Ende letzter Woche wurde das neue Bundesklimaschutzgesetz von Bundestag und Bundesrat befürwortet. Es sieht vor, dass in Deutschland bis 2030 rund 65 Prozent der klimaschädlichen Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 eingespart werden. „Um das zu erreichen, muss die Windkraft in Deutschland deutlich ausgebaut werden“, sagt Professor Dr. Boris Stemmer, aus dem Fachbereich Landschaftsarchitektur und Umweltplanung der TH OWL. „Das geht nur, wenn wir Umwelt- und Naturschutz rechtzeitig bei der Planung berücksichtigen und so den Ausbau deutlich beschleunigen.“
Gemeinsam mit einem Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der TH OWL, des Beratungsunternehmens Bosch & Partner und des Öko-Instituts hat Professor Boris Stemmer eine Karte entwickelt, die Flächen ausweist, auf denen der Ausbau der Windenergie gute Chancen hat. Das Forschungsprojekt wurde durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) finanziert.
Schon jetzt werden seitens der Politik bestimmte Flächen für den Bau von Windkraftanlagen ausgeschlossen, weil beispielsweise ein Flughafen, Stromleitungen oder Wohngebiete in der Nähe liegen. „Aber Umwelt- und Landschaftsschutz werden in den frühen Planungsphasen nicht ausreichend in der Planung berücksichtigt, die kommen dann oft erst vor Gericht zum Tragen und genau das kostet Zeit“, erklärt Dr. Wolfgang Peters von Bosch & Partner. „Eine konsistente Herleitung der Notwendigkeit einer Windenergieanlage von den bundesweiten Ausbauzielen bis zum konkreten Anlagenstandort dagegen ist ein wichtiger Faktor für Akzeptanz.“ Die Wissenschaftler haben deshalb bereits bei ihrer strategischen Flächenplanung Umweltaspekte einbezogen: Liegt ein Vogelschutzgebiet oder ein Biosphärenreservat in der Nähe? Gibt es Feuchtgebiete oder einen angrenzenden Wald, dessen Tierwelt gefährdet ist? Das Ergebnis ist eine Flächenkarte mit unterschiedlichen Risikoklassen. Auf rund 3,6 Prozent der Fläche in Deutschland schätzen die Wissenschaftler das Konfliktpotential mit Natur- und Landschaftsschutz als so gering ein, dass die Chancen für den Bau einer Windkraftanlage gut bis sehr gut sind. Das sind insgesamt knapp 13.000 Quadratkilometer.
„Fläche ist die neue Währung der Energiewende“, sagt Dr. Felix Christian Matthes vom Öko-Institut, das an der Studie beteiligt ist. „Nur, wenn wir es schaffen, Naturschutz- und Landschaftspflege in der Planung ernst zu nehmen, können wir den Ausbau der Windenergie so vorantreiben, dass das Erreichen der Klimaschutzziele realistisch wird.“
Laut den Forscherinnen und Forschern sind die potenziellen Flächen, auf denen Windräder ohne große Konflikte gebaut werden können, sehr unterschiedlich auf die Bundesländer verteilt. „Nicht alle Bundesländer können und sollten gleich große Flächenanteile für die Windenergienutzung zur Verfügung stellen“, so Stemmer. Während beispielsweise Nordrhein-Westfalen vor allem aufgrund des hohen Anteils an Ausschlussflächen durch die dichte Besiedelung nur auf 1,9 % der Fläche kommt, bietet sich in Sachsen-Anhalt ein weitaus größeres Flächenpotenzial. „Vor dem Hintergrund des Klimaschutz-Urteils des Bundesverfassungsgerichtes ist der Druck auf die Politik gestiegen, den Ausbau der Windenergie voranzutreiben, das funktioniert nur im Dialog mit den Kritikern, dafür ist unsere Studie eine wichtige Grundlage,“ fasst Professor Dr. Boris Stemmer das Ziel der Studie zusammen.