Die Energielandschaft hat sich in den vergangenen Jahren komplett verändert. Während vor nicht allzu langer Zeit vor allem einige, wenige Großkraftwerke stetig den Strom produzierten, den die Verbraucher anmeldeten, sind heute viele kleine Produzenten überall in Deutschland verteilt am Markt. Virtuelle Kraftwerke helfen, diese dezentralen Einheiten zu managen. Sie können Tausende in der Regel kleine und mittlere Produzenten und Verbraucher vernetzen und optimieren deren Einspeisung oder deren Verbrauch. Die Idee: Flexible Anlagen wie Biogas-, Wasserkraft- und Power2X-Anlagen bilden gemeinsam mit Wind und Sonne ein Team der Erneuerbaren und produzieren dann mehr Strom, wenn das Angebot von Wind- und Solarenergie gering ist. Eine Anlage alleine wäre zu klein, um am Markt teilzunehmen. Über eine Fernwirktechnik können die im Virtuellen Kraftwerk vernetzen Anlagen über ein Leitsystem aber so gesteuert werden, als wären sie ein großes Kraftwerk. So kann ihr Strom als großes Bündel an der Börse gehandelt und den Übertragungsnetzbetreibern als Regelenergie zur Verfügung gestellt werden.
Virtuelle Kraftwerke erleichtern Zugang zum Markt
Um die vielen kleinen und mittelgroßen Anlagen zu vernetzen, nutzen die Betreiber von Virtuellen Kraftwerken verschiedene Schnittstellen – bestehende und selbst entwickelte. Über die Schnittstelle werden dann die Daten der Anlage an das Leitsystem gesendet. Im Leitsystem kommen nicht nur alle Informationen zusammen, das Leitsystem steuert auch alle integrierten Anlagen.
Der Strom aus Anlagen der Erneuerbaren Energien wird meist im Rahmen der Direktvermarktung an der Strombörse gehandelt. Virtuelle Kraftwerke erleichtern hierbei den Zugang zum Markt. Sie übernehmen den Handel an der Börse, unterstützen die Betreiber aber auch bei der Herstellung der verpflichtenden Fernsteuerbarkeit und übernehmen Pflichten, die mit der Direktvermarktung einer Anlage einhergehen. Denn jeder Stromproduzent hat ab einer bestimmten Größe zum Beispiel die Aufgabe zu definieren, wieviel er produziert und wo er diese Strommengen auf Abnehmerseite unterbringt. Kommt es zu Abweichungen von diesen gemeldeten Werten, werden Strafzahlungen fällig.
Portfolioeffekt
Auch hier hilft der Teamgedanke des Virtuellen Kraftwerks. Denn im Virtuellen Kraftwerk wird nicht eine Anlage betrachtet, sondern es geht um eine Gruppe von Anlagen. So eine Gruppe kann Biogas-, Wind- und PV-Anlagen, Wasserkraftwerke, Speicher und Power2X-Anlagen enthalten – je nachdem, welche Anlagen vernetzt sind. Die Idee dahinter: Wird die mögliche Einspeisung vieler Anlagen miteinander kombiniert, wird deren einspeisbare Menge kalkulierbarer. Es entsteht ein sogenannter Portfolioeffekt. Die prognostizierten Mengen werden dann an verschiedenen Börsen gehandelt. Vor allem kurzfristige Märkte wie der Intraday- und der Day-Ahead-Markt sind für den Handel mit Erneuerbaren Energien vorteilhaft. Denn dort lassen sich die real verfügbaren Mengen am besten abbilden.
Vermarktung in der Praxis
Bei der Vermarktung wird für jeden Anlagentyp entsprechend seiner Restriktionen eine optimale Vermarktungsstrategie erstellt. Wie sieht so eine Vermarktung dann in der Praxis aus? Hier das Beispiel eines Kunden aus Österreich: Dieser Kunde vermarktet über ein Virtuelles Kraftwerk einen Windpark mit mehr als 18 Megawatt Leistung im Rahmen eines kurzfristigen PPA. Der Park fiel bereits 2016 aus der aktiven Förderung, da die Förderung in Österreich nur 13 Jahre lief. Im jetzigen Vermarktungskonzept werden verschiedene Tranchen der Erzeugung zu unterschiedlichen Zeitpunkten – vom langfristigen Terminmarkt bis kurzfristigen Intradaymarkt – vermarktet. Am Ende bildet sich dann ein Mischpreis. Diese Lösung bietet die Möglichkeit, sich gegen langfristige Preis- und Mengenrisiken ein Stück weit abzusichern und zeitgleich abgesicherte Erlöse zu generieren. Der Kunde kann bis zwei Wochen vor Vermarktungsstart entsprechende Produkte über das Virtuelle Kraftwerk fixieren und so seine eigene Handelsstrategie festlegen. Dazu stellt ihm das Virtuelle Kraftwerk Marktinformationen bereit, die helfen, Preisentwicklungen zu erkennen, und steht ihm beratend zur Seite. So kann sich der Kunde eine fundierte Meinung darüber bilden, wann ein guter Zeitpunkt ist, den Strom zu verkaufen. Er bestimmt die Makrostrategie. Das Virtuelle Kraftwerk hat dann bei der Umsetzung freie Hand und platziert den Strom an den entsprechenden Marktplätzen - das können zum Beispiel Terminmarktgeschäfte, eine quartalsscharfe Vermarktung und der Stromverkauf an der Spotbörse sein. Bei negativen Preisen kann das Virtuelle Kraftwerk über seine Fernwirktechnik die Windräder zudem in kürzester Zeit aus dem Wind drehen.
Fazit
Virtuelle Kraftwerke sorgen also durch die Optimierung der Fahrweise und/oder der Vermarktung der Stromproduktion dafür, dass es ein sinnvolles Zusammenspiel der kleineren, dezentralen Anlagen gibt. Sie sind wie die Dirigenten im Orchester. Sie behalten den Überblick, lesen die Partitur und sorgen für den richtigen Einsatz in der angemessenen Lautstärke, damit die Melodie stimmt – oder eben dem Strommarkt die Mengen zur Verfügung stehen, die benötigt werden. So unterstützen sie das Gelingen der Energiewende.