Sehr geehrter Herr Minister, Im Jahr 2019 ist der Zubau von Windkraftanlagen eingebrochen. Wie gelingt es, wieder Schwung in den Ausbau zu bekommen, um die im IEKK festgelegten Ausbauziele zu erreichen?

Wenn Sie auf Baden-Württemberg blicken sind die Ausbauzahlen schon deutlich früher eingebrochen. Nach Einführung des EEG 2017 sind die Genehmigungsverfahren sofort schlagartig zurückgegangen. Im Jahr 2018 sah man dann den entsprechenden Effekt bei den Ausbauzahlen. Ursache war hier zunächst, dass bei den Ausschreibungen der Bundesnetzagentur die höheren Kosten aufgrund der Infrastruktur im Süden nicht berücksichtigt wurden. Das haben wir schon im Vorfeld immer wieder angemahnt. Damit sind unsere Anlagen in den Ausschreibungen nicht konkurrenzfähig gewesen. Auf eine entsprechende Anpassung des EEG dringen wir nach wie vor.

Mittlerweile waren aber schon viele Ausschreibungen unterzeichnet und bundesweit ist der Ausbau eingebrochen. Daher stehen nun andere Probleme beim Ausbau auch im Südwesten im Vordergrund. Leider gibt es hier nicht eine Ursache, die man beheben könnte und der Windenergieausbau läuft wieder. Man muss vielmehr auf mehreren Ebenen Verbesserungen erreichen. Hier spielen die Vorgaben im Artenschutz, die Vereinfachung von Genehmigungsverfahren, die Flächenverfügbarkeit aber auch Maßnahmen zur Erhöhung der Akzeptanz eine Rolle. Weniger Klagen aber auch eine Verkürzung des Klagewegs wären sehr hilfreich. Wir versuchen in diesen Bereichen Verbesserungen zu erzielen, soweit es uns möglich ist. Beispielsweise haben wir aktuell den Schwellenwert für das Vorliegen eines Rotmilan-Dichtezentrums an die aktuelle Bestandssituation der Art im Land angepasst und beraten über weitere Änderungen im Artenschutz in einer Facharbeitsgruppe unter Federführung der LUBW im Rahmen der Überarbeitung der LUBW-Hinweispapiere. Im letzten Jahr haben wir die Potentialflächen auf Grundlage des neuen Windatlasses im Energieatlas dargestellt.

Es ist aber auch nicht realistisch, dass die Landespolitik diese Aufgabe alleine meistern kann. Von der Bundespolitik bis zu den Planungsträgern der Regional- und Flächennutzungsplanung bzw. den Kommunen müssen hier Anstrengungen erfolgen. Von der Bundesregierung erhoffe ich mir insbesondere, dass sie die Zeichen der Zeit erkennt, die leidige Mindestabstandsdiskussion endlich bleiben lässt und effektive Maßnahmen wie eine finanzielle Beteiligung der Kommunen oder eine Vereinfachung der Immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren auf den Weg bringt.

Die Hinweispapiere Vögel und Fledermäuse werden aktualisiert. Was ändert sich für die planerischen Vorgaben?

Fachliche Standards leisten einen wesentlichen Beitrag zur Rechtssicherheit und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren. Die LUBW hat daher in unserem Auftrag seit 2012 und in den Folgejahren Hinweise zur Erfassung und Bewertung von Vogelvorkommen im Rahmen von WEA-Genehmigungsverfahren veröffentlicht. Für die Artengruppe der Fledermäuse liegen seit 2015 die Erfassungshinweise vor. Aktuell wird an einem Entwurf für die Bewertungshinweise Fledermäuse gearbeitet, der im zweiten Halbjahr in der projektbegleitenden Facharbeitsgruppe Windenergie und Artenschutz beraten werden wird. Die Erfassungs- und Bewertungshinweise Vögel sollen im Rahmen des seit Anfang des Jahres begonnenen Überarbeitungsprozesses unter Federführung der LUBW zusammengeführt und weiterentwickelt werden. Auch dies geschieht in einem gemeinsamen Prozess mit der Facharbeitsgruppe, in der der BWE eingebunden ist und dankenswerter Weise intensiv mitarbeitet.

Seit Veröffentlichung der LUBW-Hinweispapiere hat sich der wissenschaftliche Kenntnisstand bezüglich eines natur- und artenschutzverträglichen Ausbaus der Windenergie beständig vergrößert. Denken Sie beispielsweise an die Forschungsvorhaben des Bundesamts für Naturschutz, die im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie durchgeführte PROGRESS-Studie zur Schaffung planungsbezogener Grundlagen für die Prognose und Bewertung des Kollisionsrisikos an WEA oder das durch das Land Baden-Württemberg mitfinanzierte Forschungsvorhaben zu Auerhuhn und Windenergie. Zudem liegen umfangreiche Erfahrungen der Projektierer und Genehmigungsbehörden mit dem Umgang der Hinweispapiere vor. All diese Kenntnisse und Erfahrungen werden als Wissensgrundlage in die Überarbeitungen der Papiere einfließen.

Für die planerische Seite werden durch die Aktualisierung der Hinweispapiere konkrete, handhabbare Hilfestellungen zu wichtigen Themen wie die Anpassung der Erfassungsmethoden an den aktuellen Kenntnisstand, die Bewertung des Signifikanzkriteriums beim Tötungsrisiko, die Anwendung von geeigneten Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen sowie die Anwendung der artenschutzrechtlichen Ausnahme (ggf. durch Veröffentlichung ergänzender Handreichungen) zu erwarten sein.

Das baden-württembergische Klimaschutzgesetz wird zurzeit novelliert. Werden die landesweiten Ausbauziele für die Windenergie in dem Gesetz verankert?

Das Klimaschutzgesetz Baden-Württemberg enthält die Klimaschutzziele des Landes für 2020 und 2050. Im Zuge der Novellierung des Gesetzes wollen wir ein Klimaschutzziel von 42 Prozent Treibhausgasminderung bis 2030 neu aufnehmen. Im Klimaschutzgesetz ist außerdem geregelt, dass die wesentlichen Ziele, Strategien und Maßnahmen zur Erreichung der Klimaschutzziele im Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK) benannt sind. Deshalb enthält das IEKK von 2014 auch die Ziele zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Das IEKK wird derzeit im Hinblick auf das Zieljahr 2030 fortgeschrieben, und dabei sollen auch die Ausbauziele weiterentwickelt werden.

Laut der Potenzialanalyse des im letzten Jahr veröffentlichten Windatlas sind 6% der Landesfläche für Windkraft geeignet. Was wird getan, damit dies in der Planungspraxis umgesetzt wird?

Man muss die Ergebnisse der Potentialanalyse zunächst relativieren. Die Potentialanalyse wurde auf Grundlage des neuen Windatlasses durchgeführt. Die 6 % sind Flächen auf denen die sogenannte mittlere gekappte Windleistungsdichte als Maß für die Windhöffigkeit 215 W/m^2 oder mehr beträgt und keine offensichtlichen Flächenrestriktionen bestehen. In der Praxis werden sich aber auch Flächen, die diese Kriterien erfüllen, für die Windenergie als untauglich erweisen. Beispielsweise gehen in die Analyse nur die naturschutzrechtlichen Schutzgebietskategorien wie z. B. Natur- und Vogelschutzgebiete ein. Eine weitergehende Berücksichtigung des Artenschutzes findet nicht statt. Außerhalb von Schutzgebieten kann er erst im Rahmen der konkreten Planung berücksichtigt werden.

Der Wert von 215 W/m^2, ab dem die Fläche für die Windenergie geeignet ist, gilt nun auch bei der Regional- und Flächennutzungsplanung. Entsprechend sollte bei Planungen dieser Grenzwert berücksichtigt werden. Insofern müssen hier automatisch die besagten Flächen der Potentialanalyse berücksichtigt werden.

Es ist, glaube ich, auch kein Geheimnis, dass ich mir bei der Überarbeitung des Klimaschutzgesetzes und des IEKK auch regionale Flächenziele gewünscht hätte. Leider ließ sich dies nicht realisieren – das Planungsrecht liegt nicht in meinem Ressort. 

Wie geht es weiter mit der Windkraft im Staatswald?

Ich halte den Windausbau im Staatswald für sehr wichtig und denke, es sollte ein überproportionaler Teil des Ausbaus im Staatswald erfolgen. Für die Staatswaldflächen ist Forst BW und das MLR zuständig. Wir sind gerade mit beiden und weiteren Akteuren daran, uns zu überlegen, wie man ausgehend von dem Potentialatlas weitere Kriterien berücksichtigen kann, um die Flächen zu identifizieren, die im Staatswald besonders geeignet sind. Dann könnte man auch die Flächen gezielt ausschreiben, die für die Windenergie am geeignetsten erscheinen.

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Vielen Dank für das Gespräch!