Welche energiepolitischen Konsequenzen ziehen Sie aus der aktuellen politischen Situation in der Ukraine? Welche Konsequenz hat das für SH?

Daniel Günther: Um schnellstmöglich unabhängig von russischen Erdgas-Importen zu werden, müssen wir Erdgas importieren. Dazu brauchen wir LNG-Terminals. Brunsbüttel liegt als Standort dazu sehr gut im Rennen. Dass hier zusätzlich Ammoniak angelandet werden soll, begrüße ich sehr. Nötig sind jetzt beschleunigte Genehmigungsverfahren, und zwar auch für die Anbindungsleitung. Daneben brauchen wir Elektrolyseure zur Herstellung von grünem Wasserstoff. Erste Anlagen sind in Schleswig-Holstein laufen bereits, weitere sind in Planung. Im Wärmebereich schließlich müssen wir die Potenziale zur Steigerung der Energieeffizienz nutzen und mehr Tempo machen für eine effiziente Umstellung auf Erneuerbare Energien. Damit leisten wir nicht nur einen Beitrag zum Klimaschutz, wir sorgen so auch für verlässlichere Preise.

Wie will die Landesregierung die Energieunabhängigkeit für Schleswig-Holstein steigern? Wie wird die Rolle des Landes gesehen, um die Energieunabhängigkeit in Deutschland zu erreichen?

Daniel Günther: Schleswig-Holstein erzeugt rechnerisch bereits jetzt fast doppelt so viel grünen Strom wie im Land verbraucht wird. Daher werden wir auch zukünftig ein wichtiger Stromlieferant bleiben. Wichtig ist und bleibt, dass der erzeugte Strom im Netz möglichst mit wenig Abschaltungen verteilt wird.  Daher muss der bundesweite Netzausbau beschleunigt und verbessert werden. Zum anderen müssen die regulatorischen Rahmenbedingungen auf Bundesebene so verbessert werden, dass in Regionen wie Schleswig-Holstein, wo viel Erneuerbare Energie erzeugt wird, zusätzliche Nutzungsmöglichkeiten für z.B. Elektrolyse und Eigenstromnutzung geschaffen werden.

Aktuell liegt Schleswig-Holstein beim Primärenergieverbrauch erst bei 50 % Erneuerbare Energien und damit erst am Anfang der Energiewende. Was ist der Plan der Landesregierung, um die notwendige Verdopplung der Erzeugung der Erneuerbaren um eine Elektrifizierung der anderen Sektoren zeitnah umzusetzen und weiterhin Verantwortung bei der Versorgung anderer Bundesländer zu übernehmen?

Daniel Günther: Über die Sektorkopplung müssen wir es schaffen, den regenerativen Strom auch in die anderen Sektoren zu bringen. Im Bereich der Elektromobilität sind wir auf einem guten Weg, das zeigen auch die Zahlen über Neuzulassungen in Schleswig-Holstein. Aber auch im Wärmebereich brauchen wir noch mehr Erneuerbare Energien. Dabei gilt es, insbesondere den Einsatz der Wärmepumpen weiter auszubauen. Um den Einsatz attraktiver zu machen, setzen wir uns seit Jahren für eine Reform der Abgaben und Umlagen ein. Daher sind wir froh, dass hier mit der kommenden EEG-Novelle eine erste Entlastung bei den Umlagen vorgesehen ist.

Wie möchte die Landesregierung dafür sorgen, dass jede hier vor Ort produzierte Kilowattstunde auch genutzt werden kann?

Daniel Günther: Die Sektorkopplung bietet hier große Chancen. Insbesondere für die Produktion von grünem Wasserstoff werden in den kommenden Jahren große Mengen an regenerativem Strom benötigt werden. Da wir in Schleswig-Holstein bereits über unsere eigenen Bedarfe hinaus produzieren, bietet sich unser Land hervorragend als Standort für Elektrolyseure an. Unser Ziel ist es jedoch nicht, jede erzeugte Kilowattstunde vor Ort zu nutzen. Deswegen müssen wir bundesweit beim Netzausbau schneller werden.

Für den Wärmesektor ist im EWKG ein Ziel gesetzt, wie soll das erreicht werden? Bis 2025 sollen 22 % erreicht werden. Ist eine Anpassung der Ziele aufgrund der sich stark verändernden Welt und ihrer Rahmenbedingungen geplant?

Daniel Günther: Wir haben mit der Novelle konkrete Maßnahmen zur Erreichung der Ziele beschlossen: Hier geht es um die kommunale Wärmeplanung und den verpflichtenden Einsatz Erneuerbarer Energien. Mit der kommunalen Wärmeplanung sollen die Gemeinden sich damit befassen, wie zukünftig eine klimaneutrale Wärmeversorgung in ihrer Gemeinde erreicht werden kann. Hierzu müssen sie auch konkrete Maßnahmen beschließen. Darüber hinaus wird ab dem 1. Juli 2022 die Verpflichtung greifen, bei einem Heizungstausch mindestens 15% Erneuerbare Energien einzusetzen. Jährlich werden tausende Heizungen in Schleswig-Holstein getauscht. Wenn hier zukünftig Erneuerbare Energien eingesetzt werden, ist dies ein wesentlicher Beitrag zur Zielerreichung. Eine Anpassung der Ziele ist hingegen nicht vorgesehen.

Wasserstoff kann besser transportiert und gespeichert werden als Strom. Wie will die Landesregierung die dezentrale Erzeugung vorantreiben? Und wie wollen Sie die Chancen für die Ansiedlungspolitik nutzen?

Daniel Günther: Schleswig-Holstein bietet die idealen Standortvoraussetzungen für die Wasserstoffproduktion und Nutzung vor Ort, z.B. im Schwerlastverkehr oder zur Dekarbonisierung der Industrie. Das wird sicherlich einige Unternehmen in unser Land locken.

Die Landesregierung hat im Rahmen der Wasserstoffstrategie.SH insgesamt 30 Millionen Euro für Wasserstoffprojekte bereitgestellt und in diesem Zuge auch ein Förderprogramm für kleine, dezentrale Elektrolyseure aufgelegt.


Ministerpräsident Daniel Günther wird auch beim Windbranchentag Schleswig-Holstein anwesend sein. Melden Sie sich hier an!