Herr Lies, wie fällt die Bewertung des Klimapakets der Bundesregierung unter dem Aspekt Ausbau der Windenergien aus?

Minister Olaf Lies: Ganz wichtig: Das Klimapaket schafft erst einmal Klarheit. Die immer wieder geführte Debatte um die Abstandsregelung für Windenergieanlagen hat jetzt Konturen bekommen. Ob die vereinbarten 1000 Meter Abstand der Weisheit letzter Schluss sind, kann man jetzt bei Seite legen. Die Vereinbarung steht – auch wenn sich Bayern einen Sonderweg mit noch größeren Abständen gönnt, den ich für falsch halte. Mit der 1000er Regelung müssen wir nun in Niedersachsen prüfen, ob die für Windenergie ausgewiesenen Flächen tatsächlich ausreichen. Noch wichtiger wird die Frage, wie steigern wir die Akzeptanz für Windenergie beim Bürger? Kommunale Beteiligung wird ein immer stärkeres Gewicht bekommen. Meiner Meinung nach brauchen wir mindestens eine Zwei-Prozent-Regelung, das heißt, Kommunen erhalten zwei Prozent vom Gesamtumsatz, die Anlagen und Windparks machen. Zusätzlich brauchen wir mehr Bürgerwind-Beteiligungen – also: Akzeptanz beim Bürger durch direkte Vorteile. Das gilt auch für andere Bereiche der Erneuerbaren Energien. Der Bürger muss merken: Jede Kilowattstunde, die durch Erneuerbare erzeugt wird, bringt mir Vorteile. Motto: Klimaschutz lohnt sich für jeden Bürger.

Kritiker sagen: Das Klimapaket ist ein Windenergie-Verhinderungspaket?

Minister Olaf Lies: Das Klimapaket hilft, den Windenergie-Ausbau voran zu bringen. Wir haben keine Probleme mit Deckeln außer bei Offshore. Und dass der Deckel bei Photovoltaik wegkommt, ist gut. Wir scheitern im Moment auch weniger an irgendwelchen Deckeln, sondern das viel zu wenig Projekte rechtssicher und schnell genehmigt werden, damit sie umgesetzt werden können. Aber natürlich bleiben auch offene Fragen nach dem Klimapaket: Wie setzen wir Klima- und Artenschutz gemeinsam um? Also: Dass der Ausbau der Erneuerbaren und Artenschutz Hand in Hand gehen.

Wie lautet insgesamt das Urteil zum Klimapaket der Bundesregierung?

Minister Olaf Lies: Das Klimapaket ist ein Anfang. Viele vereinbarte Schritte sind konsequent und gut, beispielsweise bei der Frage der Wärme, der energetischen Sanierung, Umbau der Mobilität und der Anreiz einer Bepreisung des klimaschädlichen CO2-Ausstoßes ist richtig. Aber das große Thema Klimaschutz ist schon sehr, sehr schmal angegangen worden. Die Große Koalition hat wohl Sorgen um die öffentliche Wirkung eines konsequenteren Klimaschutz-Pakets. Ich warne nur davor, dass wir vor lauter Sorge vor öffentlicher Kritik nicht unsere Klimaschutzziele bis 2030 verfehlen. Gut ist, dass die Koalition in einem jährlichen Turnus die erzielte Wirkung überprüfen und gegebenenfalls nachsteuern will. Ich glaube, dass es aus diesem Grund schon bald ein Nachsteuern beim CO2-Preis geben wird.

Ist es richtig, einen fast absoluten Schwerpunkt auf Elektromobilität zu setzen?

Minister Olaf Lies: Klar ist, das wir in der Mobilität enorme Einsparungen bei CO2-Emissionen erzielen müssen. Daran führt kein Weg vorbei. Dafür brauchen wir vor allem einen Umbau beim Öffentlichen Personen Nahverkehr (ÖPNV) – mit neuen Fahrzeugen, einem besseren Angebot auf der Straße und auf der Schiene. Dazu kommt: Das Modell eines 365-Euro-Tickets ist ein wirklich spannender Ansatz. Dieses Modell in zehn Städten zu probieren, scheint mir wenig ambitioniert. Jedes Bundesland müsste mindestens zwei oder drei Beispiele ausprobieren. Weiteres wichtiges Standbein: Ausbau der Fahrrad-Mobilität. Beim Auto wird man dafür sorgen müssen, dass wir aus der Verbrenner-Technologie in die CO2-frei Mobilität umsteigen. Dabei darf man nicht nur auf Batterie-Technologie setzen. Denn daneben brauchen wir auch ganz dringend den Sektor Wasserstoff, besonders für Fahrzeuge, die größere Strecken fahren – beispielsweise schwere Nutzfahrzeuge und Wasserstoff-Busse.

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Vielen Dank für das Gespräch!