Wieso brauchen wir grünen Wasserstoff aus Brandenburg?

Dr. Bischof-Niemz: Gerade die aktuelle Situation zeigt uns, dass wir die Abhängigkeit von fossilen Energieimporten nur reduzieren können, wenn wir möglichst viel Energie im eigenen Land erzeugen. Die Produktion von Wasserstoff mit Strom aus Wind und Sonne macht erneuerbare Energie speicherbar und verhindert eine Überlastung der Stromnetze.

Außerdem bringt die H2-Wirtschaft riesige wachstums- und strukturpolitische Vorteile für Ostdeutschland mit sich. Wir können in unserer Region Wertschöpfungsketten etablieren, von denen sowohl Brandenburg als auch Berlin profitieren. Denn bereits heute ist die Verfügbarkeit von grüner Energie ein entscheidender Faktor bei der Ansiedlung von Unternehmen.

Im Nordosten planen wir im Rahmen des IPCEI-Vorhabens „Elektrolysekorridor Ostdeutschland“ den Aufbau von 210 MW-Elektrolyseleistung an vier Standorten sowie die dafür benötigten Windkraft- und Photovoltaikanlagen. Der erzeugte Wasserstoff soll in eine reine Wasserstoffleitung, die „doing hydrogen-Pipeline“, eingespeist werden. Aus dieser Leitung können große Industrieunternehmen den grünen Wasserstoff dann immer direkt nach Bedarf entnehmen. Ein Projekt entlang dieser Leitung ist zum Beispiel am Standort des Cemex-Zementwerks in Rüdersdorf: Hier planen wir die klimafreundliche Zementproduktion und die Erzeugung von nachhaltigen Flugkraftstoffen mit grünem Wasserstoff.

Trotz aller Bemühungen werden wir aber auch in Zukunft weiterhin zu Teilen auf Energie-importe angewiesen sein. Wichtig wird hierbei sein, dass wir dann ausschließlich grüne Energie importieren und dafür sorgen, dass die Erzeugerländer partizipieren können. Dennoch müssen die selbstgesteckten Ziele ehrgeiziger werden. Der Entwurf der Brandenburger Energiestrategie geht beispielweise davon aus, dass im Jahr 2040 nur knapp 17 Prozent des landesweiten Wasserstoffbedarfs durch grünen Wasserstoff aus Brandenburg gedeckt werden. Da geht hierzulande viel mehr!

Was sind derzeit noch Hemmschuhe für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in unserer Region?

Dr. Bischof-Niemz: Das zweite Problem sind immer noch die langen Genehmigungszeiten für Erneuerbare Energien und besonders auch die knappen Flächen für neue Windenergieanlagen. Nur mit PV-Anlagen wird aus technischen und wirtschaftlichen Gründen keine grüne Wasserstoffwirtschaft in Deutschland funktionieren! Das Problem hat die Bundesregierung erkannt und fasst jetzt auch vor dem Hintergrund der aktuellen Ukrainekrise mit noch mehr Hochdruck die unterschiedlichen Fachgesetze an, um den Ausbau von Wind und PV viel schneller voranzubringen. Und speziell in Brandenburg stehen wir ja auch noch vor dem zusätzlichen Problem des Ausbaumoratoriums. Hier zeigt sich, dass die Bundesregierung und die Länder noch viele Fragen gemeinsam klären müssen.

Aufgrund der geopolitischen Lage soll trotz der bestehenden Hindernisse plötzlich alles ganz schnell gehen. Hat ENERTRAG Ideen, wie das gehen soll?

Dr. Bischof-Niemz: Die Novelle des EEG ist durch die Definition von klaren, ambitionierten Ausbauzielen zu begrüßen. Wir brauchen allerdings zusätzliche erneuerbare Erzeugungsanlagen für den steigenden EE-Strombedarf und die heimische Produktion von grünem Wasserstoff. Hier kommt es jetzt auf die unterschiedlichen Reformen auf Bundesebene im Bereich Artenschutz, Immissionsschutzrecht und Flächenplanung an, aber auch auf wichtige Vorgaben der EU-Kommission. Und die Landesregierung kann kurzfristig mit einer regionalplanerischen Öffnungsklausel für Sektorenkopplungsprojekte erneuerbare Sektorenkopplungskonzepte in Brandenburg möglich machen, die sonst erst nach Abschluss der zähen Regionalplanungsverfahren und unter der Voraussetzung einer deutlich höheren Flächenausweisung realisierbar wären. Ohne eine regionalplanerische Öffnungsklausel werden wichtige Projekte, die sich aus den Maßnahmen der Wasserstoff-Roadmap ergeben, nicht im erforderlichen Zeitraum realisierbar sein.


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