Für den Windenergieausbau an Land, der 2018 und 2019 einen massiven Einbruch erlitten hatte, kann trotz der Herausforderungen des Corona-Jahres eine vergleichsweise positive Bilanz gezogen werden. Mit einem Zubau von knapp 1,5 Gigawatt (GW) im Jahr 2020 erholt sich die Branche vom Tiefpunkt aus dem Jahr 2019. Zwar konnte noch nicht an die Rekordjahre von 2014 bis 2017 angeknüpft werden, gleichwohl ist die Talsohle von Zubau und Genehmigung vorerst überwunden.

Der mit dem EEG 2021 verabschiedete Ausbauplan sieht bis 2030 eine installierte Leistung von 71 GW für die Windenergie an Land vor. Eine erneute Anpassung des Ausbaupfads ist vor dem Hintergrund der neuen europäischen Klimaschutzziele kurzfristig möglich. Für die Windenergie auf See begann 2020 eine erwartete Ausbaupause, doch der Blick in die Zukunft lässt die Realisierung der 2017 und 2018 ausgeschriebenen Offshore-Windenergieprojekte mit 3,1 GW zusätzlicher Leistung bis 2025 erhoffen. Die anstehenden Ausschreibungen der Projekte zur Erfüllung der erhöhten Ausbaubauziele bis 2030 schaffen ein neues Momentum in der Branche. 

Vestas und Enercon halten zwei Drittel des Marktvolumens

Platzhirsche auf dem deutschen Onshore-Markt sind nach wie vor die beiden Hersteller Vestas und Enercon, die jeweils etwa ein Drittel der installierten Leistung im Jahr 2020 bereitstellen. Vestas liegt hier wieder knapp vor Enercon. Im verbleibenden Drittel der neu installierten Leistung sichern sich die Anlagenhersteller Nordex und GE mit 15 % bzw. 10 % den größten Anteil, aber auch Siemens Gamesa, Vensys und eno energy haben 2020 wieder Anlagen in Deutschland installiert. 

Die Anteile der Hersteller am Zubau spiegeln sich auch in den Top 10 der Anlagentypen des Jahres wider: Vestas und Enercon dominieren die Liste, und auch Nordex und GE können ihre beliebtesten Anlagentypen plazieren. Der am häufigsten installierte Anlagentyp des Jahres ist die V126 von Vestas. Die Anlage ist in mehreren Leistungsstufen verfügbar und wurde mit einer Nennleistung von 3,3 bis 3,6 Megawatt (MW) installiert. Dieser Trend ist über verschiedene Hersteller hinweg zu beobachten: Viele Anlagentypen werden mit unterschiedlichen Nennleistungen innerhalb eines Leistungsbereichs (einer Plattform) angeboten.

Die zweithäufigste installierte Anlage des Jahres ist überraschend die Enercon E-92, mit nur 2,35 MW und 92 Metern Rotordurchmesser eine im Vergleich eher kleine Anlage. Der anhaltende Zubau solcher Anlagentypen – auch die E-82 erreicht noch den Platz 10 – zeigt, dass nach wie vor Bedarf an Windenergieanlagentypen besteht, mit denen standortspezifische Restriktionen eingehalten werden können. An Standorten ohne solche Restriktionen werden erwartungsgemäß andere Anlagentypen bevorzugt. Mit großer Anlagenleistung (bis zu 5,7 MW im Jahr 2020), großen Rotordurchmessern (bis 158 Meter) und entsprechenden Nabenhöhen (bis 166 Meter) lassen sich die begrenzt verfügbaren Standorte bestmöglich ausnutzen. Mit der N149 von Nordex (Rang 5) oder der Vestas V150 (Rang 8) zeigt sich, dass die ambitionierten Konfigurationen mit über 4 MW keine Randerscheinungen mehr sind.

6.X-MW-Anlagen werden für den Markteintritt vorbereitet

Die neuesten Entwicklungen der Hersteller übertreffen diese Konfigurationen. Mit einer Nennleistung über 6 MW oder einem Rotordurchmesser über 160 Meter stehen bald Anlagen in Dimensionen zur Verfügung, die bisher nur offshore üblich waren. Für den Offshore-Bereich wurde kürzlich eine VestasAnlage mit 236 Metern Rotordurchmesser und 15 MW Nennleistung angekündigt. Noch sind diese Typen nicht errichtet, aber sie zeigen, wohin die Entwicklung geht.

Fortschritte in der Technologieentwicklung

Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die durchschnittliche installierte Technologie nicht erheblich verändert. Mittlere Nennleistung, Nabenhöhe und Rotordurchmesser befinden sich auf vergleichbarem Niveau zu 2018 und 2019. In der Folge sind auch die mittlere Gesamthöhe und die durchschnittliche spezifische Flächenleistung, die das Verhältnis der Nennleistung zur überstrichenen Rotorfläche ausdrückt, relativ stabil.

Blickt man allerdings weiter zurück und betrachtet die Windenergieentwicklung seit ihren Anfängen, wird deutlich, was die Branche bereits geschafft hat. Mit Gesamthöhen von im Mittel knapp 200 Metern überragen die heutigen Anlagen ihre Vorgänger deutlich. Noch vor fünf Jahren lag die durchschnittliche Gesamthöhe der Neuinstallationen bei 175 Metern, 2010 wurden im Durchschnitt 138 Meter hohe Anlagen errichtet und 2000 lag der Durchschnitt mit 97 Metern um die Hälfte unter den heutigen Werten (s. Grafik unten). Neben den sichtbaren Steigerungen von Rotordurchmessern und Nabenhöhen hat sich auch die Nennleistung vervielfacht.

Im Jahr 2000 lag die mittlere Nennleistung einer neu installierten Anlage bei etwa 1,1 MW, mit aktuell 3,4 MW gab es hier in den letzten 20 Jahren eine Verdreifachung.

Die modernen Anlagen bringen neben neuen Herausforderungen für Transport und Logistik viele Vorteile mit sich. Zu nennen sind nicht nur die höhere Leistung und entsprechend niedrigere spezifische Kosten (€/kWh), die modernen Anlagen können aufgrund ihrer Höhe zudem Bereiche mit besseren Windgeschwindigkeiten erreichen. Die größeren Rotordurchmesser können mehr Energie aus dem Wind ziehen – das steigert die Energieerträge.

Moderne Windenergieanlagen erzielen höhere Energieerträge

Dass die immer größeren Maschinen mehr Strom erzeugen, ist wenig überraschend – stark vereinfacht könnte bei einem doppelt so großen Generator die doppelte Strommenge oder bei doppelter Blattlänge der vierfache Stromertrag erwartet werden. Tatsächlich ist das Ertragspotential neben Generatorleistung und Blattleistung von vielen anderen Faktoren abhängig, wie Windhöffigkeit, Parklayout, Verfügbarkeit, genehmigungsrechtliche Restriktionen und Anlagenkonfiguration.

Eine im Auftrag von BWE und LEE NRW durchgeführte Analyse zeichnet diese Entwicklung nach. Zur besseren Vergleichbarkeit der betrachteten Anlagen steht hier statt der absoluten Energieerträge die relative Größe der Volllaststunden im Fokus. Die im Jahr 2000 installierten Windenergieanlagen erzielen z. B. im Süden heute im Mittel etwa 1.210 Volllaststunden und in Schleswig-Holstein ca. 1.770 Volllaststunden.
Moderne Anlagen, die 2017 in Betrieb genommen wurden, erreichen im Durchschnitt mit etwa 2.070 h im Süden und 2.560 h in Schleswig-Holstein eine deutlich höhere Volllaststundenzahl (s. Grafik unten).

Seither entwickelt sich die Technologie, die an deutschen Windenergiestandorten installiert wird, beständig weiter. Stehen dem keine nachteiligen Entwicklungen entgegen – z. B. durch steigendes Einspeisemanagement oder verschärfte genehmigungsrechtlich bedingte Abregelungen –, wird die zukünftige Technologie voraussichtlich zu einer weiteren Steigerung der Volllaststunden und zu einer verbesserten Nutzung der verfügbaren Standorte beitragen.

Realisierung der Ausschreibungsanlagen, aber kaum Bürgerwind

Die meisten Projekte, die im Jahr 2020 realisiert wurden, haben sich in den Ausschreibungen der Jahre 2018 und 2019 einen Anspruch auf EEG-Förderung gesichert. Mit der Umsetzung im letzten Jahr konnten sie ihre Realisierungsfristen einhalten. Dennoch zeigt sich, dass sich der durchschnittliche Zeitraum zwischen Genehmigung und Inbetriebnahme der Windenergieanlagen seit der Einführung der Ausschreibungen erhöht hat. Die durchschnittliche Realisierungsdauer in den Jahren 2015–2017 lag bei geförderten Anlagen nach dem alten EEG bei etwa 11 Monaten.
Bei Windenergieanlagen mit Inbetriebnahme 2019 und 2020 liegen hingegen durchschnittlich 24 Monate zwischen Genehmigung und Inbetriebnahme.

Trotz der Corona bedingten Verlängerung der Realisierungsfristen um sechs Monate verfallen im Frühjahr 2021 die ersten Zuschläge aus dem Jahr 2018. Wurde nicht zum Beispiel aufgrund einer Klage eine Verlängerung der Frist genehmigt, wird eine Pönale in Höhe von 30.000 €/MW fällig und der Förderanspruch verfällt. Anlagen, die im Jahr 2017 unter den besonderen Ausgangsbedingungen für Bürgerenergieprojekte (BEG-Projekte) ohne BImSchG-Genehmigung an einer Ausschreibungsrunde teilgenommen haben, wurden bisher kaum realisiert. Die Zuschläge verfallen aufgrund der verlängerten Realisierungsfrist theoretisch erst 2022. Ob die Bieter den Zuschlägen bis dahin noch eine Genehmigung zuordnen, ist ungewiss. Auf einigen Flächen, die den BEG-Projekten von 2017 zugeordnet waren, wurden zwischenzeitlich Genehmigungen erteilt. Die hier genehmigten Anlagen sind jedoch zum Teil unter den geänderten Rahmenbedingungen ab 2018 neu bezuschlagt worden (s. Grafik unten).

Mehr Genehmigungen sind erforderlich, um den Windstrombedarf zu decken

Das Nadelöhr für die weitere Entwicklung der Windenergie in Deutschland stellen allerdings nicht die Ausschreibungen dar. Auch die Ausschreibungsrunden 2020 waren fast alle unterzeichnet (s. Grafik unten). Um an der Ausschreibung teilzunehmen, muss die geplante Anlage bereits über eine BImSchG-Genehmigung verfügen und im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur registriert sein. Im Jahr 2020 wurden insgesamt 3,3 GW Genehmigungen registriert. Ein genauer Blick in die Daten offenbart noch einige Doppel- oder Falschmeldungen, dennoch hat sich die Genehmigungssituation gegenüber den Vorjahren verbessert. Das zeigt sich auch an der Beteiligung an den Ausschreibungen. Im Jahr 2020 wurde in sieben Ausschreibungsrunden für Windenergie an Land ein Volumen von insgesamt 3.860 MW ausgeschrieben. Für 2.672 MW wurde ein Zuschlag erteilt. Etwa 32 % des ausgeschriebenen Volumens blieben damit ohne Vergabe. Zum Vergleich: Im Vorjahr lag diese Quote noch bei 50 %. Die Genehmigungsmenge reicht dennoch nicht aus, um den Bedarf an Strom aus Windenergie zu decken, der in Form des Ausschreibungsvolumens festgeschrieben ist. Trotz der Unterzeichnung konnten durch Ausschluss des Gebots (etwa aufgrund von Formfehlern) oder ausgeschöpfte Volumina im jeweiligen Netzausbaugebiet einige Anlagen nicht bezuschlagt werden. In der jeweils nachfolgenden Ausschreibung konnten diese Anlagen erneut teilnehmen und sich einen Zuschlag sichern. In der letzten Ausschreibungsrunde konnten sich dann aufgrund der Überzeichnung 237 MW keinen Förderanspruch sichern. Diese Windenergieanlagen müssen erneut bieten. Es soll 2021 bei nur noch drei Ausschreibungsterminen ein Volumen von 4,5 GW für die Windenergie an Land vergeben werden. Um dieses Volumen zu füllen, müssen Genehmigungen neuer Projekte schnellstmöglich im Frühjahr und Sommer erfolgen. Später erteilte Genehmigungen können sich erst wieder an den Ausschreibungen im Jahr 2022 mit einem deutlich geringeren Volumen von insgesamt 2,9 GW um einen Förderanspruch bewerben. Anders als 2020 wird in den kommenden Ausschreibungen das Netzausbaugebiet nicht mehr wirken. Anlagenbetreiber, die Projekte in den betreffenden Kreisen im Norden des Landes planen, müssen folglich nicht mehr befürchten, dass sie aufgrund der netzkapazitätsbedingten zusätzlichen Zubaubeschränkung in den Ausschreibungen nicht zum Zuge kommen werden (s. Grafik unten).

Schwerpunkt des Zubaus liegt im Norden Deutschlands

Wie aufgrund der Zuschlagsverteilung in den vergangenen Jahren zu erwarten war, wurde der Zubau der Windenergie an Land im Jahr 2020 zu einem Großteil in der nördlichen Landeshälfte realisiert. Drei Viertel der neu installierten Leistung werden durch die Länder Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern gestellt. Auf die südliche Landeshälfte entfallen weniger als 25 % der Neuinstallationen.

Die Ergebnisse der aktuellen Ausschreibungsrunden lassen erwarten, dass auch der Zubau der Jahre 2021 und 2022 vor allem im Norden stattfinden wird. Die meisten Zuschläge im Jahr 2020 entfielen auf Schleswig-Holstein (583 MW), gefolgt von Niedersachsen (503 MW), Nordrhein-Westfalen (456 MW) und Brandenburg (434 MW). Einige der Änderungen im EEG 2021 sind entsprechend darauf ausgelegt, die Konzentration auf Norddeutschland wieder zu entzerren. Die Ausweitung der Standortdifferenzierung über das Referenzertragsmodell auf Standortgüten bis 60 % unterstützt ertragsschwache Standorte und soll zusätzliche Flächen aktiveren. Die vorbehaltlich der Notifizierung durch die Europäische Kommission vorgesehene Einführung einer Südzone soll ab 2022 im Wettbewerb eine bevorzugte Bezuschlagung von Südstandorten bis zu 15 % bzw. ab 2023 bis zu 20 % des Ausschreibungsvolumens herbeiführen.

Die Wirkung der Maßnahmen zur Optimierung der regionalen Verteilung ist jedoch davon abhängig, ob eine ausreichende Anzahl von Genehmigungen erteilt wird. Die Gewinnung neuer Standorte und ein sinnvolles Repowering können nur durch die gemeinsame Anstrengung aller Akteure gelingen – vom künftigen Anlagenbetreiber über die Planungs- und Genehmigungsbehörden bis zu den Landeigentümern und Anwohnern. Dies ist notwendig, um die Energiewende mit einem entscheidenden Anteil der Windenergie an Land weiter voranzutreiben. 


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