Anlagenbetreiber beschränken sich daher häufig auf die gesetzlich vorgeschriebenen Inspektionen und riskieren, dass kleinere Mängel möglicherweise schleichend zu großen Defekten werden oder gar zu Totalausfällen führen. Nicht zuletzt deshalb setzen sie seit einigen Jahren vermehrt auf Drohnen für die Inspektionen ihrer Windparks. Doch auch hierbei gibt es einige nicht zu unterschätzende Herausforderungen. Gerade Drohnen-inspektionen im Nahbereich sind am Markt eine Seltenheit.

Die Vorteile, die Drohnen bei der Inspektion von Windenergieanlagen

(WEAs) bieten, liegen klar auf der Hand: Zum einen lassen sich die beflügelten Helfer ohne langfristige Planung einsetzen, wann immer es der Betrieb der Anlage erlaubt – etwa bei Windstille, wenn sich ohnehin keine Energie erzeugen lässt. Zum anderen gestatten sie es, Defekte frühzeitig zu erkennen und somit anfallende Reparaturen besser planbar zu machen. Auch sind Drohnen hochgradig wetterfest und halten Temperaturen von -20 °C bis + 50 °C und Windgeschwindigkeiten von bis zu 12 m/s stand – Bereiche, in denen ein Mensch schon lange kapitulieren müsste. Der wichtigste Aspekt jedoch ist die Unfallverhütung: Zwar muss der Techniker nach wie vor die Anlage für Reparaturzwecke erklimmen, doch ansonsten springt in vielen Fällen die Drohne ein und reduziert somit das Risiko von Personenschäden. Die Einsatzbereiche von Drohnen sind vielfältig und gehen weit über die Inspektion hinaus.

Einsatzbereich 1: Predictive Maintenance

Insbesondere für die vorbeugende Wartung (Predictive Maintenance) eignen sich die kleinen Helfer hervorragend. Dabei unterstützen sie den Anlagenbetreiber vor allem in diesen Anwendungsfeldern:

  • Kontrolle auf Defekte durch Blitz- oder Vogelschlag,
  • Überprüfung der Rotorblattkanten auf Erosion oder Risse,
  • Untersuchung der Rotorblattbeschichtung auf Risse, Lackabplatzungen, sich lösende Verklebungen oder Ablösungen von Schichten der Werkstoffverbunde (Delaminationen),
  • Überprüfung von aerodynamischen Anbauteilen wie etwa Serrations- oder Vortex-Generatoren.
  • Check auf Defekte oder Ölaustritt an der Gondel sowie
  • Einschätzung des Gesamtzustands des Anlagenturms.

Mit der integrierten Kamera nehmen die Drohnen während des Flugs Bilder der entsprechenden Anlagenteile auf. Im Anschluss kümmert sich ein Gutachter um die Auswertung der Fotos. Liegen Defekte vor, lassen sich die Aufnahmen dem Reparateur im Vorfeld zuspielen und dienen diesem als wertvolle Information für die Planung der Reparatur. So kann er bereits vor seinem Einsatz entsprechende Vorkehrungen treffen und etwa notwendiges Material bestellen.

Für den Betreiber der WEA bedeutet eine solch vorbeugende Überprüfung, dass er sowohl Stillstandzeiten auf ein Minimum reduzieren als auch die Kosten für Reparaturen reduzieren kann.

Einsatzbereich 2: Gefährdungsbeurteilung

Ist tatsächlich einmal ein Schaden am Windrad entstanden, eignen sich Drohnen dafür, diesen hinsichtlich möglicher Gefahren zu beurteilen. Man denke etwa an Brände, Blitzeinschläge oder andere technische Defekte – hier gilt es, das Risiko dafür zu ermitteln, dass etwa ein betroffener Flügel abreißt und Schlimmeres verursacht. Sofortige Beurteilungen sind hier unerlässlich, ansonsten drohen nicht nur kostspielige Ausfälle der Anlage, sondern auch Gefahren für Personen und sogar die Umwelt – etwa, wenn Öl aus der Gondel austritt.

Einsatzbereich 3: schwer zugängliche Anlagen

Ein zusätzlicher Vorteil von Drohnen ist ihre Einsatzmöglichkeit bei schwer zugänglichen Anlagen. Offshore-Windparks zum Beispiel sind nur unter beträchtlichem Aufwand zu erreichen. Hinzu kommt, dass dort – im Vergleich zu Anlagen auf dem Land – extremere Witterungsverhältnisse herrschen. Bei ungünstigen Wetterverhältnissen ist die Inspektion abzubrechen und unter Umständen neu anzuberaumen. Dies zieht nicht nur Zeitverzögerungen nach sich, sondern häufig auch Zusatzkosten, die sich mithilfe eines unbemannten Luftfahrzeugs vermeiden ließen.

Große Herausforderungen für die Drohne

Doch auch der Einsatz von Drohnen birgt einige Herausforderungen. Denn sie erfordern Spezialisten, die ein solches Gerät steuern können. Dadurch begibt sich der Anlagenbesitzer abermals in eine Abhängigkeit. Zudem ist es oft schwierig oder sogar unmöglich, nahe genug an die Kom-ponenten heranzukommen, um überhaupt verwertbare Aufnahmen zu erhalten. Dadurch, dass der Pilot den Flug manuell durchführt, lässt sich der Abstand zur Anlage nicht konstant halten. Aufnahmen für künftige Inspektionen sind so nur schwer reproduzierbar, zudem besteht die Gefahr, dass Flugunfälle zu einer Beschädigung von Anlagenteilen führen. Ein weiteres Manko: Das Material an erfassten Bildern ist äußerst umfangreich, wodurch die Analyse immens aufwendig wird. Da diese wiederum erst im Anschluss an den Flug erfolgt, ist eine weiterer Inspektionsflug erforderlich, sollten einige der Aufnahmen eine schlechte Qualität aufwei-sen und keine eindeutige Interpretation zulassen. Die Folge: Zeitverzug und zusätzlicher Aufwand.

Smarte Inspektion durch autonome Überflieger

Anders ist dies bei Drohnen, die mit einem KI-basierten System aus-gestattet sind. Dieses vermisst die WEA innerhalb weniger Minuten autonom und erstellt aus den erfassten Daten ein spezfisches Modell der Anlage, anhand dessen sich die Route für künftige Inspektionsflüge exakt im Voraus berechnen lässt. Daneben können autonom fliegende Drohnen mit noch weiteren Vorteilen punkten: Der Flug erfolgt äußerst präzise und im Nahbereich, ist nicht von der ruhigen Hand eines Piloten abhängig und lässt sich daher jederzeit reproduzieren. Die Bildqualität hingegen steigt auf ein Höchstmaß. Das System speichert die hochauf-gelösten Bilder automatisiert und in Echtzeit in der Cloud, wo eine KI die Fotos vorsortieren und optimieren wird. Das reduziert wiederum den Aufwand für den menschlichen Gutachter. Der entscheidende Faktor ist jedoch, dass kein spezialisierter Pilot erforderlich ist. Somit ist der An-lagenbetreiber unabhängig und auch nicht von Kapazitätsengpässen be-troffen. Im Gegenteil: Da lediglich eine kurze Schulung erforderlich ist, kann er sein eigenes Personal einsetzen und die Sichtprüfung in völliger Eigenregie durchführen – dann, wenn es ihm am besten passt, und so oft er es für nötig hält.

 

Häufige Schäden bei Windkraftanlagen

Konstruktions- und Produktionsfehler

Selbst minimale Fehler können aufgrund der starken Belastungen zu großen Rotorblattschäden führen.

Hochwasser und Sturm

Hochwasser und Flut ziehen das Fundament in Mitleidenschaft. Extreme Belastungen durch Stürme führen:

  • zu Unwuchten,
  • zu Ermüdung, Ablösung oder Ausbruch von Materialien,
  • schlimmstenfalls zu abgerissenen Rotorblättern oder abgeknickten Türmen, was einem Totalschaden der Anlage entspricht.

Eisablagerung

Vereisungen führen zu:

  • beeinträchtigter Aerodynamik der Rotorblätter,
  • statischer und dynamischer Belastung durch zusätzliches
  • Gewicht des Eises
  • Funktionalitätseinbußen und Überstrapazieren der Mechanik.

Erosion und Korrosion

Besonders die Salz, Feuchtigkeit sowie Wasser ausgesetzten Offshore-WEAs sind anfällig für Korrosionen, die die Standfestigkeit der Anlagen gefährden.
Blitzschlag und Brand

  • Eine fehlerhafte Montage und Wartung des Blitzschutzes kann massive Schäden an Sensorik, elektronischen Schaltanlagen oder Rotorblättern verursachen.
  • Auch durch Defekte der Elektronik oder Mechanik kann es zu Bränden kommen. Letztere bedeuten bisweilen sogar einen Totalschaden.
  • Ebenso können durch Überspannung Schäden entstehen


Fazit: KI für mehr Sicherheit und Entlastung

Eines steht außer Frage: Inspektionen von Windenergieanlagen sind unerlässlich – nicht nur, weil sie gesetzlich verpflichtend sind. Um den Aufwand und die Kosten zu reduzieren, setzen viele Anlagenbetreiber seit einigen Jahren auf von spezialisierten Piloten gesteuerte Drohnen. Jedoch ist auch dies mit hohen Kosten und der Abhängigkeit von externem Fachpersonal verbunden. Drohnen, die mit Künstlicher Intelligenz ausgestattet sind, schaffen hier Abhilfe und heben die Instandhaltung auf ein neues Niveau: Sie fliegen autonom im Nahbereich, erkennen Defekte und dokumentieren diese. So ergänzen die kleinen Helfer den Industriekletterer bei der Beurteilung des Zustands der WEA, und erlauben diesem, sich mehr Zeit für die Reparaturen zu nehmen.

Dieser Beitrag wurde erstmals im BWE BetreiberBrief 2/2022 veröffentlicht. Hier kostenfrei anmelden.