Dies zeigen zwei aktuelle Studien zur Entwicklung des Strom- und Wasserstoffbedarfs im 50Hertz-Netzgebiet, die Frontier Economics & IW Consult (Strombedarfs-Studie) sowie PWC & die Forschungsstelle für Energiewirtschaft München (Studie zu Wasserstoffbedarf) im Auftrag des Stromnetzbetreibers erstellt haben. Die beiden Studien wurden heute anlässlich einer Sitzung des wissenschaftlichen Beirats von 50Hertz (Scientific Advisory & Project Board, kurz SAPB) der Öffentlichkeit vorgestellt. Dem Beirat gehören 21 renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an – darunter Prof. Dr. Veronika Grimm, Inhaberin des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre der Universität Erlangen-Nürnberg, und als Wirtschaftsweise Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.
Für die beiden Untersuchungen wurden im zweiten Halbjahr 2021 zahlreiche Unternehmen und Verbände aus verschiedenen Industriesektoren sowie Wirtschaftsministerien bzw. Wirtschaftsfördergesellschaften der Länder Berlin, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen befragt. Zudem wurde eine Reihe von bereits vorliegenden Studien systematisch analysiert und ausgewertet. Ziel der Studien war es, den konkreten Strom- und Wasserstoffbedarf im 50Hertz-Netzgebiet regionenscharf zu ermitteln. Im nächsten Schritt nutzt 50Hertz die Untersuchungen dazu, die geplanten Strominfrastrukturmaßnahmen an diesen spezifischen regionalen Anforderungen auszurichten.
Hauptergebnisse der Studien:
- Der Bruttostrombedarf steigt im gesamten 50Hertz-Netzgebiet von heute etwa 103 Terawattstunden (TWh) auf einen Wert zwischen 132 und 140 TWh bis 2030. Dies insbesondere in den Ballungsgebieten Hamburg, Berlin, Dresden und im Großraum zwischen Leipzig und Magdeburg und Dresden. In Hamburg wird ein zusätzlicher Strombedarf von 2,4 TWh erwartet, in Leipzig/Magdeburg (Chemiestandorte) 2,7 TWh und rund um Dresden 2,8 TWh. Am deutlichsten wird die Nachfrageentwicklung im Großraum Berlin-Brandenburg: Dort steigt der Grünstrombedarf um 14,3 TWh im Jahr 2030 – vor allem bedingt durch die Neuansiedlungen von Rechenzentren, Batterieherstellern und Zuliefererfirmen (8,8 TWh), aber auch durch die Dekarbonisierung des Verkehrssektors: Allein das Land Berlin wird 2030 etwa 21 TWh Strom benötigen.
Allgemein ist der Stromverbrauchs-Anstieg im 50Hertz-Netzgebiet vor allem auf die Dekarbonisierung des Verkehrssektors, die Einführung von Niedrigtemperaturprozessen in der Industrie und die geplanten industriellen Neuansiedlungen zurückzuführen. - Der Wasserstoffbedarf im 50Hertz-Netzgebiet steigt von heute etwa 0,5 TWh auf bis zu 7 TWh im Jahr 2030. Dies ist insbesondere bedingt durch die stoffliche H2-Nutzung in der Chemie- und Stahl-Industrie. Für die Zeit nach 2030 wird ein sehr dynamischer Anstieg prognostiziert, der dann verstärkt über Importe gedeckt werden muss. Knapp 80 Prozent des Wasserstoffbedarfs konzentriert sich auf sieben Kernregionen im 50Hertz-Netzgebiet: Leipzig, Hamburg, Landkreis Dahme-Spreewald, Saalekreis, Landkreis Oder-Spree, Landkreis Wittenberg und Land Berlin. Größtes Nachfragezentrum bei Wasserstoff ist das Mitteldeutsche Chemiedreieck Leipzig-Halle-Bitterfeld.
- Wesentlicher Grund für den massiv ansteigenden Strom- und Wasserstoffbedarf im 50Hertz-Netzgebiet ist laut Studienautoren die Prädestinierung zahlreicher Regionen Ostdeutschlands für weitere industrielle Neuansiedlungen. Denn neben einer relativ hohen Flächenverfügbarkeit sowie vorhandenen Förderprogrammen in derzeit noch strukturschwachen Regionen, liegt der Anteil der Erneuerbaren Energien mit rund 60 Prozent am Stromverbrauch im 50Hertz-Netzgebiet auf hohem und weiter steigendem Niveau. Für Unternehmens-Neuansiedlungen, die klimaneutral produzieren wollen, sind einige Ballungsräume besonders attraktiv: Vor allem der Süden Brandenburgs entlang der Verkehrsachsen von Berlin nach Cottbus bzw. der Verkehrsachsen von Berlin nach Leipzig, aber auch Hamburg sind hier zu nennen.
Studien liefern wichtige Informationen mit regionalem Fokus
Nach den Worten von Stefan Kapferer, CEO von 50Hertz, zeigen die beiden Studien sehr detailliert, in welchen Regionen mit welchen Bedarfen an Strom und Wasserstoff gerechnet werden muss: „Damit wird nicht nur klar, welche Herkulesaufgabe mit dem Ziel der Klimaneutralität vor uns allen steht: Der Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Stromnetzinfrastruktur muss schneller vorankommen als bisher. Die Studien machen aber deutlicher, wo wir ansetzen müssen und welche Chancen darin liegen: Ostdeutschland hat sehr gute Voraussetzung, eine Erfolgsgeschichte für den Umbau hin zu einer klimaneutralen Industrieregion zu schreiben. Voraussetzung ist jedoch, dass Politik, Behörden und Infrastrukturunternehmen jetzt gemeinsam konsequent an einem Strang ziehen und bestehende Hindernisse für schnellere Genehmigungsverfahren aus dem Weg geräumt werden. Wir werden unseren Teil dazu beitragen“, betonte Kapferer.
Auch Prof. Dr. Veronika Grimm begrüßt den Ansatz, das Klimaneutralitätsziel mit einem regionalisierten Fokus zu betrachten: „Die Studien quantifizieren und qualifizieren den absehbaren Bedarf an Strom und an Wasserstoff in den Regionen und liefern damit wichtige Hinweise für die zahlreichen Akteure in der Transformation. Dazu gehören Anbieter von Grünstrom, Infrastrukturbetreiber, Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen Industriesektoren und nicht zuletzt die Menschen, die in vielfältiger Weise profitieren, die aber auch Veränderungen mitgestalten werden. Beide Studien basieren auf aktuellen wissenschaftlichen Szenarien und zusätzlichen regionalen Informationen. Von daher liefert 50Hertz damit wertvolle Erkenntnisse zu Rahmenbedingungen der industriellen Transformation in den unterschiedlichen Regionen des Netzgebiets.“