Die neue Bundesregierung lässt keine Zweifel daran, dass sich die ins Stocken geratene Genehmigungssituation der Windenergie an Land drastisch verbessern muss. Zuletzt war etwa die Rede von mehr als 100 Gigawatt installierter Leistung im Jahre 2030 (Eröffnungsbilanz Klimaschutz). An Vorschlägen zur Vereinfachung und Beschleunigung der Genehmigungsverfahren mangelt es nicht. Wichtig ist aber, dass der Gesetzgeber nicht bloß Einzelmaßnahmen umsetzt, sondern im Sinne eines Gesamtkonzepts vorgeht. Nur ein konsistenter Rechtsrahmen unterstützt effektiv das Erreichen der Klimaschutzziele und ist den derzeitigen Herausforderun-gen gewachsen. Im Fokus sollten hierbei zunächst Maßnahmen liegen, die zeitnahe und rechtssichere Lösungen versprechen.
Prüfungsumfang reduzieren
Der Umfang erforderlicher Prüfungen sollte an verschiedenen Stellen klargestellt und reduziert werden. Insbesondere etwa im Bereich des Artenschutzrechtes sind die durch Länderleitfäden oder Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an die notwendigen Untersuchungen in den letzten Jahren tendenziell eher angestiegen, obwohl die gesetzlichen Regelungen weitgehend gleich geblieben sind. Im Wege einer Klarstellung sollte der Gesetzgeber sich hier um eine Reduzierung der Anforderungen auf ein fachlich notwendiges oder noch anerkanntes Maß bemühen. Auch wenn es wegen des differenzierten Meinungsbildes durchaus schwierig sein mag, dieses „fachliche Standardmaß“ zu bestimmen, ist es gerade in solchen Fällen Aufgabe des Gesetzgebers, für klare, verbindliche und möglichst einheitliche Anforderungen zu sorgen.
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Des Weiteren sollten die bauordnungsrechtlichen Abstandsvorgaben aus dem Prüfprogramm für Windenergieanlagen gestrichen werden. Gemeint sind hier die Sicherheitsabstände zu anderen Bauwerken oder – bei Windenergieanlagen relevanter – zu benachbarten Grundstücken. Deren Einhaltung bringt regelmäßig keinen Mehrwert, da die Erfüllung anderer Genehmigungsvoraussetzungen (z. B. Einhaltung der Grenzwerte) ohnehin das Freihalten größerer Abstände erfordert. Zudem birgt die erforderliche Sicherung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen durch Baulasten Kosten und Risiken.
Prüfungsmaßstäbe verbindlich konkretisieren
Wesentliches Instrument zur Erhöhung des Tempos und der Rechtssicherheit bei der Genehmigungserteilung ist die rechtsverbindliche Konkretisierung von Prüfungsmaßstäben – dies hilft Behörden, Vorhabenträgern und Gerichten gleichermaßen. Im Vordergrund stehen dabei das Artenschutzrecht (siehe sogleich), das Luftverkehrsrecht (z. B. Störung von Drehfunkfeuern, Platzrunden, Tiefflugstrecken) und zunehmend auch das Denkmalschutzrecht.
Für eine Konkretisierung im Artenschutzrecht etwa sollte insbesondere das Signifikanzerfordernis (signifikant erhöhtes Tötungsrisiko samt Grundrisiko), die Anforderungen an „fachlich anerkannte“ Schutzmaßnahmen sowie die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahme (insbesondere Ausnahmegründe der „zwingenden Gründe des über-wiegenden öffentlichen Interesses“ und der „öffentlichen Sicherheit“, Alternativenprüfung, Verschlechterungsverbot) objektiv nachprüfbar ausgestaltet werden. Hierbei gilt es, die bestehenden Spielräume des europäischen Rechts zu nutzen und zugleich dessen Grenzen zu beachten. Je pauschaler etwa artenschutzrechtliche Ausnahmen für Wind-energieanlagen künftig erteilt werden sollen („Pauschalausnahme“, „Regelvermutung“), desto eher ergeben sich Hürden aus dem höherrangigen, europäischen Recht.
Windenergie priorisieren
Hilfreich zur Erhöhung der Genehmigungszahlen wäre zudem eine stärkere gesetzgeberische Priorisierung der Windenergie gegenüber anderen, im öffentlichen Interesse stehenden Belangen (z. B. Denkmalschutz, Luftsicherheit, Naturschutz). Dabei geht es nicht nur um eine bloße Klarstellung des bereits anerkannten öffentlichen Interesses an der Nutzung der Windenergie bzw. erneuerbarer Energien (Gleichstellung mit anderen Belangen). Es geht vielmehr darüber hinaus um eine gesetzgeberische Wertentschei-dung im Lichte des Klimaschutzes zur besseren Durchsetzungskraft der Windenergie gegenüber anderen öffentlichen Belangen (Priorisierung). Hierzu gibt es für den Gesetzgeber verschiedene Optionen und Abstufungs-möglichkeiten (z. B. relativer Vorrang in Form einer hohen Gewichtung für Abwägungsentscheidungen). Eine solche Wertentscheidung kann gesetzlich vorweggenommen und sollte nicht bzw. jedenfalls nicht in gleichem Umfang wie heute allein den Behörden im Vollzug überlassen werden. Im Idealfall erfolgen entsprechende Vorgaben nicht nur an allgemeiner Stelle (z. B. im EEG), sondern zusätzlich in einzelnen Fachgesetzen.
Derzeitiges Verfahrensrecht optimieren
Auch verfahrensrechtliche Anpassungen können einen gewissen Beitrag zur Beschleunigung leisten. Es bedarf in der aktuellen Situation allerdings keines gänzlich neuen Verfahrens für die Genehmigung von Windenergieanlagen. Ein derartiger Systemwechsel kostet Zeit und birgt ein nicht unerhebliches Risiko umstellungsbedingter Probleme (z. B. Zeitverlust für Etablierung neuer Standards und Mechanismen und bis dahin bestehende Rechtsunsicherheit).
Der rechtliche Rahmen des derzeitigen Verfahrens bietet noch verschie-dene Ansätze für Optimierungen, die zunächst genutzt werden sollten. So sollte der Gesetzgeber Beginn, Dauer und Folgen einer Versäumung der Frist betreffend die Entscheidung über den Genehmigungsantrag klar und im Sinne einer Verfahrensbeschleunigung regeln. Weitere Optio-nen können die Straffung der Behördenbeteiligung und die Verlagerung genehmigungsbehördlicher Zuständigkeiten auf höhere Ebenen sein. Letztlich fungiert das Verfahren aber nur als „Hülle“ für das jeweilige Prüfprogramm, sodass das Verbesserungspotenzial durch bloße Verfahrensanpassungen – ohne Änderungen im Prüfprogramm (Prüfungsanfor-derungen) – im Vergleich eher gering ist.
Repowering erleichtern
Das Repowering, also der Ersatz von Altanlagen durch moderne, leistungsfähigere Anlagen, ist von wesentlicher Bedeutung für einen effektiven Ausbau der Windenergie. Zentrale Herausforderungen für den Gesetzgeber sind die klare Regelung von Verfahrensfragen und die Schaffung klarer Maßstäbe für die Berücksichtigung des Wegfalls von Beeinträchtigungen infolge des Rückbaus der Altanlagen. Mit der jüngst erfolgten Schaffung des § 16b BImSchG ist hier nur ein erster Schritt getan. Es bedarf eines stimmigen Konzepts, das nach wie vor bestehende Anwendungs- und Verfahrensfragen klärt und klare Regelungen zu Prüfungsumfang und -tiefe schafft. Wird das Repowering dabei – wie nun durch § 16b BImSchG erfolgt – dem immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigungsverfahren zugeordnet, sollte der Gesetzgeber hierbei weniger auf Repowering-bezogene Spezialregelungen setzen, sondern das Instrument der Änderungsgenehmigung also solches und dessen verschiedene Anwen-dungsfelder im Blick behalten. Es gilt dann, das Repowering in ein solches Änderungsgenehmigungskonzept stringent einzufügen.
Fazit
Dem Gesetzgeber stehen die maßgeblichen Hebel zur Verfügung, um die Genehmigungsverfahren von Windenergieanlagen effektiv zu verein-fachen und zu beschleunigen. Deren Nutzung bildet aber nur einen Teil der Lösung hin zu einem erfolgreichen Ausbau der Windenergie. Neben dem Genehmigungsrecht muss ebenso das Planungsrecht, also das Recht der Flächenbereitstellung optimiert werden. Zuletzt bedarf es auch der Optimierung außerrechtlicher Faktoren. Hierzu zählt insbesondere eine quantitativ wie qualitativ ausreichende personelle Ausstattung von Be-hörden (inkl. weiterer genehmigungsrelevanter Stellen wie etwa der DFS) und Gerichten, aber auch eine stärkere Digitalisierung und ein stetiges Bemühen um Akzeptanz.
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