Die meisten Regelungen und die allgemeine Verkehrssicherungspflicht haben dabei die gleiche Schutzrichtung: Personengruppen mit Bezug zur WEA aber auch unbeteiligte Dritte sollen vor Gefahren geschützt werden, die sich im Zusammenhang mit dem Betrieb ergeben und möglicherweise Leib und Leben gefährden können.

Aber schon bei der Frage des persönlichen Anwendungsbereiches einer Vielzahl der Normen stellt sich die Frage, wer eigentlich Verpflichteter im Sinne dieser Regelungen ist. Die Zuständigkeiten in den üblichen Unternehmensstrukturen (z. B. GmbH & Co. KG als Betriebsgesellschaft) richten sich an die Geschäftsführer, die als Führungskräfte automatisch verantwortlich „geboren“ sind. Gibt es eine Pflichtendelegation, so werden Beauftragte zu verantwortlichen Personen oder Unternehmen „erkoren“, die dann als interne oder externe Tätige mit den Aufgaben betraut werden.

Verstöße können schwer wiegen

Unabhängig von der individuellen Struktur ist es die Aufgabe in der Beratung, eine realistische Umsetzungs- und Vereinfachungsmöglichkeit für diese Themen aufzuzeigen. Entscheidend ist, was im Ernstfall von den Beteiligten gefordert wird. Häufig fehlt es in der Praxis dabei an einer Organisation und an hinreichenden Schutzmaßnahmen. Die Adressaten der verschiedenen Regelungen sollten sich bestenfalls nicht nur um ein Mindestmaß kümmern, um gerichtliche Verfahren persönlich zu über-stehen, sondern um einen verantwortungsvollen Betrieb aus Sicht aller Anforderungen.

Dies erfordert nicht zuletzt von den Beteiligten Kenntnisse zu den regelnden Grundlagen und deren Aktualität und auch ein Gefühl dafür, welche Pflichten delegiert und welche Pflichten originär bei ihnen bleiben. Auch derjenige, der als Unternehmer Tätigkeiten beauftragt oder zulässt, hat Sorge dafür zu tragen, dass Gefahren beherrscht und minimiert werden können. Verstöße gegen diese Pflichten können neben den Haftungsan-sprüchen zivilrechtlich auch Folgen aus Ordnungswidrigkeiten oder Straftatbeständen nach sich ziehen.

Allgemein anerkannte Regeln der Technik

Für die Windenergiebranche ist es dabei in Teilen schwierig die eigenen Aufgaben und Rollen in die verschiedenen Vorschriften, Normen und Gesetze einzusortieren. Oftmals lassen sich die Regelungen nicht ohne Weiteres auf die Besonderheiten der Windenergie übertragen. Denn als dezentrale Erzeugungseinheit, sind auch die Strukturen dezentraler aufgebaut als vielleicht in den bekannten betrieblichen Strukturen von Industrie und Handel.
Aber auch ohne direkte Anwendungsbereiche sind die Anforderungen an den Betrieb und die Instandhaltung von WEA und deren Infrastruktur an den allgemeinen anerkannten Regeln der Technik und auf dem Stand der Technik zu orientieren; zumindest, wenn es um die Schutzziele von Leib und Leben geht. Mit diesen Anforderungen an Schutzmaßnahmen gibt es auch keinen starren Bestandschutz.

Nicht übertragbare Pflichten

Häufig wird dabei vergessen, dass auch technische Regeln starke rechtlich geprägt sind und Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Rechtsfolgen mit sich bringen.
Mögen auch viele der angesprochenen Regelungen sich unmittelbar an das Verhältnis Arbeitnehmer zu Arbeitgeber richten, so kommen zumindest auch mittelbar Teile als Sorgfaltspflichtmaßstab in der Struktur der Windparkgesellschaften ohne Mitarbeiter zur Anwendung. Den Unter-nehmen obliegt dabei die umfassende Verantwortung für die Organisation, die Durchführung und die Kontrolle der Maßnahmen. Werden Aufgaben durch Delegation übertragen, so verbleiben nicht übertragbare Pflichten als Betreiberverantwortung, die sich insbesondere auch auf die Kontrolle, Aktualität und Dokumentation beziehen.
Insofern ist jeder Windparkbetreiber verpflichtet, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz im Zusammenhang mit dem Betrieb der WEA zu orga-nisieren. Schon die grundlegende Regelung aus § 52b BImSchG erfordert vom Betreiber eine entsprechende Betriebsorganisation und Festlegung der für die Betreiberpflichten Verantwortlichen. Eine Organisationsstruk-tur muss mit folgender Zielrichtung erstellt werden:

  • Ermittlung von Gefahren (Gefährdungsbeurteilung)
  • Erfassung hieraus resultierender Aufgaben
  • Festlegung der Zuständigkeiten für die Durchführung
  • Festlegung von Zeitpunkten und deren Aktualisierung
  • Verarbeitung der Ergebnisse aus der Gefährdungsbeurteilung (Anleitung, Unterweisung, Anpassung der Instandhaltung)
  • Dokumentation
  • Regelmäßige Kontrolle und Aktualisierung

DGUV Information für Windenergieanlagen

Allen Betreibern und Beteiligten ist dabei zu empfehlen, sich mit der DGUV Information 203-007-Windenergieanlagen-Handlungshilfe für die Gefährdungsbeurteilung im On- und Offshore-Bereich auseinanderzusetzen.

Im Windparkbetrieb gibt es eine Vielzahl von verschiedenen Aufgaben, die bereits von der Betriebsgesellschaft auf Dienstleister übertragen werden. Dies betrifft im Wesentlichen die Betriebsführung und die Instandhaltung und Prüfung der WEA selbst und deren Infrastruktur. Diese Delegation von Aufgaben erfolgt mittels Vertrages und ist daher häufig auch die Grundlage derjenigen erforderlichen Dokumentation, mit der Pflichten von dem Geschäftsführer oder der Betriebsgesellschaft auf Dienstleister übertragen werden. Ohne eine entsprechende Organisation liegen alle Aufgaben und auch Funktionsrollen originär beim Geschäftsführer des Windparks. Regel-mäßig gibt es nicht nur fachliche Anforderungen, sondern auch personenbezogene Qualifikationen, die die Geschäftsführer in der Regel nicht erfüllen (vgl. nur Anlagenverantwortlicher DIN VDE 105-100).

Jegliche der Vorschriften sehen dabei vor, dass eine Übertragung von Aufgaben i. S. d. Arbeitsteilung möglich ist. Für eine erfolgreiche Umsetzung ist es notwendig, dass die Aufgaben, Funktionsrollen und Themen dort platziert werden, wo sie bestmöglich aufgehoben sind (Schaffung der Struktur). Dies wiederum bedeutet auch, dass der Vertragspartner Willens und in der Lage sein muss, diese Aufgaben fachgerecht und ver-antwortungsvoll zu übernehmen. Ebenso müssen sich die Parteien darüber im Klaren sein, dass mit den Übernahmen dieser Aufgaben auch ein Mehraufwand und ein höheres Risiko verbunden sein wird. Dabei liegt es an den Beteiligten, sich hinsichtlich dieser Risiken im Rahmen von Betriebshaftpflichtversicherungen oder D&O-Versicherungen abzusichern.

Lehren aus der Gerichtspraxis

Auch mit einer Übertragung der Aufgaben muss der Geschäftsführer für sich ein System etablieren, bei dem Platz für entsprechende Kontrollen und regelmäßige Analysen bleibt. Dies beinhaltet auch die Prüfung neuer Entwicklungen und weiterer Anforderungen. Jede Auseinandersetzung mit dieser Thematik kann relevant werden, sodass zu empfehlen ist, diese auch nachvollziehbar zu dokumentieren. Schaut man in die veröffentliche Rechtsprechung mit Bezug oder mittelbarer Anwendung des technischen Arbeitsschutzes, so wird deutlich, dass es häufig schon an den Grundvor-aussetzungen für eine Organisationsstruktur fehlt, sodass sich Fehler aus fehlender Analyse durch den Betrieb und damit bis hin zur Gefährdung tragen. Die Gerichtspraxis zeigt aber auch, was im Ernstfall tatsächlich unter dem Begriff Betreiberverantwortung gefordert wird. Fehlt es schon an hinreichenden Analysen i. S. einer Gefährdungsbeurteilung, können weder hinreichende Schutzmaßnahmen festgelegt, noch kontrolliert werden. Fehlt eine Dokumentation gänzlich, greifen nicht zuletzt auch Vermutungen für die Ursächlichkeit fehlender Anforderungen im Zusam-menhang mit Schädigungen.

Mit dem Blick auf das politisch gewollte und erforderliche „Durchstarten“ der Energiewende werden in der Zukunft weitere viele Anlagen errichtet, die es erfordern, dass sich Betriebsgesellschaften jeder Größe mit ihrer Position und Rolle im System des Kraftwerksbetreiber mit Schutzrichtung gegenüber Dritten auseinandersetzen. Es ist daher nicht ein notwendiges Übel, sondern ein betriebsstärkendes Muss, Organisationsstrukturen im Zusammenhang mit der Betreiberverantwortung zu schaffen, zu etablieren und in den Betrieb zu integrieren. Der Mehrwert hiervon liegt in der Zuverlässigkeit der Windenergie als sicherer Energieträger und Bestandteil der Energiewende. 


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