Es entspricht gängiger Genehmigungspraxis, dass sich der Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für Errichtung und Betrieb einer Windenergieanlage auf einen konkreten Anlagentyp bezieht, der auch im späteren Genehmigungsbescheid bezeichnet wird. Zwar kann der Anlagentyp auch nach Genehmigungserteilung noch geändert werden; das ist aber mit zusätzlichem finanziellem und zeitlichem Aufwand verbunden. Zudem wirkt sich die uneinheitliche rechtliche Einordnung eines solchen nachträglichen Typenwechsels als Änderungsanzeige (§ 15 BImSchG), Änderungsgenehmigung (§ 16 BImSchG) oder gar Neugenehmigung (§ 4 BImSchG) durch Behörden und Gerichte negativ auf die Planungssicherheit des Antragstellers aus. Die mit dem nachträglichen Typenwechsel verbundenen Probleme sind ein Grund für Überlegungen, den Bezug der Genehmigung zu einem konkreten Anlagentyp zu lösen oder zumindest zu lockern, sie sozusagen typenunabhängig zu machen.

Wie könnte eine typenunabhängige Genehmigung aussehen?

Hierzu wäre es zunächst denkbar – ausgehend von einer typengebundenen Genehmigung – lediglich auf die Typenbezeichnung zu verzichten und die zuvor durch sie konkretisierte Anlage nun durch Beschreibung der einzelnen, sich hinter der Typenbezeichnung versteckenden Parameter (z. B. Nabenhöhe, Rotordurchmesser, Schallleistungspegel) exakt zu definieren. Eine solche Genehmigung wäre insofern bereits weitgehender, da ihr Gegenstand jede Windenergieanlage wäre, die der konkret definierten Konfiguration und nicht mehr nur einem Anlagentyp mit ebendieser Konfiguration entspräche. In der Diskussion um eine typenunabhängige Genehmigung geht es allerdings nicht lediglich darum, sich vom bloßen Anlagentyp, sondern von der durch die Typenbezeichnung konkretisierten Anlagenkonfiguration zu lösen. Das könnte erreicht werden, indem der Gegenstand der Genehmigung derart umschrieben wird, dass er eine Windenergieanlage darstellt, deren Parameter sich innerhalb festgelegter Grenzen bewegen müssen. Um von der Genehmigung erfasst zu sein, müssten sich die einzelnen Parameter der später zu errichtenden Windenergieanlage innerhalb dieser festgelegten Grenzen halten. Auf diese Weise würde gewissermaßen eine Spannbreite (bzw. eine Hülle oder ein Rahmen) möglicher Anlagenkonfigurationen für die genehmigte Windenergieanlage entstehen.

Genehmigungsrechtliche Anforderungen

Festzuhalten ist zunächst, dass keine Vorschrift des BImSchG oder hierauf gestützter Verordnungen ausdrücklich die Angabe eines Anlagentyps fordert. Einer entsprechenden Anforderung wäre zumeist auch nur schwerlich nachzukommen, da es für die Mehrzahl immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftiger Anlagen – im Gegensatz zu den in Serie hergestellten Windenergieanlagen – gar keine Typen gibt. Der Genehmigungsantrag muss die Behörde allerdings in die Lage versetzen, über die Genehmigungsvoraussetzungen entscheiden zu können. So ist gemäß § 6 Abs. 1 BImSchG die Genehmigung nur zu erteilen, wenn

  1. sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 (…) ergebenden Pflichten erfüllt werden, und
  2. andere öffentlich-rechtliche Vorschriften (…) nicht entgegenstehen.“

Diese Voraussetzungen müssen grundsätzlich zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Genehmigungsantrag vorliegen. Ein Nachreichen genehmigungsrelevanter Informationen nach diesem Zeitpunkt ist nicht zulässig.

Worst-Case-Ansatz und die Frage nach der Bestimmtheit

Der Umstand, dass im Falle einer typenunabhängigen Genehmigung die Konfiguration der am Ende zu errichtenden Anlage – innerhalb der Spannbreite – unterschiedlich ausfallen kann, steht einer Überprüfung der Genehmigungsvoraussetzungen zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht grundsätzlich im Wege. Hierzu müssen allerdings Worst-Case-Ansätze und -Szenarien zur Anwendung kommen. Der Worst Case beschreibt in Bezug auf die jeweils zu prüfende Genehmigungsvoraussetzung das Maß an Beeinträchtigung, mit dem im schlimmsten Fall zu rechnen ist. Die Basis bildet hierbei stets die vom Antragsteller gesetzte Spannbreite. Geht die beeinträchtigende Wirkung z. B. von der Höhe einer Windenergieanlage aus, so bildet die höchste, innerhalb der Spannbreite mögliche Anlage den Worst Case. Grundlegende Überlegung ist dabei, dass eine Genehmigungsvoraussetzung, die auf Grundlage des betreffenden Worst Case erfüllt ist, erst recht erfüllt ist, wenn ein geringeres Maß an Beeinträchtigung vorliegt. Genehmigt wäre am Ende die Errichtung und der Betrieb einer Anlage, deren Konfiguration sich innerhalb der festgelegten Parameter hält und die zu Grunde gelegten Worst-Case-Ansätze einhält. Ein derartiger Genehmigungsbescheid wäre auch nicht von vornherein unbestimmt. Für etwaige Betroffene ist schließlich erkennbar, ob und in welchem Ausmaß sie „im ungünstigsten Fall“ vom Vorhaben betroffen sein könnten. Ein typenunabhängiger Genehmigungsbescheid könnte aber dann zu unbestimmt sein, wenn die betreffende Spannbreite zu groß wäre oder der Standort der Anlage nicht hinreichend feststehen würde. In Bezug auf den Standort besteht bei einer typenunabhängigen Genehmigung somit wenig Spielraum (siehe § 21 Abs. 1 Nr. 3 der 9. BImSchV).

Durchführbarkeit einzelner fachlicher Prüfungen

Die fachlichen Fragestellungen einer typenoffenen Genehmigung hängen eng mit den genehmigungsrechtlichen zusammen, denn schließlich erfordern die materiell-rechtlichen Genehmigungsanforderungen meist eine fachliche Prüfung. Hierbei scheinen bestimmte Bereiche auch unabhängig von einem Anlagentyp recht unproblematisch abarbeitbar zu sein. Dies sind etwa die Bereiche Brandschutz, Arbeitsschutz, Abfall, Eiswurf und Wasserschutz, bei welchen im Genehmigungsverfahren allgemeine Aussagen in Gutachten zugrunde gelegt werden und der Genehmigungsbehörde dann bei Konkretisierung auf einen Anlagentyp bzw. vor Baubeginn konkrete anlagen- und typenspezifische Konzepte nachgereicht werden können. Auch Bereiche, in welchen Gutachter der Behörde anhand von Dimensionen bzw. anhand des Worst Case eine Einschätzung und Einordnung des geplanten und zu genehmigenden Projekts plausibel darlegen können, erscheinen handhabbar. Hierzu zählen z. B. die Bereiche Natur- und Artenschutz, Forst, Denkmalschutz sowie Luftverkehr. Es gibt jedoch auch Fachbereiche, welche tatsächlich Schwierigkeiten und bisher teilweise ungelöste Fragen in sich bergen. Das sind insbesondere die Bereiche Schall und Standorteignung (Turbulenzen). Hier erweist es sich nach unseren Kenntnissen für Gutachter als schwierig, klare Methoden für eine typenunabhängige Gutachtenerstellung zu erarbeiten. Ein Vergleich mit Genehmigungsverfahren im Ausland und der dabei erstellten Gutachten könnte diesbezüglich eine Möglichkeit sein, um weitere Kenntnisse zu erlangen und neue Möglichkeiten der Gutachtenerstellung kennenzulernen.

Mögliche Folgewirkungen

Der Erlass einer typenunabhängigen Genehmigung für Windenergieanlagen könnte je nach Einzelfall bestimmte Folgewirkungen mit sich bringen. Bleibt der maximale Schallleistungspegel der realisierten Anlage etwa hinter dem zurück, was auf Grundlage der Genehmigung möglich gewesen wäre, stellt sich die Frage, ob dies nicht zu einer Blockade von Schallkontingenten und somit zu einer nicht optimalen Nutzung vorhandener Flächen führen kann. Etwaige nachfolgende Projekte müssten schließlich das genehmigte und nicht das tatsächlich genutzte Maß an Lärm als Vorbelastung ansetzen. Unabhängig davon, dass diese und weitere Folgewirkungen im Einzelfall problematisch sein können bzw. bei Behörden und Projektieren ein „Störgefühl“ erzeugen, stellen sie aber keinen Aspekt dar, der der Erteilung einer typenunabhängigen Genehmigung aus genehmigungsrechtlicher Sicht entgegengehalten werden kann.


Die Autoren:

Maximilian Schmidt ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung Umweltenergierecht und beschäftigt sich dort insbesondere mit genehmigungsrechtlichen Fragestellungen der Windenergie.

Kathrina Baur ist Rechtsreferentin bei der Fachagentur Windenergie an Land e.V. und beschäftigt sich dort mit Rechtsfragen aus der Windenergie - vornehmlich genehmigungs- sowie natur- und artenschutzrechtlichen Inhalts.

 


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