Dr. Karsten McGovern ist Geschäftsführer der LEA LandesEnergieAgentur Hessen. Diese unterstützt und berät bei diversen Maßnahmen zur Energiewende und zum Klimaschutz. Im Bereich Windenergie hilft das LEA-Landesprogramm „Bürgerforum Energiewende Hessen“ Konflikte durch Sachinformationen zu entschärfen. Darüber hinaus analysiert die LEA Hessen den Ausbau der Windenergie in Hessen und begleitete zum Beispiel den Prozess der Verwaltungsvorschrift Artenschutz / Windenergie 2020.

Herr Dr. McGovern, Hessen ist bundesweit Spitzenreiter bei der Bereitstellung nutzbarer Flächen für die Windenergie (rotor-out-Regelung). Was sind Ihre Erfahrungen mit dem Ausbau der Windenergie und was können andere daraus lernen?

Die Spitzenposition was die Vorrangflächen angeht, geht zurück auf den Energiegipfel 2011 und der Entscheidung zur Konzentration. Daraus folgte ein mit einigen Widerständen verbundener Prozess im Rahmen der Regionalplanung. Dabei wurden viele Vorprüfungen vorgenommen, die die Projektierung erleichtern sollen, es gibt zu allen hessischen Vorranggebieten Windenergie aussagekräftige Steckbriefe. Da mit Ausschlusswirkung geplant wurde, war diese Vorarbeit besonders wichtig, denn die Flächen sollten am Ende möglichst konfliktarm und die meisten Anlagen genehmigungsfähig sein. Die Realität ist leider nicht so einfach, da die regionalplanerischen Vorprüfungen im Genehmigungsverfahren eigentlich keine erleichternde Wirkung haben. Außerdem führt die Ausschlusswirkung dazu, dass eine Projektierung außerhalb der Vorrangflächen keine realistische Chance hat.

Was können andere Bundesländer daraus lernen? Die Erfüllung der 2 %-Bundesvorgabe sollte nicht dazu führen, dass Anträge auf nicht geplanten Flächen chancenlos sind. Daher sollte die Ausschlusswirkung vermieden werden. Außerdem muss sichergestellt werden, dass während des Planungsprozesses, der sich über Jahre hinziehen kann, die Beantragung von Anlagen nicht ausgesetzt wird, was leider in Hessen mehrfach geschehen ist.

Aktuell tragen wir übrigens die Erfahrungen der Branche und verschiedener Behörden zusammen und fassen das nun in einem Forschungsprojekt mit der Uni Kassel zusammen. Das Projekt heißt ANSWER, das steht für „Analyse und Perspektiven des hessischen Windenergieausbaus“. Ziel dieser sogenannten ANSWER-Studie ist es, die Hemmnisse für den Zubau klar zu identifizieren, um anschließend Empfehlungen ableiten zu können.

Können Sie dazu schon Näheres sagen? Welche Ergebnisse können wir erwarten?

Womit wir in Hessen nicht in dem Maße gerechnet haben, ist die fehlende Zustimmung einiger Eigentümer und Eigentümerinnen, insbesondere von Kommunen – dies ist bei uns einer der großen Gründe für fehlende Flächenbereitstellung. Ein weiteres Hemmnis für den Zubau ist mangelnde Akzeptanz vor Ort. Zwar sehen wir hier seit der Energiekrise eine Verbesserung, aber noch ist das nicht voll auf politische Entscheidungsprozesse vor Ort durchgeschlagen.

Die weiteren Hemmnisse: Anlagenreduzierungen aufgrund topographischer Anforderungen im Mittelgebirgsland Hessen und Konflikte bei den Themen Tiefflugstrecken, Flugsicherung und Radare sind für die Branche sicher nichts Neues.

 


Die passende Veranstaltung: Windbranchentag Rhein/Main/Saar


 

Was genau muss das Land aus Ihrer Sicht tun, um Lösungen für bekannte Konflikte herbeizuführen?

Bei der Anwendung der bundesweit neuen Artenschutzregelungen sind wir in Hessen schon gut vorbereitet mit der Verwaltungsvorschrift, bei der auch die Naturschutzverbände mitgearbeitet haben. Wenn alle neuen Regelungen konsequent angewendet werden, kommen wir beim Thema Artenschutz sicher auch bundesweit zu einer merklichen Beschleunigung.

Auch bei der Flugsicherung tut sich aktuell einiges. Wir wollen in Hessen die aktualisierte WERAN Plus-Berechnungsformel nutzen, um frühzeitig zu signalisieren, wo es keine Konflikte mehr geben wird.

Hinsichtlich der bestehenden Skepsis von Seiten Eigentümerinnen und Eigentümern müssen wir uns aktiver um die Kommunen und die Menschen vor Ort bemühen, um so die Akzeptanz zu steigern. Dazu startet die LEA Hessen im Auftrag des hessischen Wirtschafts- und Energieministeriums Anfang 2023 eine Kampagne mit Fokus auf den ländlichen Raum.

Eine Kampagne, das klingt spannend. Worum geht es dabei genau und was ist das Ziel?

Es geht darum, die Mehrwerte des Ausbaus der Erneuerbaren Energien deutlicher aufzuzeigen – und so vor allem die bislang schweigende Mehrheit zu erreichen. Auf die Frage „Warum Energiewende vor Ort?“ möchten wir die Antwort geben: „Weil alle was davon haben“ – was das Motto der Kampagne ist.

Aufhänger der Kampagne sind praktische Vorteile von Windenergie vor Ort. Nicht allein der Klimaschutzaspekt steht hierbei im Vordergrund, sondern die gesamte Wertschöpfungskette wird skizziert.

Die Elektrifizierung wird den Menschen eine Verbesserung der Lebensqualität durch E-Mobilität bringen: weniger Emissionen für Anwohnende – aber eben nur, wenn wir für ein ausreichendes Angebot an Ökostrom sorgen.

Auch wirtschaftliche Themen wie der Erhalt regionaler Arbeitsplätze und die Nutzung finanzieller Beteiligungsangebote bieten sich an, wenn wir unsere Energie lokal erzeugen. Auf der Webseite www.was-bringts-mir.de wird jede und jeder sich ein Bild machen können, wie viel CO2 eingespart wird und wie viel Wertschöpfung durch die Erneuerbaren im ländlichen Raum generiert werden kann.

Gibt es noch mehr als eine Webseite und kann die Branche die Kampagne ebenfalls nutzen oder unterstützen?

Über unsere Social Media-Kanäle werden wir verschiedene Zielgruppen ansprechen. Daneben wird es ein Paket für Kommunen sowie Multiplikatorinnen und Multiplikatoren geben mit Plakaten, die die Mehrwerte des Ausbaus der Erneuerbaren darstellen und mit Fakten untermalen. Ebenfalls verfügbar ist dann ein Flyer im wiedererkennbaren Kampagnendesign, der knackige Gründe für den Ausbau der Windenergie liefert. Nicht zuletzt nutzen wir hessische Erfolgsgeschichten, die durch die Erneuerbaren möglich werden. Falls Sie eigene Beispiele und erfolgreiche Projekte in petto haben, wenden Sie sich gerne direkt an uns. Ebenso freuen wir uns, wenn die Inhalte weiterverbreitet und verteilt werden. Wegen der Landtagswahl im Herbst wird es eine knappe Laufzeit werden, wir hoffen aber, dass die Materialien, die wir bereitstellen, eine langfristige Wirkung entfalten.

Vielen Dank, Herr Dr. McGovern.

 


Der Branchentag Rhein/Main/Saar findet am 11.07. statt. : Windbranchentag Rhein/Main/Saar