Bernd Aufderheide, Vorsitzender der Geschäftsführung der Hamburg Messe und Congress, eröffnete die Pressekonferenz von WindEnergy Hamburg und H2EXPO & CONFERENCE mit einem Appell:

„Wir brauchen Impulse und Perspektiven für den schnellstmöglichen Ausbau der Wind- und Wasserstoffwirtschaft.“ Seit Beginn der Pandemie hätte sich die Welt in vielen Bereichen stark gewandelt. „Unterbrochene Lieferketten, der Krieg in der Ukraine, die Folgen der Energiekrise und die immer stärker werdenden Auswirkungen des Klimawandels machen deutlich, dass wir handeln müssen. Unter dem Motto ‚It’s time to put climate first‘ und mit unserem breit gefächerten Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramm geben wir der gesamten Branche einen Rahmen und einen Ort, um zusammenzukommen, sich auszutauschen und an Lösungen zu arbeiten.“

Zum Auftakt von WindEnergy Hamburg und H2EXPO & CONFERENCE wurde von den führenden Verbänden der Windindustrie die „Hamburger Erklärung zur Reaktion auf die Energie- und Klimakrise“ vorgestellt. Das Panel setzte sich zusammen aus Vertretern des Global Wind Energy Councils GWEC, des europäischen Branchenverbands WindEurope, des Bundesverband WindEnergie e.V. (BWE) und des deutschen Maschinen- und Anlagenbau-Verbands VDMA Power Systems. Zudem unterstützt die interdisziplinär arbeitende Renewable Hydrogen Coalition die Initiative.  

Rasante Marktentwicklung zeigt dringenden Handlungsbedarf

Ben Backwell, CEO GWEC, zog zunächst ein Resümee der vergangenen ereignisreichen Jahre:

„Auf der letzten digitalen WindEnergy Hamburg waren wir noch dabei, die Auswirkungen der globalen Pandemie zu begreifen. Was wir als Vertreter der Windindustrie gelernt haben, ist, dass wir bemerkenswert widerstandsfähig sind – wir haben 2021 und 2022 die beiden besten Jahre für Installationen erlebt.“

Björn Spiegel, Vize-Präsident des BWE, brachte Herausforderungen und Chancen für die Branche auf den Punkt:

„In den letzten fünf Jahren haben wir durchschnittlich 2,4 GW Wind Onshore und 1,4 GW Wind Offshore gebaut. Was wir jetzt brauchen, sind jedes Jahr 10 GW Onshore und 2,8 GW Offshore.“ Das bedeute eine Vervierfachung der Windkraft an Land und eine Verdoppelung im Offshore-Bereich.

Um diese Ausbauziele erreichen zu können, sei die gesamte Wertschöpfungskette inklusive der Zulieferindustrie gefragt. Der Geschäftsführer von VDMA Power Systems, Dr. Dennis Rendschmidt, erläuterte: „Kostensenkungswettbewerb, unzureichende Marktdynamik sowie Probleme in den Lieferketten haben zu einem Trend geführt, der den Windindustrie-Standort Europa schwächt. Politische Ausbauziele allein reichen nicht aus, um die Probleme zu lösen.“

Diesen Gedanken griff Ben Backwell auf und ergänzte: „Um den Ausbau zu beschleunigen und die wahre Kraft der Windenergie zu entfesseln, müssen die Regierungen dringend die Planung und die Genehmigungsverfahren straffen, die Netzinfrastruktur verbessern und die Strommärkte weiterentwickeln.“

Kernpunkte der Hamburger Erklärung

Nach Ben Backwell müssten Windenergie und andere Erneuerbare Energien und Energieträger wie der Grüne Wasserstoff im Zentrum politischer Entscheidungen stehen, um eine zuverlässige, langfristige Perspektive für den kontinuierlichen Ausbau schaffen zu können. „Nur klare und ambitionierte politische Programme für den langfristigen Ausbau der Windenergie und anderer Formen Erneuerbarer Energien in den nächsten zehn Jahren – und darüber hinaus – können dabei helfen, die energie- und klimapolitischen Ziele auf die Marktkräfte abzustimmen.“

Sven Utermöhlen, Vorsitzender von WindEurope und CEO Offshore Wind der RWE Renewables, betonte die Dringlichkeit, die Genehmigungsverfahren für Windenergieprojekte zu vereinfachen und zu entbürokratisieren sowie die Digitalisierung der Genehmigungen voranzutreiben:

„Die Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien ist eine wichtige Antwort auf die aktuelle Energiekrise. Windenergie ist sauber, wettbewerbsfähig, schnell einsetzbar und skalierbar – sei es an Land oder auf See. Der Ausbau der Windenergie muss rasch vorangetrieben werden, und die globale Lieferkette muss in der Lage sein, dies zu leisten."

Für ihn ist es auch eine Frage der Netzplanung, der Investitionen und des Ausbaus der Infrastruktur, um immer größere Mengen an erneuerbarer Energie zu liefern, zu verwalten und zu speichern. "Vereinfachte, gestraffte und digitalisierte Genehmigungsverfahren und ein beschleunigter, koordinierter und integrierter Netzausbau sind wesentliche Voraussetzungen, um dies zu erreichen."

Björn Spiegel hob die beschleunigte und verlässliche Abkehr der Politik von fossilen Energieträgern als Kernthema des Ausbaus Erneuerbarer Energien hervor und bekräftigte den Markthochlauf des Grünen Wasserstoffs als wichtiges Element einer dekarbonisierten Energieversorgung: „In der Luftfahrt, der Schifffahrt und den Teilen der Industrie, die sich nicht unmittelbar elektrifizieren lassen, muss die Politik die Umstellung auf Erneuerbaren Wasserstoff priorisieren.“

Dr. Dennis Rendschmidt rückte die nationale und regionale Industriepolitik in den Fokus. Sie müsse die Windenergie als strategisch wichtige Branche anerkennen und sicherstellen, dass Windturbinenhersteller und die zugehörige Belieferungskette vollen, uneingeschränkten Zugang zu benötigten Komponenten und Materialien erhalten. Er machte klar: „Konkrete Entwicklungspläne für die Branche und die richtige Handelspolitik geben der Windindustrie Planungssicherheit für den Aufbau einer robusten, nachhaltigen Lieferkette.“

 

Grüner Wasserstoff: Forderung nach politischer Unterstützung und Investitionen

In der „Hamburger Erklärung“ werden Regierungen aufgefordert, eine langfristige Bindung an fossile Brennstoffe zu vermeiden und stattdessen in Erneuerbare Energien zu investieren. François Paquet, Impact Direktor der Renewable Hydrogen Coalition, erläuterte die Bedeutung des Wasserstoffs für den Ausbau der Erneuerbaren Energien: „Der Grüne Wasserstoff ist ein echter Wegbereiter – in ihm sind Erneuerbare Energien speicherbar. Er bringt Energie dorthin, wo eine Elektrifizierung nicht zeitnah realisiert werden kann und ermöglicht so eine tiefgreifende Dekarbonisierung dieser Sektoren. Zum ersten Mal hat Europa eine skalierbare und nachhaltige Alternative, um seine Abhängigkeit von Importen fossiler Brennstoffe zu reduzieren und gleichzeitig die europäische Gemeinschaft zu stärken.“

Laut Paquet brauche Europa mehr Erneuerbare Energien, um die Energierechnungen zu senken und den Kohlenstoffausstoß zu verringern. Die Deckung des derzeitigen und künftigen Bedarfs der Schwerindustrie und des Verkehrs an Erneuerbarem Wasserstoff erfordere zusätzliche Kapazitäten. Und auch auf regulatorischer Ebene müsse sich in Europa einiges ändern: „Europa muss jetzt das Nötige tun, damit wir Grünen Wasserstoff mit heimischen Erneuerbaren Energien produzieren können. Dazu brauchen wir drei Dinge: Wir müssen die Nachfrage schaffen, das Angebot erhöhen und die Kostenlücke schließen. Was die Nachfrage betrifft, so erwägt Europa derzeit die Festlegung verbindlicher Ziele in vorrangigen Sektoren. Das ist der richtige Weg. Auf der Angebotsseite brauchen wir schnelle Genehmigungen, gesunde Wertschöpfungsketten und vor allem einfache, aber robuste EU-weit harmonisierte Regeln für die Herstellung von Grünem Wasserstoff. Dies ist der Schlüssel zum Zugang zu finanzieller Unterstützung, zur Freisetzung von Investitionen und zum Beschleunigen des Markthochlaufs.“

WindEnergy Hamburg diskutiert die drängenden Themen der Zeit

Das Panel sah den stark beschleunigten Ausbau Erneuerbarer Energien als zentrales Element einer weltweit sicheren und klimaneutralen Energieversorgung. Hierfür sei neben der Politik auch der Mut und das Engagement der Industrieunternehmen gefragt. Dass beide Seiten in den Dialog kommen, dafür sorgt nicht nur der Political Summit der WindEnergy Hamburg am ersten Messetag. Zu Gast sind dort neben dem Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Dr. Robert Habeck, weitere hochrangige Regierungsmitglieder aus aller Welt und zahlreiche Vertretende aus Industrie und Branchen-Verbänden. Auch auf den vier Open Stages finden an allen Messetagen kostenfreie Diskussions- und Vortragsrunden mit Branchenexpertinnen und -experten, zahlreichen Politikern und Menschen aus Wissenschaft und Forschung statt.