33.000 Stunden unter Volllast. Das ist in etwa die Arbeit, die eine zwanzigjährige Windkraftanlage auf dem Buckel hat. Wären Windräder Arbeitnehmer, entspräche das 825 Wochen im 40-Stunden-Job. Lässt sich das Renteneintrittsalter, ganz wie bei Arbeitnehmern, nach hinten verschieben?
Das ist keine einfache Frage – Ermüdungserscheinungen sind sehr individuell. Oft kann die Produktivität einer Anlage nicht mehr mit den Nachfolgern mithalten, und ab einem bestimmten Punkt lohnt sich das Arbeiten auch einfach nicht mehr. Anlagenbetreiber, deren Maschinen sich dem Alter von 20 Jahren nähern, sind deshalb vor allem mit zwei Fragen konfrontiert: Ist die Anlage technisch noch in der Lage, Strom zu produzieren? Und: Lohnt sich das?
Fitte Rentner
Besonders im Norden Deutschlands stehen viele Anlagen, die in den Neunzigerjahren errichtet wurden. „Das Fundament und der Turm sind mit Blick auf den Weiterbetrieb meist unkritisch“, erklärt Verena Schneider, Leiterin des Site Assessment Renewables des TÜV NORD EnSys in Hamburg. In der praktischen Prüfung würden in einigen Fällen allerdings auch hier Auffälligkeiten wie kleinere Fundamentschäden oder leichte Korrosionsansätze an Turmflanschen festgestellt. „Die kritischeren Teile sind aus analytischer Sicht aber tendenziell im maschinenbaulichen Teil zu finden. Hier stellt sich in einigen Fällen heraus, dass die Nabe inklusive Triebstrang und Blattanschluss die geringsten Weiterbetriebszeiträume aufweist“, so Schneider weiter. Hier würden dann Austausch- oder Instandsetzungsmaßnahmen für den Weiterbetrieb notwendig. Allgemeine Aussagen ließen sich aber nicht ableiten. Entscheidend für das Potential zur ökonomischen Lebensverlängerung seien oft die Qualität der Anlagenüberwachung mit Wartung, Wiederkehrender Prüfung und Instandsetzungsarbeiten. Starkwindstandorte mit hohen Turbulenzintensitäten verkürzten die zu erwartenden Weiterbetriebsjahre ebenfalls, so Schneider. Laut BWE verbleibt oft eine technische Restnutzungsdauer von 3 bis 22 Jahren.
Der unabhängige Sachverständige hat als Prüfer eine große Verantwortung, da er die Restnutzungsdauer der Anlage bewerten muss. Umso wichtiger ist es, qualifizierte Gutachter zu beauftragen.
In der Regel wurden Genehmigungen für Windenergieanlagen unbefristet erteilt. Da jedoch sowohl nach dem Bauordnungsrecht als auch nach den Regelungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes die Standsicherheit einer Windenergieanlage Grundlage des Betriebs ist, muss mit dem Ende der Entwurfslebensdauer das Bestehen der Standsicherheit geprüft werden.
Der Arbeitskreis (AK) Weiterbetrieb des BWE beschäftigt sich seit 2011 mit dem Thema, um die Voraussetzung eines technisch sicheren Weiterbetriebs zu klären und Hilfe in der praktischen Umsetzung zu leisten. „Der entscheidende Punkt ist der Nachweis zur Standsicherheit“, betont Martina Beese, auf das Energierecht spezialisierte Rechtsanwältin bei Engemann und Partner und Sprecherin des AK Weiterbetriebs. „Mit dem Standsicherheitsnachweis sind die technischen Voraussetzungen der bestehenden Genehmigung erfüllt und ein Weiterbetrieb ist möglich.“
Der AK hat dafür einen Leitfaden entwickelt, der die Hintergründe der Prüfung, das Vorgehen und die Mindestanforderungen beschreibt. „Der unabhängige Sachverständige hat als Prüfer eine große Verantwortung, da er die Restnutzungsdauer der Anlage bewerten muss. Umso wichtiger ist es, qualifizierte Gutachter zu beauftragen. Die umfangreiche Prüfung und Beachtung von Mindeststandards verursachen auch deutlich höhere Kosten als beispielsweise eine Wiederkehrende Prüfung. Werden also beispielsweise Gutachten für 1.000 Euro angeboten, kann sich der Betreiber sicher sein, dass die verlangten Anforderungen nicht erfüllt werden“
Die Sicherheit des Netzes steht derweil in der Regel nicht infrage: Zwar können die meisten Altanlagen, die bis 2023 aus dem EEG fallen, keine vollumfänglichen Systemdienstleistungen (SDL) bereitstellen. Sie erfüllen jedoch größtenteils die Anforderungen an die überarbeiteten Frequenzeinstellungen gemäß Systemstabilitätsverordnung, der Verordnung zur Gewährleistung der technischen Sicherheit und Systemstabilität des Elektrizitätsversorgungsnetzes (SysStabV).