Schaut man auf die Anlagenüberwachung mit einem ganzheitlichen Ansatz (also nicht nur auf einzelne Komponenten wie z.B. den Triebstrang) wird schnell klar, dass die Fülle an Informationen kaum mehr manuell handhabbar ist. Eine moderne Windenergieanlage verfügt heute über knapp 2000 Betriebsdatenpunkte wie Temperaturen, Drücke oder Ströme. Hinzu kommen Messdaten und Ergebnisse von Spezialsystemen wie Rotorblatt-, Struktur- oder Triebstrangüberwachung. Will man alle diese Daten aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten und Abweichungen von deren Normalzuständen interpretieren, oder müssen diese Daten für unterschiedliche Überwachungsaufgaben speziell aufbereitet und weiter-verarbeitet werden, entstehen schnell zehntausende von Parametern pro Anlage, die überwacht werden müssen. Diese einzeln zu überwachen, ist nur mit sehr hohem manuellen Aufwand leistbar.

Werden diese vielen Parameter allerdings mit Schäden und Ereignissen kombiniert, wie sie sich z.B. aus Instandsetzungsprotokollen (Service Berichte) ergeben, entsteht ein Datensatz, mit dem maschinelles Lernen möglich wird.

Betrachtet man ausschließlich den Sensor als solchen, ist beispielsweise lediglich ein Rückschluss auf eine überhöhte Temperatur des Getriebe-öls möglich. Die Ursache dessen lässt sich häufig allein aus der Sensorinformation nicht schlussfolgern. Die Verknüpfung mit unterschiedlichen Daten erlaubt jedoch wesentlich präzisere Aussagen. Diese könnte bei-spielsweise sein: „Getriebeölkühler defekt mit einer Wahrscheinlichkeit von 97 %“. Hierbei wurden Informationen weiterer Sensoren wie Getriebeöldrücke, Lagertemperaturen, Kühleraktivitäten, usw., mit Instandsetzungsinformationen vergangener Serviceeinsätze kombiniert und die wahrscheinlichste Diagnose errechnet. Für die Instandsetzung wäre dies ein enormer Vorteil, da das voraussichtlich benötigte Ersatzteil von dem Instandsetzungspersonal direkt mitgenommen werden kann und die Fehleranalysezeit und damit die Ausfalldauer deutlich verkürzt wird.

Die Unterscheidung der verschiedenen möglichen Diagnosen gelingt, da die Daten aus unterschiedlichen Blickwinkeln miteinander in Beziehung gesetzt werden. So kann ein einzelner Sensordatenpunkt, aus verschieden Perspektiven betrachtet, bei der Lokalisierung des Schadens helfen. Das Prinzip wird deutlich, wenn man sich beispielhaft einen Defekt des Windgeschwindigkeitssensors vorstellt. Das Signal Windgeschwindigkeit kann aus verschieden Richtungen eingeordnet werden: 

  • Passt die Windgeschwindigkeit noch zur Wirkleistung?
  • Verhält sich das Signal an sich auffällig (z.B. verhält sich träger oder im Niveau verändert)?
  • Bei zwei verbauten Sensoren: Weicht die Windgeschwindigkeit A von der Windgeschwindigkeit B der gleichen Anlage ab?
  • Hat sich das Verhältnis der Windgeschwindigkeit von der einen Anlage zur Windgeschwindigkeit der Nachbaranlage geändert?

All diese Fragen lassen sich mit modernen Überwachungsmethoden adressieren und in Form von Parametern ausdrücken, die eine jeweilige Abweichung beschreiben. Problematisch ist allerdings dabei, dass jede Überwachungsmethode nicht 100 % genau und damit fehleranfällig ist. Ein solches System produziert ohne weitere Nachbearbeitung eine Vielzahl an Alarmen, welche nur für den Einzelfall händisch analysierbar sind und zur richtigen Diagnose führen. Angewendet auf eine Vielzahl von Anlagen versagt der Ansatz, weil man schlicht den „Wald vor lauter Bäumen“ nicht mehr sieht. 

Aus Sicht von Anlagenbetreibern liegt die Herausforderung im Condition Monitoring daher heute also nicht mehr in den vielen Spezialmesssystemen, sondern in der Verknüpfung der vielfältigen Informationen zu einer Gesamtaussage. Hier können die Entwicklungen im Bereich der künst-lichen Intelligenz einen entscheidenden Anteil dazu beitragen, dass oben geschilderte Problem zu lösen und auf die breite Masse der Anlagen anzuwenden. Hierdurch können Diagnosen präzisiert, Stillstandszeiten verkürzt und damit der Energieertrag gesteigert werden.

An der Entwicklung eines solchen Systems wird derzeit mit Hochdruck im Rahmen des vom BMWK geförderten Projektes „Condition Monitoring 4.0“ gearbeitet. Die Ergebnisse werden der Branche zur Verfügung gestellt.


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