Das Gericht stärkt damit die Rechtsposition der Betreiber:innen von Windenergieanlagen, deren Genehmigung zuvor verwaltungsgerichtlich bestätigt wurde.
Im Fokus der Öffentlichkeit stehen oftmals öffentlich-rechtlich geprägte Sachverhalte, wenn es um den Ausbau der Erneuerbaren Energien – konkret der Windenergie – geht. Vernachlässigt wird dabei, dass auch nach der Erteilung der unter Umständen vor Gericht erkämpften bestandskräftigen Genehmigung und der Inbetriebnahme der Windenergieanlage weiteres Ungemach droht – in zivilrechtlicher Hinsicht. Denn immer häufiger werden Betreiber:innen von Windenergieanlagen zivilrechtlich auf Unterlassen des Betriebs oder Schadensersatz verklagt.
So auch in dem Fall, über den das OLG Hamm (Urteil vom 05.05.2022 - 24 U 1/20) nun entschieden hat.
Der Hintergrund: Kläger zuvor bereits vor dem Verwaltungsgericht gescheitert
In der Sache ging es um die Klage eines Grundstückseigentümers, der von dem Betreiber einer ca. zwei Kilometer entfernten Windenergieanlage Schadensersatz verlangte, weil er vermeintlich durch Infraschall gesundheitlich beeinträchtigt würde.
Bereits zuvor hatte der Kläger versucht, per verwaltungsgerichtlicher Anfechtungsklage gegen die Genehmigung der Windenergieanlagen vorzugehen. Das VG Minden (Urt. v. 12.12.2018, 1 1 K 928/17) wies die Klage allerdings ab und schloss eine Beeinträchtigung der materiellen Rechte des Klägers durch den Betrieb der Windräder unter allen Gesichtspunkten – ausdrücklich unter Berücksichtigung von Schallimmissionen – aus. Das Urteil ist mittlerweile rechtskräftig.
OLG Hamm: Zivilgericht an vorhergehendes Verwaltungsgerichtsurteil gebunden
Mit dem rechtskräftigen Urteil des VG Minden begründete das OLG Hamm nun auch die Ablehnung des Anspruchs auf Schadensersatz wegen Infraschallbeeinträchtigung.
Das Gericht führt aus, dass das rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts die Beteiligten gemäß § 121 Nr. 1 VwGO binde. Die materielle Rechtskraft des Urteils binde darüber hinaus auch andere Gerichte hinsichtlich der tragenden Gründe – dies gelte auch für Zivilgerichte. Demzufolge musste das OLG Hamm von der Feststellung des VG Minden ausgehen, dass eine Beeinträchtigung materieller Rechte des Klägers unter allen Gesichtspunkten – also auch aufgrund immissionsschutzrechtlicher Immissionen wie Infraschall – offensichtlich ausgeschlossen sind.
Der im Verwaltungsprozess unterlegene Grundstückseigentümer und Kläger ist somit daran gehindert zivilrechtlich den Betreiber der Windenergieanlagen auf Schadensersatz zu verklagen. Dabei betonte das OLG Hamm diese Bindungswirkung ausdrücklich auch für den Fall einer zuvor wegen offensichtlicher Unbegründetheit als unzulässig abgewiesenen verwaltungsgerichtlichen Klage.
Urteil bringt Klarheit bei immissionsschutzrechtlichen Schadensersatzklagen
Das Urteil des OLG Hamm sendet ein positives Signal an alle Betreiber:innen von Windenergieanlagen. Durch die aktuelle Energiepolitik, die andauernde Energiekrise und dem damit einhergehenden Ausbau der Windenergie werden auch in Zukunft Klagen auf Schadensersatz von Grundstückseigentümer:innen oder Windenergiegegner:innen nicht zu vermeiden sein und im Zweifel sogar zunehmen. Das Urteil schafft dahingehend Klarheit und stärkt die Rechtsposition von Betreiber:innen, deren immissionsschutzrechtliche Genehmigung verwaltungsgerichtlich bestätigt wurden.
Es bleibt abzuwarten und zu hoffen, dass mit dem Urteil des OLG Hamm künftig auch ein immer wieder im Kontext von zivilrechtlichen Schadensersatzklagen aufgrund vermeintlicher Beeinträchtigungen durch Infraschall vorgetragenes Urteil des OLG Schleswig an Bedeutung verliert.