Einleitung

Anlass des Positionspapiers

Am 29. März 2023 trat § 6 Abs. 1 S. 4 Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) in Kraft, mit dem der Bundesgesetzgeber einen ersten Schritt zur deutschlandweiten Vereinheitlichung des Fledermausschutzes unternommen hat. Diese Vorschrift ist Teil der gesetzgeberischen Bemühungen, wie auch das sogenannte „Osterpaket“ aus dem Jahr 2022, um die festgelegten Klima- und Strommengenziele durch den Einsatz Erneuerbarer Energien zu erreichen. Trotz inhaltlicher Kritik, die der Bundesverband WindEnergie (BWE) an den einzelnen Maßnahmen des Osterpakets und des § 6 WindBG geübt hat1 und weiterhin übt, begrüßt der Verband insbesondere den Ansatz der bundesweiten Vereinfachung und Standardisierung von Regelungen und Prozessen. Ein Beispiel hierfür ist das betriebsbedingte Tötungsverbot kollisionsgefährdeter Brutvogelarten gemäß § 45b Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG). Zur weiteren Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren und somit des Ausbaus der Windenergie fordert der BWE eine bundeseinheitliche Standardisierung des Fledermausschutzes nach diesem Vorbild, wie im Koalitionsvertrag angekündigt2.

Der Schutz von Fledermäusen ist ein wichtiger Teil des Artenschutzes. Der Klimawandel bedroht die Lebensräume von Fledermäusen und eine wichtige Maßnahme dagegen ist der Ausbau Erneuerbarer Energien, insbesondere der Windenergie. Der Ausbau von Windenergieanlagen (WEA) sollte somit dazu beitragen, Fledermäuse langfristig zu schützen. Allerdings können WEA auch ein Risiko für einzelne Individuen darstellen, da diese mit den Anlagen kollidieren können. Deshalb müssen Maßnahmen getroffen werden, um den Bau und Betrieb von WEA fledermausfreundlich zu gestalten und die artenschutzrechtlichen Vorgaben umzusetzen.

Die Windenergiebranche sieht sich mit zeitintensiven und nicht aussagekräftigen Voruntersuchungen konfrontiert, wie beispielsweise Transektbegehungen, Dauererfassung oder Telemetrie. Hinzu kommen unterschiedliche Vorschriften zum Schutz von Fledermäusen auf Länderebene, was zu erheblichen Verzögerungen bei der Umsetzung von Projekten führt.

Um Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und Prozesse sowie Maßstäbe auf Seiten der Behörden zu vereinheitlichen, fordert der Verband den Bundesgesetzgeber auf, Regelungsbereiche zum Schutz von kollisionsgefährdeten Fledermausarten im BNatSchG zu adressieren. Dies soll einen föderalen Flickenteppich und damit einhergehende rechtliche und faktische Unsicherheiten vermeiden. Dabei sollte der Grundsatz bestehen, nur solche Untersuchungen festzuschreiben, die entscheidungserhebliche Erkenntnisse für die relevanten Prüfungen liefern, so z.B. die Besatzkontrolle.

Mit dem vorliegenden Papier stellt der BWE einen praxisnahen Ansatz vor, wie Genehmigungsverfahren auf der Basis der bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse deutlich beschleunigt werden können und das Schutzniveau von Fledermäusen in Deutschland gesichert werden kann.

Zusammenfassung der Hauptstandpunkte des BWE

Der BWE spricht sich für folgende Punkte zum Fledermausschutz aus (siehe Abbildung 1):

  • In der Genehmigungsvorbereitung soll auf pauschale Schutzabstände zu Landschaftsstrukturen verzichtet werden, da diese weder fachlich noch artenschutzrechtlich zum Fledermausschutz erforderlich sind. Im Wald sollte durch eine Habitatpotenzialeinschätzung festgestellt werden, ob Lebensräume verloren gehen und diese gegebenenfalls durch entsprechende CEF-Maßnahmen3 ausgeglichen werden müssen. Im Offenland sollte auf nicht aussagekräftige Voruntersuchungen, wie Transektbegehungen, Dauererfassung oder Telemetrie, verzichtet werden. Von den Ergebnissen dieser Untersuchungen kann nicht auf die Fledermausaktivität in der Höhe geschlossen werden und sie können nicht zu spezifischen Maßnahmenvorgaben führen. Generell existieren weder im Offenland noch im Wald Untersuchungen, welche bezüglich betriebsbedingter Auswirkungen entscheidungserhebliche Erkenntnisse liefern könnten.4
  • Vor Baubeginn werden die potenziellen Quartiere auf Besatz überprüft und, wenn erforderlich, entsprechende Vermeidungsmaßnahmen mit der Naturschutzbehörde abgestimmt (Verschluss, Fällung und ausnahmsweise Umsiedlung).
  • Während der Bauphase kommt es in der Regel zu keinen erheblichen Störungen im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz BNatSchG, da sich durch das jeweilige zeitlich begrenzte Bauvorhaben der Erhaltungszustand der lokalen Fledermauspopulation nicht verschlechtert.
  • Während des Betriebs sollten pauschale Abschaltvorgaben als vorsorgliche Schutzmaßnahme angeordnet werden, die das artenschutzrechtliche Tötungsverbot ausräumen. Zusätzlich sollten Betreiber*innen durch ein freiwilliges anschließendes Gondelmonitoring die Abschaltzeiten an den Standort anpassen können.
  • Während des Betriebs im Rahmen des freiwilligen Gondelmonitorings muss eine Signifikanzschwelle für Fledermäuse bundeseinheitlich politisch gesetzt werden. Nach ständiger Rechtsprechung ist das Tötungsrisiko für Fledermäuse nicht deutlich erhöht, soweit nur einzelne Individuen betroffen sind. Fledermausschutz wird langfristig nicht ohne Energiewende gelingen, sodass die Signifikanzschwelle den derzeitig etablierten Wert von zwei Tieren nicht unterschreiten kann. Momentan umfasst der etablierte Wert die gesamte Ordnung der Fledermäuse, muss aber rechtlich und fachlich artspezifisch sein.

1 Regelungen und Erfassungen in der Genehmigungsvorbereitung

1.1 Verzicht auf pauschale Schutzabstände zu Landschaftsstrukturen

Pauschale Schutzabstände zu Landschaftsstrukturen lassen sich fachlich nicht begründen (, sie sind bezüglich eines Kollisionsrisikos nicht wirksam und hinsichtlich von Störungen nicht erforderlich), auch gibt es keine artenschutzrechtliche Grundlage für die Einhaltung pauschaler Abstände.

Durch die von uns vorgeschlagene pauschale Abschaltregelung in Punkt 4.1 werden alle Fledermaus-arten, die potenziell im Rotorbereich fliegen könnten, ohnehin geschützt. Entsprechend ist im Rahmen einer bundeseinheitlichen Standardisierung auf solch pauschalisierte Schutzabstände zu verzichten.

1.2 Erfassung von Fledermauslebensräumen und Quartieren bei Windenergievorhaben (§ 14 BNatSchG)

1.2.1 Voruntersuchungen bei Standorten im Wald

Vorab ist anzumerken, dass Windenergievorhaben vorrangig nicht in (besonders) hochwertigen und strukturreichen Waldgebieten geplant werden, sondern in der Regel auf strukturarmen Flächen der (intensiven) Forstwirtschaft oder auf Kalamitätsflächen.

WEA stellen stets einen Eingriff in Natur und Landschaft dar, der mit entsprechenden Maßnahmen ausgeglichen werden muss, um die Funktionen des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes zu erhalten (§ 14 Abs. 1 BNatSchG). Der allgemeine Verlust an Habitatstruktur betrifft grundsätzlich keinen artenschutzrechtlichen Verbotstatbestand und die betroffenen Biotoptypen, bei denen eine Multifunktionalität angenommen werden kann, werden kompensiert. Darüber hinaus müssen die Lebensräume für Fledermäuse im Eingriffsgebiet ermittelt werden und hierbei unterscheidet sich der Untersuchungsumfang in Waldgebieten in den Bundesländern und auch zwischen den Behörden teilweise erheblich.5

Um den Prozess zu vereinheitlichen und damit auch zu beschleunigen, schlägt der BWE eine bundesweit einheitliche, gutachterliche Habitatpotenzialeinschätzung vor. Die Habitatpotenzialeinschätzung kann genutzt werden, um Lebensräume für Fledermäuse zu erfassen und zu bewerten, wofür nur wenige Begehungstermine notwendig sind, um die Eingriffsfläche(n) anhand entsprechender Referenzflächen zu bewerten und ggf. notwendige und fachlich anerkannte Vermeidungs-, Verminderungs- und Kompensationsmaßnahmen gemäß der Eingriffsregelung (§§ 13 ff. BNatSchG) zu bestimmen. So kann auch sichergestellt werden, dass eine Zerstörung von Quartieren gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG ausgeschlossen wird. Hierbei sind die Referenzflächen einige hundert Meter um den Anlagenstandort für die Bewertung erforderlich und umfassen eine mögliche Verschiebung des Anlagenstandorts an einen konfliktärmeren Standort (Micro-Siting).

Wird durch die einheitliche gutachterliche Habitatpotenzialeinschätzung ein Verlust von geeigneten Lebensräumen oder Strukturen mit tatsächlicher artenschutzrechtlicher Relevanz festgestellt,6 sind die Verluste möglichst durch die Herausnahme von gleichsam geeigneten Lebensräumen oder Strukturen in der Größe der „Verlustflächen“ aus der intensiven Forstwirtschaft vorgezogen auszugleichen (CEF-Maßnahme).

Da dies aufgrund einer Vielzahl an Faktoren nicht immer möglich ist, kommt alternativ die Umstellung gleichsam geeigneter Lebensräume und/oder Strukturen in der Größe der Verlustflächen auf ökologische Forstbewirtschaftung und der Herausnahme einzelner gutachterlich als geeignet bewerteter Baumgruppen aus der Forstwirtschaft in Frage.

Als Maßnahme bietet sich zudem an, mithilfe von Fledermauskästen wegfallendes Quartierpotenzial kurzfristig zu kompensieren. Dafür bedarf es einer entsprechenden Klarstellung des § 45b Abs. 7 BNatSchG bezüglich der Nisthilfen für kollisionsgefährdete Fledermausarten.

1.2.2 Voruntersuchungen bei Windenergievorhaben im Offenland

Bei Windenergiestandorten im Offenland kann auf Voruntersuchungen verzichtet werden. Praktisch hat sich gezeigt, dass solche Voruntersuchungen nicht dazu geeignet sind, aussagekräftige Informationen zum Vorkommen von Fledermäusen in den relevanten Höhen während des Anlagenbetriebs zu erbringen.7 Auch artenschutzrechtlich sind umfassende Untersuchungen „ins Blaue hinein“ nicht erforderlich.8 Stattdessen wird im Sinne einer Worst Case-Betrachtung das Vorkommen einer artenschutzrechtlich relevanten Aktivität von kollisionsgefährdeten Arten angenommen und die Anlagen vorsorglich mit pauschalen Abschaltzeiten (vgl. Kapitel 4.1) betrieben. Dieser im Artenschutz gängige Worst Case-Ansatz nimmt an, dass das Tötungsrisiko durch die adäquate Schutzmaßnahme der pauschalen Abschaltzeiten so gesenkt wird, dass ein Verstoß gegen das Tötungsverbot ausgeschlossen werden kann. Insofern erübrigen sich zusätzliche artenschutzrechtlich irrelevante Voruntersuchungen.9

Da im Offenland das Vorhandensein von potenziellen Quartieren leicht auszuschließen ist, können daher auch keine Verbotstatbestände nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatschG (Störungsverbot) eintreten, sodass folglich auf Voruntersuchungen (Transektbegehung, Telemetrie und Dauererfassung z.B. mittels Horchkisten) verzichtet werden kann,10

  • sofern die vom Rotor überstrichene Fläche außerhalb von als Forst ausgewiesenen Flächen liegt,
  • sofern keine Komplettentnahme von Quartieren mit Fledermausquartierpotential (Rodungen und Fällungen von Bäumen) erforderlich sind,
  • sofern sich keine anderweitigen Quartiere (z.B. Stollen, Eiskeller etc.) im Eingriffsbereich befinden.