Im Artikel "Rückbau und Pfahlgründungen – ein Überblick" (siehe unten) haben wir einen allgemeinen Überblick über die Rückbauverpflichtung gemäß § 35 Abs. 5 S. 2 BauGB mit besonderem Augenmerk auf die weniger verbreitete Pfahlgründung als Form der Tiefgründung gegeben. Dabei hatten wir als Hinweis für die Praxis herausgestellt, dass es im Einzelfall mit Blick auf den Bodenhaushalt unverhältnismäßig sein kann, wenn die komplette Pfahlgründung zurückgebaut werden muss. Bislang gab es allerdings keine Unterscheidung zwischen einer Tief- und einer Flachgründung, weshalb die Genehmigungsbehörden stets den kompletten Rückbau der baulichen Anlage forderten.

Das schleswig-holsteinische Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung (MELUND) hat am 22.4.2020 einen Erlass zum Vollzug der Rückbauverpflichtung nach § 35 Abs. 5 S. 2 BauGB veröffentlicht. Hierin macht das MELUND zunächst deutlich, dass der Außenbereichsschutz grundsätzlich den vollständigen Rückbau der baulichen Anlage erfordert. Die 2004 ins BauGB aufgenommene Verpflichtung zur Abgabe einer Rückbauerklärung nach § 35 Abs. 5 S. 2 BauGB ist eine Kompensation der Ausweitung der Privilegierungstatbestände in § 35 BauGB.

Rückbaufähigkeit ist vorab zu prüfen

Mit dem aktuellen Erlass zielt das MELUND vor allem auf die Verankerung der Rückbauverpflichtung in zukünftigen Genehmigungen ab. Dabei muss der Rückbau der WEA im Außenbereich grundsätzlich realisierbar sein.

Vor diesem Hintergrund ist zukünftig die Rückbaufähigkeit in Schleswig-Holstein von vornherein mit zu prüfen. Dabei hat die Genehmigungsbehörde einen Vergleich der sich gegenüberstehenden Positionen (privilegiertes Vorhaben vs. Schutz der Umwelt) vorzunehmen.

Im Rahmen dieser Betrachtung sind die Rückbaufähigkeit des Vorhabens, die Realisierbarkeit und die Auswirkungen des vollständigen Rückbaus mit einzubeziehen.

Folglich ist nach Auffassung des MELUND die Rückbaufähigkeit des Vorhabens keine materiell zwingende Zulässigkeitsvoraussetzung im Sinne der Vermeidung eines Eingriffs, sondern als weitreichende Minimierungsanforderung für mögliche zu berücksichtigende Folgewirkungen eines Vorhabens zu verstehen.

Ist also ein vollständiger Rückbau nicht möglich, muss er zumindest so ausgerichtet sein, dass der Erhalt der Funktionen des Außenbereichs weitreichend sichergestellt ist.

Wenn also bereits in der Phase der Planung absehbar ist, dass eine Pfahlgründung zur Gewährleistung der Standsicherheit erforderlich und der zukünftige Rückbau aller Voraussicht nicht ohne die Verletzung geschützter Umweltrechtsgüter möglich ist, darf dies nunmehr im Regelfall nicht zu einer Unzulässigkeit des Vorhabens führen. Vielmehr ist nach der endgültigen Stilllegung der WEA die dann beste – also weitestreichende – Rückbauoption zu fordern.

Erlass auch für Bestandsanlagen geltend

Da die gutachterliche Entscheidung, ob der vollständige Rückbau tatsächlich realisierbar ist, oftmals viel Zeit in Anspruch nimmt, sollen die Genehmigungsbescheide mit Nebenbestimmungen in Form auflösend bedingter Rückbauverpflichtungen erstellt werden.

Der Erlass bezieht sich zudem sowohl auf Bestandsanlagen, die mit einer Genehmigung betrieben werden, die vor dem 20.07.2004 erteilt wurde, als auch auf Anlagen die mit einer Genehmigung nach dem 20.07.2004 betrieben werden.

Für Windenergieanlagen, die mit einer „Altgenehmigung“ (vor dem 20.07.2004) betrieben werden, hat der Bundesgesetzgeber in § 233 Abs. 3 BauGB eine abschließende Regelung getroffen. Danach gelten (bisherige) Entscheidungen fort, sodass die Rückbauverpflichtung auf diese Anlagen nicht anwendbar ist. Für diese WEA ist nach der Intention des MELUND der vollständige Rückbau anzustreben, jedenfalls aber der Rückbau bis zu einer Tiefe von 2 Metern unter der Geländeoberfläche. Für Bestandsanlagen mit einer Genehmigung nach dem 20.07.2004 gilt die Rückbauverpflichtung im Sinne des § 35 Abs. 5. S.2 BauGB. Sollten sich im Zuge der dauerhaften Nutzungsaufgabe unvorhergesehene Umstände einstellen, bedarf es einer Einzelfallentscheidung bezüglich des Umfangs des Rückbaus durch die Genehmigungsbehörde unter entsprechender Beteiligung der unteren Bauaufsichtsbehörde als Fachbehörde.

Es bleibt zu hoffen, dass andere Bundesländer dem Beispiel Schleswig-Holsteins folgen. Denn unter Berücksichtigung aller Belange, sowohl der geschützten Umweltrechtsgüter als auch des zumutbaren Rückbaus durch den Anlagenbetreiber, stellt es die tauglichste Lösung im Zusammenhang mit dem Rückbau der Tiefgründung dar und behält zudem den Einzelfall im Blick.


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Weiterführende Information:


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