Die Bundesregierung plant, die Stromversorgung bis zum Jahr 2035 nahezu vollständig durch erneuerbare Energien (EE) zu decken. Handlungsdruck besteht nicht nur aufgrund der Klimabeschlüsse des BVerfG.1 Auch durch den andauernden Russland-Ukraine-Krieg ist eine unabhängige Energieversorgung dringender als je zuvor.
Eine weitere Verzögerung des Ausbaus der EE ist folglich nicht mehr hin-nehmbar. Allerdings: Die Praxis zeigt regelmäßig, wie die Realisierung von Windenergieanlagen (WEA) immer wieder vor Hürden steht.

Fall 1: Überwuchertes Gartendenkmal

In einem Fall in Brandenburg wurde die Errichtung von fünf WEA abgelehnt, da „die gestalterische Komposition und das Erscheinungsbild“ eines ein Kilometer entfernten Gartendenkmals „in erheblicher Weise beeinträchtigt werde.“ Das Gartendenkmal besteht aus einem verfallenen, überwucherten alten Gutshaus, einigen Nebengebäuden und einem „Schlosssee“ – umgeben von jeder Menge Wald. Im Umkreis bestehen bereits andere WEA und durch den umliegenden Wald wären nur ein paar Rotorblattspitzen zu sehen.

Fall 2: Nicht gekennzeichnetes Hügelgrab

Als zweites Fallbeispiel dient die Verhinderung einer WEA in der Umgebung eines Hügelgrabes in Brandenburg. Es seien mindestens 250 Meter rund um das Bodendenkmal zu schützen, um dieses nicht zu erdrücken, zu verdrängen, zu übertönen oder die gebotene Achtung gegenüber den vom Denkmal verkörperten Werten außer Acht zu lassen. Auf dem – nicht als solches gekennzeichneten – Hügelgrab ist allerdings bereits jetzt ein Hochsitz errichtet und je nach Sichtachse auf das Denkmal sind Schornsteine einer Industrieanlage deutlich zu erkennen.

Fall 3: Kulturdenkmal flügellose Mühle

In einem dritten Beispiel scheiterte vor dem OVG Lüneburg2 zuletzt die Errichtung einer WEA in der Nähe einer denkmalgeschützten, aber flügellosen Mühle. In direkter Umgebung der Mühle befinden sich hohe Bäume und mehrere Gebäude, die eine tatsächliche Sichtbeziehung zwischen WEA und Mühle kaum zulassen. Laut OVG Lüneburg sei jedoch für die Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes nicht ausschließlich maßgeblich, welche Sicht sich dem Betrachter auf das Denkmal tatsächlich bietet, sondern es müssen ggf. auch das Denkmal abschirmende, aber denkmalwidrige Gehölze „hinweggedacht oder als bereits beschnitten fingiert werden.“

Erfordernis einer denkmalschutzrechtlichen Zustimmung

Die Praxisbeispiele zeigen, dass bei Planung und Realisierung von WEA der Denkmalschutz nicht zu vernachlässigen ist. Denn gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG ist die immissionsschutzrechtliche Genehmigung nur dann zu erteilen, wenn auch andere öffentlichrechtliche Vorschriften der Errichtung und dem Betrieb der WEA nicht entgegenstehen. Aufgrund der Konzentrationswirkung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 13 BImSchG wandelt sich die in den landesspezifischen Denkmalschutzgesetzen teilweise geregelte Erlaubnispflicht somit in eine Zustimmungspflicht der Denkmalschutzbehörde um, die in das BImSchG-Verfahren integriert wird. Im BImSchG-Verfahren ist folglich grundsätzlich zu prüfen, ob durch die Errichtung der Windenergieanlage

  1. ein Denkmal in seinem Erscheinungsbild oder
  2. die Umgebung eines Denkmals, soweit sie für dessen Erhaltung oder Erscheinungsbild erheblich ist (Umgebungsschutz), verändert bzw. beeinträchtigt wird.

Variante 1: Erscheinungsbild

Die Zustimmungspflicht wird durch jede Beeinflussung des Erscheinungsbildes ausgelöst, die der als Maßstab gedachte aufgeschlossene Durchschnittsbetrachter als nachteilige Veränderung des Denkmals wahrnimmt.3 Sie setzt nicht voraus, dass die Beeinträchtigung von besonderem Gewicht oder deutlich wahrnehmbar ist.4

Variante 2: Umgebungsschutz

Daneben kann die Veränderung der Umgebung eines Denkmals die Zustimmung erfordern.5 Als Umgebung ist der Bereich zu sehen, auf den das Denkmal ausstrahlt und den es in denkmalschutzrechtlicher Hinsicht seinerseits prägt und beeinflusst oder durch den das Denkmal geprägt wird.6 Weiterhin kann denkmalschutzrechtlicher Umgebungsschutz vor-liegen, wenn bedeutsame Sichtachsen – sowohl vom Denkmal auf die Umgebung als auch umgekehrt – oder die Raumwirkung (sog. Maßstabsverlust)7 betroffen sind. Zwischen Denkmal und Umfeld muss also eine Funktionsbeziehung bestehen, die durch Faktoren wie topographische Lage, Bewuchs und Vorbelastungen beeinflusst wird. Letztlich ist in einer Einzelfallabwägung zu entscheiden, ob dieses die Eigenart oder das Er-scheinungsbild des Denkmals (wesentlich) beeinträchtigt.

Beurteilungsmaßstab

Es ist einzelfallbezogen genau zu prüfen, ob:

  1. die durch die Errichtung entstehende Beeinträchtigung erheblich ist, sodass sie der Errichtung entgegensteht und
  2. ob das gesteigerte Interesse der Allgemeinheit an dem Ausbau Erneuerbarer Energien den konkreten denkmalschutzrechtlichen Belang überwinden kann.

Für die Beurteilung ist die Schwere der Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes im Verhältnis zur Bedeutung des Denkmals zu bewerten. Bei der erforderlichen Einzelfallprüfung ist zu berücksichtigen, dass eine gewisse Gewöhnung des Durchschnittsbetrachters an die Existenz von WEA eingetreten ist. Auch sind bestehende Vorbelastungen und der Denkmal-wert zu berücksichtigen. Erheblich ist eine Beeinträchtigung folglich nur dann, wenn:

  1. der Gesamteindruck des Baudenkmals empfindlich gestört wird,
  2. die Beeinträchtigung deutlich wahrnehmbar ist und
  3. vom Betrachter als belastend empfunden wird.8

Dieser Maßstab führt bei den obigen Beispielen dazu, dass in Fall 1 und 3, die WEA aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten – hier: hoher Bewuchs – kaum bis nicht sichtbar wäre und damit eine faktische Störung der Blickbeziehung zu verneinen ist. Zudem können bestehende Vorbe-lastungen wie WEA (Fall 1), Industrieschornsteine oder ein Hochsitz (Fall 2) dazu führen, dass der betroffene öffentliche Belang seine Schutzwürdig-keit bereits verloren hat und damit keine erhebliche Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes mehr vorliegt.

Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das öffentliche Interesse am Ausbau der EE

Die letzten Jahre haben eine Fülle an Einzelfallentscheidungen ergeben, deren Wiedergabe an dieser Stelle den Rahmen sprengen würde. Ent-scheidend ist jedoch: Liegt eine Beeinträchtigung des Denkmals vor, folgt eine Ermessensentscheidung, in der die Belange des Denkmalschutzes mit den Belangen des Klimaschutzes und dem öffentlichen Interesse am Ausbau der EE in Einklang zu bringen sind.

Für die Windenergie spricht nicht nur, dass Klimaschutz als öffentliches Interesse verfassungsrechtlich geschützt ist (Art. 20a GG), sondern auch, dass Beiträge zur nachhaltigen Entwicklung der Energieversorgung inzwischen als prioritäres Umweltziel bei der Abwägung in der Rechtspre-chung anerkannt sind.

Dem stellt sich partiell jedoch das OVG Lüneburg in einem aktuellen Beschluss9 (Fall 3) entgegen: Demzufolge soll allein ein überwiegendes Interesse am Ausbau der EE gegenüber den Interessen des Denkmalschutzes nicht genügen – vielmehr müsse dieses den Eingriff zwingend verlangen. Auch die Anwendbarkeit des § 2 EEG, der die besondere Bedeutung der EE normiert, sieht das OVG Lünbeburg im Denkmalschutz kritisch. Vor dem Hintergrund der Klimabeschlüsse des BVerfG10 ist diese Rechtsauffassung kritisch zu bewerten: Denn für das BVerfG steht mittlerweile außer Frage, dass ein (gewichtiges) öffentliches Interesse am Ausbau der EE besteht und dieser dem Klimaschutzziel des Art. 20a GG, dem Schutz von Grundrechten und dem Gemeinwohl dient. In einer späteren Änderung seines Beschlusses hat das OVG zwar eine Beeinträch-tigung des Denkmals aufgrund geänderter Gesetzeslage in Niedersachsen (Anpassung des DSchG) verneint; die Rechtsauffassung hinsichtlich der Anwendung von § 2 EEG hat das Gericht jedoch nicht klargestellt.

Insbesondere der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist auch bei obigen Fällen zu beachten: Dieser erfordert, dass jede staatliche Maßnahme einen legitimen Zweck verfolgt (hier: Denkmalschutz), zu dessen Erreichen das gewählte Mittel (hier: Versagung der Zustimmung) geeignet, erforderlich und angemessen sein muss. So ist in Betracht zu ziehen, ob nicht eine Zustimmung ggf. mit einer Beschränkung der Gesamtbauhöhe, Bepflanzungen oder Standortverschiebung, ein milderes Mittel und damit die angemessene Entscheidung gewesen wäre.

Ein Ausblick: Jede einzelne WEA dient dem Klimaschutz

Festzuhalten bleibt, so auch das BVerfG: Bei der Abwägung zwischen Denkmalschutz und dem Ausbau der EE durch die Errichtung einer WEA kann dem einzelnen Vorhaben nicht entgegengehalten werden, dass dieses mit Blick auf den Nutzen für die Energiewende und den Klimaschutz nur geringfügig ist. In der aktuellen Lage zählt jede einzelne Wind-energieanlage.
Diese grundsätzliche Bedeutung hat allerdings noch nicht alle Gerichte erreicht. Dementsprechend bleibt es zunächst dabei, dass auch im Spannungsfeld Windenergie und Denkmalschutz die Errichtung und der Betrieb von WEA nur durch langwierige Verfahren im erforderli-chen Maße voranschreiten – auf Kosten der Projektierer:innen und des Klimaschutzes.

Unberücksichtigt bleibt bisher auch die Feststellung des BVerfG, dass der Belang der Energiewende mit fortschreitendem Klimawandel an Bedeutung gewinnt: mit jeder Flut, jedem Sturm, jedem Waldbrand und jeder Dürre wächst die Durchsetzungskraft der EE.

Quellen: 

1 BVerfG Beschluss v. 23.04.2021 (1 BvR 2656/18 u.a.); v. 23.03.2022 (1 BvR 1187/17).
2 OVG Lüneburg, Beschluss v. 21.04.2022 (12 MS 188/21).
3 Z.B. § 9 HDSchG; § 12 SächsDSchG.
4 VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 01.09.2011, 1 S 1070/11, juris Rn. 29.
5 Z.B. § 8 HDSchG; § 2 SächsDSchG.
6 vgl. VG Hamburg, Urt. v. 07.05.2015 (7 K 2845/14).
7 OVG Lüneburg, Urt. v. 28.11.2007 (12 LC 70/07).
8 vgl. VG Sigmaringen, Urt. v. 14.02.2019 (9 K 4136/17); Urt. bestätigt durch VGH Mannheim,
Beschl. v. 20.04.2020 (1 S 1943/19).
9 OVG Lüneburg, Beschluss v. 21.04.2022 (12 MS 188/21).
10 BVerfG Beschluss v. 23. März 2022 (1 BvR 1187/17).


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