In den vergangenen Monaten dürfte sich folgender – überspitzt formulierter – Dialog häufiger zwischen Anlagenbetreiber (AB) und Netzbetreiber (NB) abgespielt haben:

  • Anlagenbetreiber: „Ich möchte meine EE-Anlage an Dein Netz anschließen und Strom einspeisen.“
  • Reaktion Netzbetreiber: „Gerne – auf Deine Kosten, in fünf Jahren und 10 km vom Anlagenstandort entfernt!“

 

Versäumter Netzausbau

Hintergrund der Antwort des NB ist oftmals eine zu hohe Auslastung der Netze, beruhend auf dem versäumten Netzausbau in der Vergangenheit. Hinzu kommen konkurrierende Anschlussanfragen anderer AB und die Angst des NB vor der Kostentragung im Rahmen des Netzausbaus. Angesichts der „mauernden“ Haltung des NB stellen sich für den AB zahlreiche Fragen: Welcher Netzverknüpfungspunkt (NVP) steht mir nach dem EEG zu? Wann darf ich meine Anlage anschließen? Kann ich einen anderen NVP wählen? Kann der NB diese Wahl konterkarieren? Wie kann ich die Aussagen des NB prüfen? Wer zahlt was, wenn meine Anlage ans Netz geht? 


Gesamtwirtschaftlich günstigster NVP

Die Antwort auf die Frage, welcher NVP dem AB zusteht, gibt § 8 Abs. 1 EEG 2023. Geschuldet ist danach der technisch und gesamtwirtschaftlich günstigste NVP, wobei nur die unmittelbar durch den Netzanschluss entstehenden Kosten zu berücksichtigen sind. Vorsicht Falle: Die technische Eignung orientiert sich primär an der Eignung der Spannungsebene. Die zu geringe Netzkapazität ist zwar beliebtes, aber kein taugliches Argument des NB zur Verweigerung des Netzanschlusses. Denn gem. § 8 Abs. 4 EEG 2023 besteht die Pflicht zum Netzanschluss auch dann, wenn die Abnahme des Stroms erst durch Netzerweiterungsmaßnahmen gem. § 12 EEG 2023 möglich wird. 

Dass der gesamtwirtschaftlich günstigste NVP geschuldet ist, bedeutet ein Vorgehen nach dem „Scheuklappenprinzip“. Geschaut wird nicht, ob der NVP für den AB oder für den NB am günstigsten ist, sondern im Rahmen eines Variantenvergleichs, welche Summe „unter dem Strich steht“. Hintergrund hierfür ist, dass der NB die Kosten des Netzausbaus nicht aus eigener Tasche zahlt, sondern sie bei der Netzentgeltermittlung in Ansatz bringt – der Letztverbraucher soll also nicht (zu) hohe Netzausbaukosten tragen.  Dass nur unmittelbar durch den Netzanschluss entstehende Kosten Berücksichtigung finden, schließt die Geltendmachung von mittelbaren Kosten wie Verluste bei längeren Anschlussleitungen sowie Trafoverluste aus. 


Unverzüglicher Netzanschluss

Die Antwort, wann der Anlagenbetreiber seine Anlage anschließen darf, gibt ebenfalls § 8 Abs. 1 EEG 2023. Danach ist der Netzanschluss am gesamtwirtschaftlich günstigsten NVP „unverzüglich“ geschuldet. Problematisch ist jedoch, dass der Begriff „unverzüglich“ keine nach Wochen oder Monaten bemessene Frist enthält. Nach der Gesetzesbegründung ist „unverzüglich“ gleichzusetzen mit „ohne schuldhaftes Zögern“. Der AB muss also nachweisen, dass der NB „schuldhaft“ gezögert hat…leider oftmals ein „Kampf bergauf“.


Wahlrecht des AB

Ob der AB einen anderen NVP wählen darf, regelt § 8 Abs. 2 EEG 2023 – ja, darf er, es sei denn, die daraus resultierenden Mehrkosten des NB sind nicht unerheblich. Laut BGH liegt die Grenze bei einem Mehraufwand von 60 % im Vergleich zur Ausgangsvariante. Die Beweislast für die Erheblichkeit der Mehrkosten trägt der NB. Soweit die gute Nachricht. Aber: 


Zuweisungsrecht des NB

Leider kann der NB das Wahlrecht des AB konterkarieren, denn gem. § 8 Abs. 3 EEG 2023 darf der NB einen anderen als den gesetzlich geschuldeten und/oder gewählten NVP zuweisen, es sei denn, dort wäre die Abnahme des Stroms nicht sichergestellt. Fazit: Der NB setzt sich durch – nur ein kleines Trostpflaster ist, dass der NB die aus der Zuweisung resultierenden Mehrkosten tragen muss, § 16 Abs. 2 EEG 2023. 


Auskunftsrechte des AB

Angesichts der konkurrierenden Rechte von AB und NB und des „letzten Wortes“ des NB hat der AB ein virulentes Interesse, die Richtigkeit der Aussagen des NB zu prüfen. Hierzu normieren § 8 Abs. 5 und 6 EEG 2023 umfassende Auskunftsrechte des AB, so kann er z.B. die Übermittlung eines Bearbeitungszeitplans für sein Netzanschlussbegehren verlangen, ebenso die Herausgabe von Netzdaten. Von diesen Rechten sollte der AB im Zweifel dringend Gebrauch machen und die Aussagen des NB ggf. durch einen Sachverständigen prüfen lassen. Denn sollte der vom NB als gesamtwirtschaftlich günstigster NVP deklarierte NVP in Wahrheit teurer als ein anderer NVP sein, kommen Schadensersatzansprüche des AB in Betracht. 


Gesetzliche Kostenverteilung

Die Antwort auf die Frage, wer was im Rahmen des Netzanschlusses zahlt, ist „eigentlich“ ganz einfach: Die notwendigen Anschlusskosten trägt gem. § 16 Abs. 1 EEG 2023 der AB, die Kosten des Netzausbaus der NB, § 17 EEG 2023. Es stellt sich aber regelmäßig die „Gretchenfrage“: Was ist (noch) Netzanschluss, was (schon) Netzausbau? 

Zunächst kommt eine räumliche Abgrenzung in Betracht. Alles von der Anlage bis zum NVP ist Netzanschluss, alles jenseits des NVP ist Netzausbau. Ergänzend kommt die funktionale Abgrenzung hinzu: Die Ausbaupflicht erstreckt sich gem. § 12 Abs. 2 EEG 2023 auf sämtliche für den Betrieb des Netzes notwendigen technischen Einrichtungen sowie die Anschlussanlagen im Eigentum des NB.


Typische Streitfälle in der Praxis:

Gibt das EEG also ein Grundmuster von Rechten und Pflichten der beim Netzanschluss Beteiligten vor, so stellen sich in der Praxis doch häufig typische Streitfälle. 


Reservierung von Einspeisekapazität?

Ein charakteristischer Fall ist die Reservierung von Einspeisekapazität, die dann relevant wird, wenn der AB vom NB eine Netzanschlusszusage für einen NVP zu einem Zeitpunkt erhält, in dem die Anlage noch nicht errichtet ist. Kann nun der AB vom NB die Reservierung von Einspeisekapazität für einen Zeitraum X fordern? Fraglich, da der Anspruch auf Anschluss jedenfalls dann (erst) entsteht, wenn die Anlage anschlussfertig errichtet ist. Dies ist jedoch kaum vereinbar mit der Realität, denn welcher AB plant eine Anlagenerrichtung ohne Gewähr der zukünftigen Einspeisemöglichkeit? Insbesondere die finanzierenden Banken fordern oftmals die Reservierung – die der NB jedoch häufig verweigert. Hintergrund der Weigerungshaltung des NB ist oftmals die Angst vor Schadensersatzansprüchen anderer Anlagenbetreiber, was folgendes Beispiel illustriert: PV-Projekte sind regelmäßig schneller realisiert als Wind-Projekte. Erteilt der NB dem Wind-AB eine Reservierung von Einspeiseleistung, ist diese geblockt. Sind andere PV-Projekte schneller anschlussfertig errichtet und „überholen“ das Windprojekt, kann der NB diese PV-Projekte ggf. wegen der „geblockten“ Kapazität für das Wind-Projekt nicht mehr unverzüglich gem. § 8 Abs. 1 EEG 2023 anschließen. Es drohen also Schadensersatzansprüche des PV-Betreibers…

Ein wenig Klarheit hat nunmehr ein – erst kürzlich veröffentlichtes – Urteil des BGH vom 21.03.2023 (Az. VIII ZR 2/20) gebracht: Laut BGH besteht zwar keine Pflicht des NB zur Reservierung von Einspeisekapazität, jedoch ist eine solche grundsätzlich zulässig.  D.h. der NB darf bereits vor anschlussfertiger Errichtung einer Anlage Einspeisekapazität reservieren – auch mit Wirkung gegen einen Konkurrenten. Erforderlich ist jedoch ein transparentes und diskriminierungsfreies Verfahren des NB. In der Praxis erfolgt oftmals ein Ranking der Anschlusswilligen nach Vorhandensein von Bau-/BImSchG-Genehmigung, Zuschlag im Ausschreibungsverfahren, etc. Der AB muss also prüfen: Behandelt der NB „Gleiches gleich“? Wenn nein, sollte der AB rechtliche Schritte in Erwägung ziehen. 


Uneinigkeit über gesamtwirtschaftlich günstigsten NVP

Stehen mehrere NVPs in Rede, besteht häufig Uneinigkeit zwischen AB und NB, welcher am günstigsten ist. Grund hierfür können insbesondere unterschiedliche Zahlen bei Einkaufpreisen von Material und Lohnkosten sein. Das Ende vom Lied: Der NB weist dem AB gem. § 8 Abs. 3 EEG 2023 den aus seiner Sicht gesamtwirtschaftlich günstigsten NVP zu – den der AB gerade nicht für den günstigsten hält. Was tun aus Sicht des AB? Variante 1 wäre die Klage auf Netzanschluss an den aus Sicht des AB gesamtwirtschaftlich günstigsten NVP. Nachteil: Es droht ein langwieriger und teurer Gerichtsprozess, währenddessen die Anlage nicht ans Netz kommt. Variante 2 folgt dem Motto „Dulde und Liquidire“: Die Anlage wird an den vom NB zugewiesenen NVP angeschlossen und sodann macht der AB Schadensersatzansprüche geltend. Dies ist oftmals vorzugswürdig, denn die Anlage kann ohne Zeitverlust ans Netz gehen und der AB kann sich „in Ruhe“ für den Schadensersatzprozess mit Zahlenmaterial und selbst eingeholten Sachverständigengutachten „munitionieren“. 


Provisorischer Netzanschluss

Ausgangsfall ist folgender: Eine EE-Anlage soll an einem neu zu liefernden Schaltfeld X eines Umspannwerks angeschlossen werden, es verspätet sich aufgrund von Lieferengpässen. Ein Interimsanschluss an einer benachbarten Trafostation wäre möglich. Wie ist die Rechtslage? Gar nicht so einfach, es existieren unterschiedliche Sichtweisen: Der NB argumentiert oftmals, dass – nur – der endgültige Anschluss geschuldet sei. Hiergegen spricht unseres Erachtens jedoch der Wortlaut des § 8 Abs. 1 EEG 2023, aus dem gerade nicht hervorgeht, dass der Anschluss endgültig sein muss. Es muss sich eben – aber auch nur – um den gesamtwirtschaftlich günstigsten NVP handeln. Da nach dem EEG ein taggenauer Anschlussanspruch des AB besteht, kann sich dieser durchaus auch auf den provisorischen NVP erstrecken. 


Zusammenfassung und Ausblick

Die obigen Ausführungen zeigen, dass das Konfliktpotential im Rahmen des Netzanschlusses nicht gering ist – auch in Zukunft dürfte sich die Situation angesichts der ausgelasteten Netze und des oftmals schleppenden Netzausbaus erst einmal nicht verbessern. Insofern ist jeder Anlagenbetreiber gut beraten, das Wort des Netzbetreibers nicht als gegeben zu nehmen, sondern es kritisch – ggf. unter Hinzuziehung anwaltlicher Hilfe – zu hinterfragen.

 

Über die Autorin

Katharina Vieweg-Puschmann, LL.M., Jahrgang 1983, Jurastudium an der Universität zu Köln und der Université de Paris I (Panthéon-Sorbonne). 2010 - 2013 Tätigkeit in einer internationalen Wirtschaftskanzlei im Energierecht und Energiekartellrecht. Seit 2013 Tätigkeit in der auf das Recht der Erneuerbaren Energien spezialisierten Kanzlei Engemann & Partner in Lippstadt.

 


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