§ 249 Abs. 10 BauGB: Keine optisch bedrängende Wirkung von Windenergieanlagen
Nur zwei Tage nach Inkrafttreten des „Gesetzes zur sofortigen Verbesserung der Rahmenbedingungen für die erneuerbaren Energien im Städtebaurecht“ (wir berichteten) bot sich für das OVG Münster in einer mündlichen Verhandlung am 03.02.2023 die Gelegenheit dieses auch sogleich anzuwenden.
Konkret ging es um den neuen § 249 Abs. 10 BauGB. Nach dieser Vorschrift steht der öffentliche Belang einer optisch bedrängenden Wirkung einem Windenergievorhaben (§ 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB) in der Regel nicht entgegen, wenn der Abstand zwischen Anlage und Wohnbebauung mindestens der zweifachen Anlagenhöhe entspricht („2H“). Damit stellt die Vorschrift eine deutliche Verbesserung gegenüber der bisherigen Rechtslage dar. Denn bislang wurde die Frage der optisch bedrängenden Wirkung bei einem Abstand zwischen der zwei- oder dreifachen Anlagenhöhe einzelfallbezogen über das sog. Rücksichtnahmegebot geprüft.
Gegenstand des Verfahrens vor dem OVG waren drei Klagen von Anwohner:innen gegen geplante Windenergieanlagen im Umland des westfälischen Münster. Sämtliche Anwohnergrundstücke liegen im bauplanungsrechtlichen Außenbereich.
Die MASLATON Rechtsanwaltsgesellschaft vertrat im Klageverfahren die erfolgreiche Projektiererin.
§ 2 EEG 2023 zentraler Punkt in der Argumentation des OVG
Schon zu Beginn der Verhandlung teilten die Richter:innen mit, dass nach der Vorberatung die Klagen unbegründet seien – insbesondere wegen § 249 Abs. 10 BauGB in Verbindung mit § 2 EEG 2023.
Den erst zwei Tage zuvor in Kraft getretenen § 249 Abs. 10 BauGB wendete das OVG infolge des Günstigkeitsprinzips an. Danach sind Rechtsänderungen zugunsten des Vorhabenträgers auch noch während des laufenden Verfahrens zu berücksichtigen. In seiner Anwendung konkretisiere § 249 Abs. 10 BauGB daher für das Gericht bindend die Anforderungen des sog. Rücksichtnahmegebots.
Da im gegenständlichen Fall bei allen Gebäuden ein Abstand der mindestens 2,7-fachen Anlagenhöhe („2,7H“) vorlag, war nach dem Regelfall keine optisch bedrängende Wirkung anzunehmen. Ein Anlass, ausnahmsweise von diesem gesetzlichen Regelfall abzuweichen, konnte das Gericht nicht erkennen. Denn eine Ausnahme sei nur bei atypischen Konstellationen und dabei nach strengem Maßstäben zu beurteilen. Hier sei insbesondere auch § 2 EEG 2023 zu beachten, der ein überragendes öffentliches Interesse für die Erneuerbaren Energien annimmt. Nach § 2 S. 2 EEG 2023 stellen die Erneuerbaren Energien zudem einen vorrangigen Belang bei entsprechenden Abwägungen dar. Das Gericht sei daran gebunden. Überraschend klar verwies das OVG auf die zentrale Bedeutung des § 2 EEG 2023.
Das Urteil folgte prompt – Antragsteller:innen sollten nachziehen!
Die Auffassung der Richter:innen wurde im Anschluss ohne Umschweife festgezurrt. Es erging ein sogenanntes Stuhlurteil. Für das OVG war der Fall damit offenkundig so eindeutig, dass die vollumfängliche Klageabweisung nach kürzester Beratung verkündet werden konnte.
Antragsteller:innen, die selbst im behördlichen oder gar im gerichtlichen Verfahren stecken, sollten nun unverzüglich nachbessern und ihre eigenen Anträge voranbringen!