Das Projekt ist in diesem Monat gestartet und läuft bis Ende 2022. Auftraggeber ist das Energieministerium des Landes Brandenburg, das das Projekt mit rund 1,8 Millionen Euro aus Mitteln des Vermögens von Parteien und Massenorganisationen der DDR unterstützt.

„Um die Energie- und Klimaschutzziele zu erreichen, ist der weitere und verstärkte Ausbau der erneuerbaren Energien, insbesondere der Windenergieausbau, zwingend notwendig. Das ist aber nur möglich, wenn ausreichend Flächen zur Verfügung stehen“, erklärt Energieminister Jörg Steinbach. Es ist eine große Herausforderung, bei der Identifikation geeigneter Flächen sowie für die Genehmigung für Windenergieanlagen den artenschutzrechtlichen Belangen Rechnung zu tragen. „Um mehr Potenzialflächen für die Windenergie zu gewinnen, muss die Entwicklung von Vogeldetektionssystemen so weit vorangebracht werden, dass sie zuverlässig geschützte Vogelarten erkennen und die Windenergieanlagen sicher abschalten“, so Steinbach weiter.

Ziel ist es, künftig fernerkundungsbasierte Vogeldetektionssysteme wie Radarsensoren oder RGB-Kamerasysteme in konfliktbehafteten Gebieten in Brandenburg einsetzen zu können. Bislang gibt es nur geringe Kenntnisse über die technische Leistungsfähigkeit der marktfähigen und operationellen Systeme. In dem jetzt angelaufenen Projekt sollen deren Genauigkeit und Zuverlässigkeit empirisch nachgewiesen werden. Außerdem sollen sie an konkreten und für Brandenburg charakteristischen Standorten erprobt werden. „Mit dem Vorhaben wird eine empirische Wissensgrundlage geschaffen. Auf deren Basis können wir dann eine sachlich fundierte Debatte über eine mögliche Praxiseinführung solcher Systeme führen“, sagt Steinbach. Er sei froh, mit der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde und dem Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende kompetente Projektpartner gefunden zu haben.

„Die HNEE ist national wie international Impulsgeberin für eine nachhaltige Entwicklung und seit mehr als 190 Jahren der nachhaltigen Forschung und Lehre verpflichtet. Der verstärkte Ausbau der Windenergie stellt uns alle vor naturschutzfachliche und gesellschaftliche Herausforderungen. Hier können Antikollisionssysteme als eine mögliche Lösungsoption ansetzen“, so Siegfried Rieger, Professor für Wildbiologie, Wildtiermanagement und Jagdbetriebskunde an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde.

„Der Einsatz von fernerkundungsbasierten Vogeldetektionssystemen, insbesondere aktiver und passiver Sensorsystemen wie Radarsensoren und RGB-Kamerasystemen zur Verminderung von Vogelkollisionsrisiken an Windenergieanlagen besitzen das Potenzial, annähernde Vögel frühzeitig und automatisch zu erkennen, so dass die Windenergieanlage rechtzeitig abgeschaltet und in einen sogenannten Trudelmodus versetzt wird. Der aktuelle Kenntnisstand über die Leistungsfähigkeit und standörtliche Eignung einzelner Systeme im Anwendungsfall ist jedoch bislang noch begrenzt“, sagt Jan-Peter Mund, Professor für Geoinformation und Fernerkundung an der HNEE.

„Das KNE verfolgt die rasante Entwicklung unterschiedlicher Antikollisionssysteme seit seiner Gründung vor fünf Jahren. Die Leistungsfähigkeit der Systeme verbessert sich zunehmend, so dass windenergiesensible Vogelarten wie der Rotmilan oder der Seeadler inzwischen mit bis zu 90-prozentiger Sicherheit auf 600 Meter Entfernung erkannt werden können. Mit dem Vorhaben wollen wir den empirischen Wissensstand über die Leistungsfähigkeit der Systeme verbessern und insbesondere die Eignung für die jeweiligen Standortansprüche in Brandenburg untersuchen. Wir sind davon überzeugt, dass die Ergebnisse auch über Brandenburg hinaus Beachtung finden werden. Wir freuen uns daher als Kooperationspartner der HNEE einen wichtigen fachlichen Beitrag zur Konfliktprävention vor Ort leisten zu können“, sagt Michael Krieger, KNE-Geschäftsführer.

Umwelt- und Klimaminister Axel Vogel:

Wir brauchen einen ambitionierten Ausbau erneuerbarer Energien, um unsere Ziele beim Klimaschutz zu erreichen. Ohne ausreichende Mengen erneuerbaren Stroms werden wir weder Klimaneutralität im Verkehrs- und Wärmesektor schaffen noch in ausreichendem Maße grünen Wasserstoff für die Industrie haben. Die Klimakrise zeigt uns dringlich auf, dass wir uns in den nächsten 25 Jahren von allen fossilen Energieträgern verabschieden und unser Energiesystem vollständig auf erneuerbare Energien und Effizienz umstellen müssen. Deshalb brauchen wir auch die Windenergienutzung. Wir müssen allerdings auch darauf achten, dass der weitere Ausbau verträglich erfolgt. Neben den Abständen zu Wohngebieten muss auch der Schutz von kollisionsgefährdeten Vogelarten berücksichtigt werden. Ich bin auf die Ergebnisse des Projektes gespannt. Es geht um anwendungssichere Lösungen, die den artenschutzrechtlichen Erfordernissen entsprechen.“

Hintergrund

Das Ziel der Landesregierung ist es, bis 2030 10,5 GW an Windenergiekapazitäten in Brandenburg zu installieren. Zudem sollen die Energiebedarfe von Brandenburg und Berlin bis zum Jahr 2050 komplett aus erneuerbaren Energien gedeckt werden.

Aktuell sind in Brandenburg etwa 7,5 GW an Windenergiekapazitäten installiert. Infolge der auslaufenden Vergütung aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz kann es allerdings zu einem verstärkten Rückbau von Windenergieanlagen kommen, deren Kapazitäten kompensiert werden müssen. Zusätzliche Kapazitäten sind für die Sektorenkopplung erforderlich.

Aufgrund von Vorkommen windenergiesensibler Greif- und Großvogelarten scheiden große Flächenanteile in Brandenburg für die Windenergienutzung von vornherein aus, und bereits ausgewiesene Windeignungsgebiete können aufgrund von Schutzabständen nicht vollständig genutzt werden. Unter anderem auch dies führt zu einer deutlichen Verminderung des Suchraumes für die Windenergie. Dadurch haben die Regionalen Planungsgemeinschaften Schwierigkeiten, die Ziele der Energiestrategie umzusetzen und zwei Prozent der Landesfläche für die Windenergie zur Verfügung zu stellen.

Die Ergebnisse des Projekts von HNEE und KNE sollen als Diskussionsgrundlage für den Dialog mit Entscheidungsträgern des Landes Brandenburg dienen. Die beteiligten Verbände und Ressorts sind über eine Projektarbeitsgruppe als beratendem Gremium in das Projekt eingebunden. Sie umfasst Vertreterinnen und Vertreter des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Energie, des Ministeriums für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft, des Landesamtes für Umwelt Brandenburg, der staatlichen Vogelschutzwarte Brandenburg, des BWE-Landesverbandes Berlin/Brandenburg, des Landesbüros anerkannter Naturschutzverbände, mehrerer Regionaler Planungsgemeinschaften sowie des Bundesamtes für Naturschutz.