In der Einigung der Bundesregierung zur Kraftwerksstrategie ist ein wichtiger Sinneswandel weg vom Aufbau großer Kraftwerkskapazitäten, die durch Hybrid- und Sprinterkraft ergänzt werden sollten, hin zum Anreiz zuverlässiger und flexibler Kapazitäten erkennbar.

„Genau das ist es, was das Stromsystem der Zukunft braucht und Biogas liefern kann“,

so Horst Seide, Präsident des Fachverbandes Biogas. Mit Unverständnis reagiert er hingegen auf die Tatsache, dass in der Einigung zwar von Technologieneutralität gesprochen wird, aber mit keinem Wort der Biogasanlagenpark erwähnt wird.

„In der Einigung hofft die Bundesregierung auf unausgereifte Technologien wie die Kernfusion oder dem nicht besonders umweltfreundlichem blauem Wasserstoff, aber nirgends liest man von den vorhandenen Biogaskraftwerken, die mit ausgereifter Technologie schnell und kostengünstiger zur Verfügung steht. Allein bis 2030 können mit den richtigen Änderungen am Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) bis zu 12 Gigawatt (GW) flexibler Leistung aus Biogas zur Verfügung stehen - langfristig sogar doppelt so viel“,

unterstreicht Seide. Mit dem aktuellen Ausschreibungsdesign hingegen riskiert die Bundesregierung Anlagenstilllegungen und eine noch größere Stromlücke, die wiederum später teuer geschlossen werden muss.

„Deutschland muss jetzt auf heimische Energie setzen, sonst wird bei knappen Kassen bestehende Infrastruktur zerstört. Wenn die aktuelle Regierung nicht schnell aufwacht, ist insbesondere das Wirtschaftsministerium dafür verantwortlich, dass ein zuverlässiger Biogasanlagenbestand zum Aufhören gezwungen wird. Ein Schaden, den kommende Regierungen nicht wiedergutmachen können. Auch darf nicht vergessen werden, dass der heutige Biogasanlagenbestand ein wesentlicher Bestandteil der Wärmewende darstellt“,

schließt Seide.

Dr. Thomas Griese, stellvertretender Vorsitzender des LEE NRW, resümiert:

„Wenn es bei der Kraftwerksstrategie einen positiven Aspekt gibt, dann den, dass der ursprünglich völlig überdimensionierte Neubau von Großkraftwerken eingedampft wurde, dass aber die Kraftwerksstrategie den heimischen Energieträger Biogas mit keiner Silbe berücksichtigt, ist ein gravierender Fehler.“

Griese verweist auf Berechnungen, wonach die flexible Leistung der bestehenden Biogasanlagen bundesweit von derzeit 6.000 auf 12.0000 Megawatt verdoppelt werden kann – und zwar, ohne dass ein einziger zusätzlicher Hektar Mais benötigt wird und weit vor der dem Zeitpunkt, an dem die ersten der geplanten Gaskraftwerke überhaupt in Betrieb gehen. Bis 2050 könnte die Leistung dieser sogenannten Flex-Kraftwerke noch einmal auf 24.000 MW verdoppelt werden.

„Es liegt auf der Hand, dass mehr Biogasanlagen helfen, den Kohleausstieg bis 2030 ermöglichen und damit Deutschlands Klimabilanz schnell zu verbessern. Das ist mit fossilen Gaskraftwerken und ihren langen Übergangszeiten zu Wasserstoff überhaupt nicht möglich, deswegen ist es so wichtig den Anlagenbestand zu erhalten“,

so Griese. Aus dem Umfeld des Bundeswirtschaftsministeriums ist bekannt, dass die finanzielle Unterstützung der neuen Gaskraftwerke schätzungsweise zwischen 15 und 20 Milliarden Euro kosten soll.

„Mit Biogas ist die künftige Versorgungssicherheit günstiger zu haben, selbst wenn über Jahre hinweg den Betreibern eine Flexibilisierungsprämie oder ein Zuschlag für systemdienliche Erzeugung gezahlt wird“,

betont der stellvertretende Vorsitzende des LEE NRW.

Damit Biogas im vollen Umfang zur künftigen Stromversorgung beitragen kann, muss der aktuelle Anlagenbestand erhalten bleiben und zukunftsweisend genutzt werden.

„Auch darf nicht vergessen werden, dass der heutige Biogasanlagenbestand mittels effizienter Kraft-Wärme-Kopplung wesentlich zur erneuerbaren Wärmeversorgung beiträgt“,

betont Griese. Deshalb fordert der LEE NRW:

• Biogas muss in die Kraftwerksstrategie mit 12.000 Megawatt flexibler Leistung bis 2030 aufgenommen werden
• Berücksichtigung der grünen KWK in der Kraftwerksstrategie
• Deutliche höhere Ausschreibungsmengen bei den Biomasse- & Biomethan-Ausschreibungen
• Für die Flexibilitätsleistungen müssen angemessene Zuschläge gewährt werden

Thomas Griese:

„Im Gegensatz zur Wind- und Solarenergie hat die Ampelregierung die Chancen der Bioenergie für den Umbau unserer Energieversorgung sträflich vernachlässigt, wie sich bei der Kraftwerksstrategie zeigt. Mit flexibler Stromerzeugung aus Biogas lassen sich Zeiten von wenig Wind- und Solareinspeisung schneller, preiswer-ter und klimafreundlicher schließen.“

Quellen: Fachverband Biogas e.V. und Landesverband Erneuerbare Energien NRW e. V. 

 


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