente politische Entscheidungen Planungs- und Investitionsschutz zu gewährleisten. Das würde weitere Akteure – insbesondere aus der Industrie – motivieren, ihre Produktionsprozesse anzupassen und den Ausbau erneuerbarer Energien voranzutreiben. Hier gilt – ähnlich wie bei der Ausweisung geeigneter Flächenkulissen, die durch die Bundesregierung deutlich vereinfacht wurde – der Grundsatz: Mehr geht immer."